Das E.R.F.O.L.G.s-Modell für Teamentwicklung
Teamarbeit ist eine komplizierte Sache. Viele Experten, viele Erfahrungen, viele Bedürfnisse wollen bei der gemeinsamen Arbeit ihren Platz finden. Dabei kommt es häufig zu Missverständnissen und zu daraus resultierenden Konflikten, die am Ende den Teamerfolg gefährden können. Damit es nicht soweit kommt, muss jedes Teammitglied bereit sein, so manches persönliche Bedürfnis zugunsten des Teamerfolgs zurückzustecken. Diese Bereitschaft steigt, wenn sich das Teammitglied grundsätzlich wertgeschätzt, gebraucht und sicher im Team fühlt. All diese Voraussetzungen sind leider nicht automatisch gegeben. Sie müssen erarbeitet werden. Jeden Tag.
Mit dem E.R.F.O.L.G.s-Modell für Teamentwicklung möchten wir all jenen, die mit Teams arbeiten, einen kleinen und leicht merkbaren Basisleitfaden an die Hand geben, der als täglicher Begleiter daran erinnern soll, worauf zu achten ist, damit die Arbeit im Team nachhaltig Spaß macht und Erfolg bringt.
E. – Erreichtes erzählen
Das Sprechen über Erfolge bringt Selbstvertrauen, Motivation und Anerkennung – damit sind neuerliche Erfolge sozusagen vorprogrammiert. Interessieren Sie sich konsequent für alles das, was gut funktioniert. Fragen Sie nach Erfolgen und kommentieren Sie sie in wertschätzender Weise, wenn Sie zufällig solche beobachten. Achten Sie darauf, dass das Team immer wieder die Möglichkeit hat, sich über Gelungenes auszutauschen. Feiern Sie erreichte Etappenziele. All diese Maßnahmen führen zu positiven Emotionen, zu mehr Zusammenhalt und damit zu neuerlichem gemeinsamen Streben nach dem nächsten Erfolg.
R. – Rückschläge relativieren
Rückschläge finden statt. Sie gehören einfach dazu. Natürlich freut sich niemand darüber – manch einen kann so ein Rückschlag sogar in ein tiefes persönliches Loch werfen (Wir wissen genau, wovon wir da sprechen…) Rückschläge auf gemeinsam eingeschlagenen Wegen können jedoch auch als Frühwarnindikatoren wertgeschätzt werden. Möglicherweise machen sie darauf aufmerksam, dass man vor engen Kurven auch mal bremsen muss, um nicht vom Kurs geschleudert zu werden. Wann immer also ein Weg nicht zum gewünschten Ziel führt, ist es an der Zeit, kurz innezuhalten und gemeinsam zurückzublicken, um zu lernen. Das Team sollte sich fragen, was an dem eingeschlagenen Weg gut war und was bei einem nächsten Versuch anders sein müsste – ganz im Sinne von agilem „Inspect und Adapt“.
F. – Fehler feiern
Ähnlich verhält es sich mit Fehlern, die nun mal passieren, wenn gearbeitet wird. Versuchen Sie Fehler als Ausgangspunkt für Verbesserungen zu betrachten. Wann immer jemandem ein Fehler unterläuft, gilt es, eine neue Erkenntnis zu feiern. Dazu müssen keine Champagnerkorken knallen. Es geht viel mehr um eine innere Einstellung zum Thema Fehler machen. Wenn es gelingt, in einem Team eine positive Fehlerkultur zu etablieren, kann man feststellen, dass sich Teammitglieder häufiger trauen, Neues auszuprobieren, kreativer zu sein, und mit großem Selbstbewusstsein gemeinsam ungeahnte Erfolge generieren können. Das große Ziel, Anerkennung, Zugehörigkeit und Harmonie zu gewinnen, kann so auf einem anderen Weg erreicht werden.
