Planen nach SAFe® – Schritte, Regeln und Realität
Zugegeben: Planen liegt mir nicht. Es fällt mir schwer, mit Unsicherheit umzugehen und zu akzeptieren, dass statt mit Fakten oft mit Annahmen gearbeitet werden muss. Dazu kommt die Erfahrung, die wir gegenwärtig alle teilen, dass unverhofft etwas passieren kann, was sämtliche Pläne Makulatur werden lässt. Dennoch: Zum Planen gibt es keine Alternative. Es schafft einen Orientierungsrahmen für Entscheidungen und hilft, die Konsequenzen überraschender Ereignisse zu erkennen. Kurze Planungszyklen wie beim agilen Vorgehen ermöglichen, auf Veränderungen zeitnah zu reagieren.
Im agilen Kontext wird auf allen Unternehmensebenen iterativ geplant: angefangen bei der Planung der Unternehmensstrategie bis hin zur Tagesplanung jedes einzelnen Teams. Auf jeder Ebene werden dabei Planungsentscheidungen getroffen, die den Rahmen für die Planung auf der nächst niedrigeren Ebene abstecken. Schon 2005 hat Mike Cohn dafür das Bild der Agile Planning Onion verwendet [1]. Es hat nichts von seiner Aktualität verloren und lässt sich auf das Scaled Agile Framework (SAFe®) [2] übertragen – das zurzeit wohl gängigste Framework für große agile Vorhaben.
Abb. 1: Agile Planning Onion angepasst an die Begrifflichkeit des Scaled Agile Framework SAFe®
Klar, die Planungsebenen unterscheiden sich im Planungsgegenstand und Planungshorizont. Geplant wird in unterschiedlichen Zyklen mit jeweils anderen Beteiligten. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten: Auf jeder Ebene wird im Team geplant. Zu den zentralen Hilfsmitteln gehören dabei (fast) immer vorbereitete Backlogs.
Schauen wir genauer hin: Wie laufen die einzelnen Planungsschritte nach SAFe® ab? Wie kann der gesamte Planungsprozess vom strategischen Thema bis zu elementaren User Stories nachvollziehbar bleiben? Lassen sich die Regeln zum Vorgehen, wie SAFe® sie vorgibt, mit unserer momentanen Arbeitsrealität vereinbaren? Darum soll es im Folgenden gehen.
Die Planungsebenen
Strategieplanung
Bei der Strategieplanung werden die Geschäftsziele – SAFe® spricht von strategischen Themen – eines Unternehmens definiert. Der Planungszyklus ist abhängig von der Dynamik des Geschäftsfelds. In den meisten Unternehmen ist ein jährlicher Planungszyklus üblich und ausreichend. Anhand der strategischen Themen werden Entscheidungen über Portfolios getroffen. Konkret können aus strategischen Themen für ein Portfolio Business Epics abgeleitet werden, die im Portfolio Backlog gesammelt werden. Damit ist der Rahmen für den nächsten Schritt gespannt:
Portfolioplanung
Bestandteil von SAFe® ist das Lean Portfolio Management. Seine Aufgabe ist es, die Strategie und ihre Ausführung im Sinne von Lean Thinking miteinander zu verbinden. Zur Umsetzung der Strategie werden Portfolios aufgesetzt. Ein Portfolio ist der Container für mehrere Wertströme (Value Streams). Wertströme werden durch Projekte oder Programme realisiert. Mit den Projekten und Programmen eines Portfolios sollen die Werte geschaffen werden, die mit der Unternehmensstrategie angestrebt werden. Ein zentraler Schritt der Portfolioplanung besteht darin, die Business Epics, die aus den strategischen Themen abgeleitet wurden, Projekten bzw. Programmen eines Portfolios zur Realisierung zuzuordnen. Konkret bedeutet das, Business Epics aus dem Portfolio Backlog in die Domänen- bzw. Produkt Backlogs der Projekte bzw. Programm Backlogs der Programme eines Portfolios zu übernehmen.
Die Planungsentscheidungen müssen regelmäßig überprüft werden – unter operativen, strategischen und finanziellen Aspekten. Zur operativen Überprüfung, ob ein Portfolio auf dem richtigen Weg ist, gehören u.a. Reviews des Portfolio Backlogs. Reviews werden durchgeführt, um Abhängigkeiten zu identifizieren und aufzulösen, Prioritäten zu überprüfen, Hindernisse zu erkennen sowie den Fortschritt der Wertströme zu bewerten. Empfohlen werden dafür kurze – z.B. monatliche – Zyklen. Bei der strategischen Überprüfung eines Portfolios steht die Portfolio-Vision und ihre Weiterentwicklung im Vordergrund. Eine vierteljährliche Taktung ist hier sinnvoll. Halbjährlich sollte ein Blick auf das Budget geworfen werden, um ggf. Genehmigungsverfahren für neue strategische Themen anzustoßen.
