Agil und digital – (k)ein Widerspruch?
Nach wochenlangem Corona bedingtem Home-Office haben in den Büros sämtliche Post Its ihre Haftung verloren. Oft ist es eine lange Wand, eine Fensterfront oder auch ein Whiteboard, woran User Stories geheftet und manchmal sogar mit Fäden verbunden werden, um Dependencies für alle im Team klar zu machen. Das, was Agilität so entschieden fordert, nämlich die face to face Kommunikation am besten ohne räumliche Trennung, war im Lockdown nicht realisierbar. Tools helfen bei der Übersetzung in virtuelle Räume und beim Verschieben virtueller Karten. Stellt sich die Frage: Wie viel Digitalisierung braucht Agilität heute?
Verteilte Teams mit zentrierten Daten
Die Herausforderungen von COVID-19 kannten verteilte Teams schon vor dem Ausbruch der Pandemie. Auch wenn das Virus sich irgendwann kontrollieren lässt, werden Unternehmen Kosten, Zeit und CO2-Bilanz für Reisen zu Meetings weiterhin überdenken müssen. Schnell hatten sich auch sonst eher analog gesinnte Teammitglieder an Daily Scrums per Zoom, Skype, Webex, Slack usw. gewöhnt. Wer ganz sichergehen wollte, dass er im Homeoffice alles mitbekommt, zeichnete die Online-Meetings gleich auf. Aber alleine das Sammeln von Daten macht die Information nicht besser. Das haben agile Vordenker schon vor langer Zeit erkannt und übermäßige Dokumentation im agilen Manifest kritisiert. Umso wichtiger ist es, dass bei verteilten Teams das Single Source Prinzip für Backlogs und Ergebnisse von Daily Scrums oder PI Plannings gilt. Das Fundament der Zusammenarbeit ist eine zentrale Quelle, zu der alle einen Zugriff in Echtzeit mit voller Traceability aller Änderungen haben. Noch wichtiger ist, dass diese Datenbank von allen verantwortlich editiert wird. Nicht jede noch so kleine Randnotiz sollte abgespeichert werden, sondern die Essenz des Besprochenen. So raten die Verfasser des Scaled Agile Frameworks auf ihrer Seite „Distributed PI Planning with SAFe®“ [1]
Dieser zusätzliche Aufwand für die Dateneingabe kann von der größeren Absicht des PI-Planungsereignisses ablenken […] Es ist wichtig, die richtige Balance zu finden. Technologie bringt zwar viele Vorteile, aber auch zusätzliche Herausforderungen mit sich. Wenn alle mit dem Gesicht nach unten an ihren Laptops sitzen, kann die Zusammenarbeit beeinträchtigt werden.
Für die Konzentration der Anforderungsdefinitionen ist der Product Owner verantwortlich. Aber auch jeder einzelne im Team. Der Input in das zentrale Repository soll dezentral und selbstverantwortlich erfolgen. Dabei hilft der Einsatz von Software, beispielsweise mit asynchronen Reviews von Epics, User Stories und Tests. Idealerweise sichern digitale Lösungen das, WAS entwickelt werden soll, also die Vision mit all ihren Verfeinerungen. Wenn alle immer im Blick haben, was das Ziel ist, dann können sie selbstverantwortlich Entscheidungen über das WIE treffen.
Digitale Kommunikation & Kooperation
Warum betonen agile Methoden die direkte Kommunikation so sehr? Weil gerade bei der Umsetzung von Lösungen schnelle Antworten und Entscheidungen gefragt sind. So verwundert es nicht, dass Entwickler oftmals die ersten im Unternehmen sind, die gemeinsam agil vorgehen. Mir selbst ist im Homeoffice erst aufgefallen, wie wichtig schnelles Feedback sein kann, um den Workflow konstant zu halten. Natürlich können Instant-Messaging-Apps mit Gruppenfunktionen beim schnellen Austausch untereinander weiterhelfen, aber gerade wenn es darum geht, etwas spontan ohne vorherige Terminfindung gemeinsam anzuschauen oder auszuprobieren, hilft die Zusammenarbeit an einem Ort sehr. Iteratives, inkrementelles Vorgehen profitiert aus meiner Sicht enorm von direkter, nicht-digitaler Kommunikation.