O. – Ordnung organisieren
Ordnung zu organisieren bedeutet,
- dafür zu sorgen, dass es einen unverhandelbaren Rahmen gibt, der allen Mitarbeitern bekannt ist und von ihnen mitgetragen wird,
- dass die institutionellen Regeln zwar grundsätzlich befolgt, jedoch regelmäßig hinterfragt und bei Bedarf angepasst werden, und
- dass Platz für das immerwährende Aushandeln punktuell nötiger Teamregeln gegeben ist.
Damit sich ein Team gut entwickeln kann, braucht es einen klaren Rahmen und einige wenige Grenzen, die von außen vorgegeben sind und innerhalb derer es sich frei entfalten kann. Dies wird als der unverhandelbare Rahmen bezeichnet. Wie der Name schon sagt, sind diese Grenzen nicht verhandelbar, also fest verankert. Der unverhandelbare Rahmen muss bekannt und gut überlegt sein – und er sollte nicht mehr als vier Punkte (wie die vier Seiten eines Rahmens) beinhalten. Zum Beispiel könnten Forderungen wie
- Ich achte und bewahre den guten Namen des Unternehmens oder
- Ich begegne unseren Kunden mit Respekt und Wertschätzung
Teile eines unverhandelbaren Rahmens sein.
Institutionelle Regeln, die zusätzlich aufgestellt werden, und deren Kontrollen sollten einen eher flexiblen Rahmen darstellen, um Weiterentwicklungen zu ermöglichen. Sie dienen der grundsätzlichen Orientierung zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Verständigung innerhalb eines Unternehmens bzw. einer Organisation. So sollen sie Vertrauen und Sicherheit fördern. Wenn dieses Regelsystem jedoch starr wird, dann verhindert es die Verwirklichung genau dieser Intention. Wer sich vor Konsequenzen ängstigt und keine Möglichkeit hat, eigene Ideen zum besseren Zusammenleben in einem Unternehmen einzubringen, wird zum angepassten, unauffälligen Mitarbeiter, der resignierend seine Arbeit verrichtet. Besonderes Engagement darf dann nicht erwartet werden. Daher fordert [Sprenger 2012]¹ sogar einen Störungsauftrag vom Management, also dass Führungskräfte ein System immer wieder aktiv instabil machen sollen, damit es nicht einfriert. Zum institutionellen Rahmen könnten etwa die Punkte
- Ich halte beim Kommunizieren von entdeckten Fehlern den jeweiligen Dienstweg ein oder auch
- In der Kernarbeitszeit (Mo bis Do von 10 bis 15 Uhr und Fr von 10 bis 13 Uhr) ist die persönliche Anwesenheit aller Mitarbeiter ohne Außendiensttätigkeit verpflichtend
gehören.
Und dann gibt es noch viele verhandelbare Teamregeln, die ein gutes Zusammenleben ausmachen. Diese Teamregeln sollte das Team gemeinsam erarbeiten und sie sollten zu jeder Zeit verhandelbar bleiben. Wann immer ein Problem in der Zusammenarbeit oder beim Zusammenleben im Team auftritt, gilt es dafür Sorge zu tragen, dass Raum geschaffen wird, bestehende Regeln zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern oder neue hinzuzufügen. Solche Regeln können zum Beispiel sein:
- Das Kaffeetrinken während der Meetings ist gestattet, solange alle pünktlich erscheinen oder auch
- Wann immer ein Teammitglied um Hilfe bittet, ist dieser Bitte Folge zu leisten.
L. – Lösen lassen
Wann ist eine Führungskraft, ein Coach oder auch jemand, der eine anders geartete führende Rolle, wie zum Beispiel die eines Scrum Master, innehat, hilfreich für andere? Diese Frage wird heute zunehmend anders beantwortet als noch vor einigen Jahren. Es war immer klar, dass diese Personen dann einen guten Job machen, wenn sie die Probleme anderer möglichst schnell lösen und dadurch gut weitergearbeitet werden kann.