PI Planung (Programminkrementplanung)
Bei der PI Planung wird festgelegt, was im nächsten Inkrement entwickelt werden soll. Geplant wird je nach Inkrementdauer alle 8-12 Wochen. Am PI Planungsmeeting nehmen die Mitglieder aller Teams teil, die am Programm mitarbeiten – SAFe® spricht von einem Agile Release Train, kurz ART. Eine Grundlage für ein PI-Planungsmeeting ist das verfeinerte und priorisierte Programm Backlog mit den wichtigsten zu realisierenden Features. Außerdem sollten darin die Enablers definiert sein, die für die Umsetzung der Architekturvision notwendig sind. Auf dieser Basis können dann Features und Enablers für die Realisierung im nächsten Inkrement ausgewählt, d.h. in das Inkrement Backlog übernommen werden.
Teamplanung
Welches Team macht was? Auch diese Frage wird im Rahmen des PI Planungsmeetings beantwortet. Die Einträge des Inkrement Backlogs werden auf die Teams verteilt, in die Team Backlogs übernommen und verfeinert.
Iterationsplanung
Um mögliche Risiken zu erkennen und Abhängigkeiten zwischen den Teams bei der Realisierung zu analysieren und zu minimieren, werden während des PI Planungsmeetings Features aus den Team Backlogs auf die Backlogs der üblichen 3-4 bevorstehenden Iterationen innerhalb eines Inkrements verteilt. So entstehen initiale Iterationspläne für die Teams. Jeder initiale Iterationsplan wird im Rahmen der Iterationsplanung des jeweiligen Teams konkretisiert und verfeinert. Ein Meeting zur Iterationsplanung sollte – bezogen auf zweiwöchige Iterationen – maximal 4 Stunden dauern.
Daily
Nur 15 Minuten ist die strikte Empfehlung für die täglichen Stand-Up Meetings zur Koordination der Arbeit im Team vor einem Kanban Board.
Der Planungsablauf
Überblick
Das nachfolgende Video zeigt konzeptuell den gesamten Planungsablauf mit objectiF RPM für SAFe® – von der Strategie der Stakeholder bis zu den Dailies der Entwicklungsteams. Er ist durchgängig tool-unterstützt, sodass alle Planungsschritte sichtbar und nachvollziehbar werden.
Planungsablauf mit objectiF RPM für SAFe® – von der Strategie bis zu den Dailies der Teams
Zentrale Regeln
Nach SAFe® planen alle, die an einer Lösung arbeiten, gemeinsam. Zu den Regeln von SAFe® gehört außerdem, dass die PI Planung als Face-to-Face Event durchgeführt wird. Damit erreicht ein PI-Planungsmeeting eine Größenordnung, die umfangreiche organisatorische, logistische und inhaltliche Vorbereitungen erfordert. Vor allem sollte ein detaillierter Ablaufplan vorliegen. Die Autoren von SAFe® machen einen Vorschlag für eine passende Agenda.
Abb. 2: Vorschlag für die Agenda der PI Planung nach SAFe®
Wenn im Falle von verteilten ARTs gemeinsame Meetings nicht möglich sind, dann – so schlägt SAFe® vor – sollten die Teams eines ART wenigstens in einer Videokonferenz zusammengeschaltet werden, wobei jedes Team am eigenen Standort „physisch“ zusammenkommt.
Realität
In Zeiten, in denen Meetings und Präsenzveranstaltungen nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden dürfen und sich viele „potenzielle“ Teilnehmer im Homeoffice befinden, stellt sich die Frage: Wie kann die PI Planung in dem üblichen Rahmen von 50-125 Personen durchgeführt werden? Mögliche Antworten darauf sind:
- Mit einem noch höheren technischen Aufwand und umfangreichen organisatorischen Vorbereitungen, wie sie für Online-Konferenzen inzwischen üblich sind
- Mit einer um mindestens einen weiteren Tag „gestreckten“ Agenda. Ziel der Verlängerung ist es, Ermüdung, Stress und Konzentrationsproblemen entgegenzuwirken, die sich aus dem langen Sitzen vor dem Bildschirm, dem Kommunizieren ohne Körpersprache und der anstrengenden, oft instabilen Übertragung ergeben könnten.
Die Regel, dass alle Beteiligten ein Programminkrement gemeinsam planen, ist gut und richtig. Aber wenn es die Umstände nicht zulassen, muss auch eine andere Möglichkeit erwogen werden: In einem engeren Kreis zu planen, der aus Product Owner, Release Train Engineer, System Architekten und Team Leads bzw. von den Teams entsandten Vertretern besteht. Das mag nicht mehr SAFe® sein, hilft aber in der aktuellen Situation vorübergehend weiter. Was meinen Sie dazu? Gibt es weitere Alternativen? Ich freue mich auf Ihre Erfahrungen und Meinungen.
Übrigens: Für die tägliche virtuelle Zusammenarbeit, stehen Ihnen mit der Version 7.0 von objectiF RPM, die noch in diesem Jahr kommen wird, Kollaborationsfunktionen zur Verfügung – und zwar direkt im Tool ohne zusätzliche Videokonferenz-Software. Damit schalten Sie sich ganz einfach per Ton und Bild direkt unter objectiF RPM mit Ihren Kollegen und Kolleginnen zusammen für gemeinsames Modellieren, Klären von Fragen, Reviews, Daily Scrums u.v.a.m.
Aber schon heute lohnt sich ein Blick in objectiF RPM für SAFe® – einfach hier herunterladen.
Quellen:
[1] Mike Cohn: Agile Estimating and Planning, Prentice Hall 2005
[2] SCALED AGILE, Inc: https://www.scaledagileframework.com/
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