Vom Requirements Engineer zum Digital Business Analyst

by | 27.04.2018 | Allgemein

Was macht eigentlich ein Business Analyst? Wikipedia meint dazu: „Business Analyst (BA) ist eine Stelle oder Rolle in einer Organisation, die mit der Durchführung von Business-Analysen befasst ist.“ Naja, wenig aufschlussreich. Aber da kommt ja noch was: „Die Hauptarbeit des Business Analysten besteht aus Zuhören, Hinterfragen, Verstehen, Strukturieren und Dokumentieren.“ Gestalten gehört nicht dazu? Merkwürdig. Und schließlich: „Er stellt das Bindeglied zwischen Fachabteilung und IT-Team dar.“ Also eine Art Vermittler oder Übersetzer?

Sie merken es: Mir gefällt diese Rollenbeschreibung nicht. Aber wie sieht die Rolle des Business Analysten heute tatsächlich aus und – spannender noch – wie verändert sich diese Rolle in Unternehmen, die sich den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen?

Die Gegenwart

Wenn Sie Business Analysten heute nach ihrem Job-Profil fragen, erhalten Sie ganz unterschiedliche Antworten. Einige sind schwerpunktmäßig im Bereich der Geschäftsprozessanalyse tätig. Sie unterstützen damit das strategische Management ihres Unternehmens. Andere arbeiten projektbezogen in der IT und entwickeln Anforderungen für IT-gestützte Lösungen. Sie erfüllen die klassische Aufgabe eines Requirements Engineers. In vielen Organisationen wird das Requirements Engineering als eine reaktive, umsetzungsorientierte Aufgabe verstanden: die Anforderungen sind schon „irgendwie“ in den Köpfen der Stakeholder vorhanden. Sie müssen „nur“ noch erhoben und formuliert werden.

Bei manchen Business Analysten ist die Rolle aber weniger klar. Wie bei den beiden, die ich kürzlich traf. Sie arbeiten in einem US-amerikanischen Konzern in der Produktentwicklung an der Schnittstelle zwischen Fachabteilung und Softwareentwicklung. Ihre Rolle umfasst aber weit mehr als das „Übersetzen“ oder „Vermitteln“ zwischen beiden Bereichen. Da agiles Vorgehen für die Organisation neu ist und die fachlich Verantwortlichen mit der Rolle des Product Owners noch „fremdeln“, übernehmen die Business Analysten die damit verbundenen Aufgaben. Gemeinsam mit Mitarbeitern der Fachabteilung legen sie die Funktionalität des neuen Produkts fest, das gerade entwickelt wird. Dazu gestalten (!) sie Use Cases. Sie beschreiben, priorisieren und schneiden die Use Cases, sodass sie als Stories in den Kanban-ähnlichen agilen Entwicklungsprozess einfließen können. Mit ihren Technologiekenntnissen entwickeln sie darüber hinaus die notwendigen nicht-funktionalen Anforderungen an das Produkt. Aber sie bleiben nicht auf dem Level der Anforderungen stehen. Sie überwachen auch den Einsatz der entwickelten Produktkomponenten, um Verbesserungen und ggf. Fehlerbehebungen anzustoßen. Produktmanager, Product Owner, technischer Leiter eines Produktteams und Requirements Engineer – von jedem etwas, so sehen sie sich selbst.

Ein Grund für die unterschiedliche Interpretation der Rolle des Business Analysten ist der breite Scope der Business Analyse. Er beginnt – wie in Abbildung 1 dargestellt – bei strategischen Aktivitäten. Mit ihnen wird Klarheit über den tatsächlichen Bedarf einer Organisation geschaffen und mögliche technisch/organisatorische Lösungsansätze entwickelt. Sie sind in Hinsicht auf ihren potenziellen Nutzen und die damit verbundenen Risiken zu bewerten. Der Scope der Business Analyse reicht bis zu den operativen Tätigkeiten der Anforderungsermittlung, die die technische Umsetzung der gewählten Lösung ermöglichen sowie der Bewertung der entwickelten Lösung. Meist sind Business Analysten heute entweder strategisch oder operativ tätig.