Das neue Bild von guter Hilfestellung sieht hingegen anders aus. Weder Führungskraft noch Agile Coach oder Scrum Master müssen die größten Fachexperten im Team sein. Dafür gibt es ja die Teammitglieder als Experten, die die tägliche Arbeit verrichten. Heute sind Menschen für diese Positionen gefragt, die sich darauf verstehen, anderen den Rücken zu stärken, sie wachsen zu lassen und gleichzeitig gute Rahmenparameter zu schaffen, sodass gute Zusammenarbeit möglich wird. Sie helfen ihren Kollegen dabei, auftretende Probleme selbst zu lösen, wann immer die Lösung in deren Wirkungsbereich fällt. Natürlich treffen sie auch Entscheidungen für das Team – um eben diesen Raum zu schaffen, in dem sich das Team gut bewegen kann. Die Rollen und ihre Anforderungen haben sich verändert. Und das trägt wesentlich zum Selbstbewusstsein der Teammitglieder und damit zur Teamentwicklung bei.
G. – Gutes erwarten
Eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit in einem Team ist gegenseitiges Vertrauen. Leider kann man dieses Vertrauen nicht kurzfristig herstellen oder schaffen, Vertrauen muss wachsen. Es muss entstehen aus der Erfahrung heraus, dass man sich aufeinander verlassen kann – auch dann, wenn es mal schwierig wird. Und genau hier kommt diese Sache mit dem Fokus ins Spiel. Wer davon ausgeht, dass er niemandem vertrauen kann, der findet auch ständig Beweise dafür, dass dem so ist, weil er (unbewusst) danach sucht. Sucht man hingegen nach Beweisen dafür, dass man anderen sehr wohl vertrauen kann, findet man auch dafür ausreichende Beweise und das Vertrauen wächst.
Es hängt also von der eigenen Grundannahme der Teammitglieder ab, ob eher Vertrauen oder Misstrauen in einem Team wachsen wird. Leider kann eine positive Grundannahme niemandem verordnet werden. Sie können jedoch mit gutem Beispiel vorangehen, indem Sie stets das Gute bei Ihren Kollegen oder Kunden erwarten und ihnen damit Ihr Vertrauen schenken. Denn eines ist Vertrauen auf jeden Fall: Es ist ansteckend.
Fazit
Für nachhaltige Teamentwicklung braucht es Menschen, die jeden Tag mit ihrem eigenen Verhalten ein positives Beispiel für gute Zusammenarbeit und Kooperation geben. Ein Teamentwicklungsworkshop ist zwar eine gute Initialintervention, wenn danach im Alltag wieder alles so läuft, wie davor, wird sie jedoch nicht viel bewirken. Um die sechs Maßnahmen des E.R.F.O.L.Gs-Modells für Teamentwicklung umzusetzen brauchen Sie weder Budget noch externe Unterstützung. Alles was Sie brauchen sind Konsequenz und Zuversicht. Wenn Sie beides aufbringen möchten und können wünschen wir Ihnen schon jetzt viel Freude bei der Arbeit in einem zunehmend motivierten und harmonisch kooperierenden Team.
Hinweise
Dies ist ein überarbeiteter Auszug aus unserem Buch: Veronika Kotrba und Ralph Miarka, Agile Teams lösungsfokussiert coachen, dpunkt.verlag, Heidelberg, 2015. Bestellungen sind möglich u.a. unter https://www.amazon.de/gp/product/3864902568/
Bitte besuchen Sie auch unser Training zum „Führen und Coachen von agilen Teams inkl. Lösungsfokussierte Retrospektiven“. Mehr Infos zu den Trainingsinhalten finden Sie auf unserer Webseite unter www.sinnvoll-fuehren.com.
[1] Reinhard Sprenger, Radikal führen, Campus Verlag, Frankfurt/Main, 2012
Diskutieren Sie mit.