Für die Kooperation können digitale Hilfsmittel wie Kanban-Boards wiederum sehr nützlich sein. Der Vorteil von digitalen Boards gegenüber analogen ist ganz klar: Will man z. B. die Flow-Effizienz berechnen oder den Fortschritt mit einem Cumulative Flow Diagramm visualisieren, um immer besser Aufwände schätzen zu können, erledigen Tools das ganz automatisch. Wenn man sich im Sinne von Kaizen kontinuierlich verändern und verbessern will, ist die stetige Messung der aktuellen Leistung notwendig. Auch dafür sind digitale Helfer sehr nützlich.
Gemeinsame Inkrementlieferung
Gerade wenn viele agile Teams an einer gemeinsamen Lösung arbeiten, müssen die Einzelergebnisse immer wieder aufeinander abgestimmt werden. Agile Methoden sehen face to face Meetings dafür vor. Große, verteilte Teams mussten sich schon vor Corona per Remote Video-Conferencing zusammenfinden. Je zahlreicher und weiter entfernt voneinander die Teams dabei sind, desto schwieriger wird die Umsetzung. Auf der oben erwähnten Website von SAFe® wird von mehrtägigen PI Plannings mit teilnehmenden Zeitzonen von Los Angeles bis Neu-Delhi berichtet. SAFe® sieht vor, dass restlos alle Teammitglieder am PI Planning teilnehmen. Wird das nicht so praktiziert, macht man kein SAFe®. Klar ist, dass viele Augen mehr sehen und der Flüsterpost-Effekt so minimiert wird, dennoch ist das ohne digitale Hilfsmittel kaum zu bewältigen. Gerade bei der Vor- und Nachbereitung dieser Meetings (Backlog-Updates, Visualisierung von Abhängigkeiten, Teamplanung) ist man gut beraten, wenn man digitale Tools nutzt.
Und wie schafft man es, dass der gemeinsame Agile Release Train kontinuierlich weiterrollt, anstatt bei jedem Team anzuhalten und Lieferungen einzusammeln? Dabei hilft die Integration von Entwicklung (Development) und IT-Betrieb (Operations) zu DevOps. DevOps benötigen Automatisierung. Nur so können Inkremente permanent integriert, bereitgestellt, getestet und verbessert werden. Die Ergebnisse und Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, müssen aber wieder „vorne“ in den Entwicklungskreislauf einer Anwendung einfließen. Dafür empfiehlt sich Hilfe in Form von ALM (Application Lifecycle Management) Tools. [2]:
ALM-Tools schaffen eine standardisierte Umgebung für die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsteams und verwandten Gruppen.
Damit der Kreis sich schließt und ein produktiver Kreislauf (Scrumflow) entstehen kann, der schnell auf Feedback zu gelieferten Inkrementen reagiert, müssen Informationen für alle am Lebenszyklus Mitwirkenden auf einem Stand sein. Bei Scaled Agile Inc. werden diese Lösungen zur Qualitätssicherung des gesamten Entwicklungskreislaufs als Agile Lifecycle Management Tools bezeichnet. Der Einsatz solcher Tools ist für die virtuelle Kollaboration großer Teams ein Muss.[3]
Fazit
Wenn mehrere agile Teams effizient zusammenarbeiten wollen, müssen sie Möglichkeiten nutzen, die digitale Lösungen heute bieten. Natürlich birgt das immer die Gefahr, zu viel Dokumentation zu erzeugen oder mit dem reinen Abspeichern von Information gedanklich die Verantwortung zu parken. Das würde allerdings lean-agile Entwicklung zunichte machen. Deshalb ist es gut, wenn man Tools individuell an die Bedürfnisse von Teams anpassen kann, damit sie exakt dort Unterstützung bieten, wo die Teams sie brauchen.
Schreiben Sie uns einen Kommentar, wie Sie den agilen Schwung im Lockdown aufrecht erhalten haben. Welche Tools ihnen geholfen haben und wie Sie jetzt weitermachen. Wir sind gespannt auf Ihre Berichte!
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[1] © Scaled Agile, Inc. unter https://www.scaledagileframework.com/distributed-pi-planning/
[2] © Scaled Agile, Inc. unter https://www.scaledagileframework.com/devops/
[3] © Scaled Agile, Inc. unter https://www.scaledagileframework.com/working-successfully-in-agile-with-remote-team-members/
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