Scope der Business Analyse

Abb. 1: Scope der Business Analyse

Die Zukunft

Digitale Technologien wie Cloud, Blockchain, Augmented und Virtual Reality, Analytics, KI und Machine Learning bieten Unternehmen die Chance, ihren Kunden ganz neue, innovative Wertangebote zu machen. Die Möglichkeiten sind vielfältig:

  • Sie beginnen bei neuen, überlegenen Kundenerlebnissen (User Experience), die die Kunden enger an das Unternehmen binden.
  • Reichen über digitalisierte Prozesse, die die Effizienz des Unternehmens stärken, Kosten reduzieren und damit die Marktposition stärken.
  • Und gehen bis zu ganz neuen Geschäftsmodellen, die mit innovativen Produkten und neuartigen Services neue Märkte schaffen.

Diese Zukunft hat in vielen Organisationen längst begonnen. Höchste Zeit also, um über den Einfluss der Digitalisierung auf das Rollenverständnis des Business Analysten Klarheit zu gewinnen.

Das International Institute of Business Analysis IIBA sieht für die Rolle des Digital Business Analyst, also des Business Analysten im digitalen Kontext drei Ausprägungen[1]: den Digitalisierungsstrategen, den Digitalisierungsspezialist und den cross-funktional agierenden BA-Professional. Sehen wir uns die drei Ausprägungen näher an.

Digitalisierungsstrategen unterstützen das Management bei der Bewertung der „digitalen Reife“ der Organisation, beim Festlegen der digitalen Ziele sowie bei der Entwicklung einer Strategie für die digitale Transformation einschließlich einer Produkt- bzw. Service-RoadmapSie sind in der Lage,

  • Technologietrends und die damit verbundenen Chancen zu verstehen und zu bewerten,
  • Geschäftsmodelle zu entwickeln,
  • Unternehmensarchitekturen zu definieren,
  • den möglichen Geschäftswert zu kommunizieren.

Digitalisierungsspezialisten nutzen ihr spezialisiertes Technologiewissen, um die digitalen Ziele der Organisation umzusetzen und zu validieren. Sie können

  • digitale Technologien und ihre Anwendungsfälle verstehen,
  • Geschäftsvorgänge im Detail analysieren,
  • Schwachstellen sowie unbefriedigende Situationen für Kunden benennen und digitale Lösungen empfehlen,
  • Anforderungen für digitale Lösungen funktionsübergreifend erarbeiten.

Cross-funktional agierende BA-Professionals sind Praktiker, die über ihr ursprüngliches Fachgebiet hinaus denken. Damit fügen sie sich speziell in agile Organisationen ein, die sich von Silodenken und der traditionellen Rollentrennung in Projekten verabschiedet haben. Bei der Entwicklung von Lösungen sind sie in der Lage, verschiedenste Perspektiven (wie UX oder Informations- und Lösungsarchitektur) zu berücksichtigen und operative Entscheidungen zu treffen. Früher überwiegend auf die Lösung von Geschäftsproblemen der Stakeholder fokussiert, arbeiten sie nun überwiegend kundenorientiert. Sie

  • verstehen die Sprache des Kunden,
  • gestalten neue Kundenerlebnisse und kundenorientierte Lösungen,
  • verwalten den Produkt- und Service-Lebenszyklus,
  • messen und überwachen den Erfolg der entwickelten Lösungen.

Die Herausforderung

Die neuen Facetten des Profils eines Business Analysten machen deutlich: In der Welt der Digitalisierung werden mehr denn je Business Analyse-Fähigkeiten gebraucht. Denn Business Analysten können entscheidend helfen, dem Wandel in einer Organisation den Weg zu bereiten. Mit der Digitalisierung verändert sich jedoch die Rolle des Business Analysten: Der Digital Business Analyst wird zu einem Bindeglied zwischen Strategie und Technologie, entwickelt sich weg von reaktivem hin zu präskriptivem Handeln und zu hoher Kreativität. Das bedeutet auch: Business Analysten, die bei der digitalen Transformation einer Organisation eine – wie auch immer ausgeprägte – Berater- und Partnerrolle übernehmen wollen, müssen ihre Kernkompetenzen weiterentwickeln. Das Spektrum der Kernkompetenzen zeigt Abbildung 2:

Kompetenzen eines Digital Business Analyst

Abb. 2: Kompetenzen eines Digital Business Analyst

Alle drei Arten von BAs – der Digitalisierungsstratege, der Digitalisierungsspezialist und der cross-funktional agierende BA-Professional –  finden die passende Tool-Unterstützung in objectiF RPM. Schauen Sie die Lösung doch einfach mal an.

 

Quellen:

[1] Digital Business Analysis Essential Competencies for Success, IIBA Global Thought Leadership Series, IIBA June 2018, abgerufen unter: http://iiba.informz.ca/IIBA/pages/competencies_for_success