Das X und Y in der Teamarbeit
Das Arbeiten in Teams ist heutzutage die bevorzugte Form der Zusammenarbeit in vielen Organisationen. Projektarbeit wird häufig in Teams organisiert. Qualitätszirkel, Task Forces oder Arbeitsgruppen werden gebildet. Gemeinsam sollen Ziele erreicht werden, kreativere Ideen entstehen, leichtere Kommunikation gelebt werden. Bringt jedes Teammitglied seine individuellen Stärken ein, entwickelt sich aus der Kombination der Stärken ein besseres Gesamtergebnis im Vergleich zu den möglichen Einzelergebnissen. Teams arbeiten also besser als Einzelkämpfer. So weit – so theoretisch – so gut. Aber stimmt das auch? Immer und in jedem Team? Was sagen die Theorien X und Y von Douglas Murray McGregor und das sogenannte “Social Loafing” dazu?
Die Theorien X und Y gehen auf die Untersuchungen von Douglas Murray McGregor zurück, Professor für Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1960 veröffentlichte er sein Buch “The Human Side of Enterprise”, in dem er das Verhalten und die Motivation von Mitarbeitern in Unternehmen beschrieb.¹
Das X in der Teamarbeit
Die Theorie X beschreibt die Mitarbeiter einer Organisation als tendenziell faul. Mitarbeiter versuchen Arbeit zu vermeiden. Sie sind nicht aus sich heraus motiviert, sondern müssen prinzipiell extrinsisch, beispielsweise durch Belohnungen, finanzielle Anreize oder auch Sanktionen motiviert werden. Gerade das Arbeiten in Teams stellt sich bei der Theorie X als große Herausforderung dar, denn häufig verschmilzt die Leistung des einzelnen Mitarbeiters in der Leistung der Gruppe. Vielleicht kennen Sie das auch aus Ihren Projekten: nicht jeder Mitarbeiter bringt sein gesamtes Leistungsvermögen in das Team ein. Die Wissenschaft bezeichnet ein solches Verhalten als “Social Loafing”, also als “soziales Faulenzen”.²
Haben Sie vielleicht mal an einem Meeting oder einer Telefonkonferenz teilgenommen, bei der Sie sich “zurückgehalten” haben? Vermutlich. Social Loafing ist nicht ungewöhnlich. Es tritt unbewusst oder bewusst auf. Natürlich wird der einzelne Mitarbeiter seine Leistung in der Gruppe nicht gänzlich in Richtung null Einsatz, null Leistung reduzieren, denn dieses Verhalten fiele früher oder später im Team und auch außerhalb des Teams auf. Die Konsequenz wäre eine individuelle Sanktion. Aber je größer ein Team, desto geringer wird die Leistung des Mitarbeiters, so die Theorie X.
Das X und Y in der Teamarbeit
Das Y in der Teamarbeit
Im Gegensatz zu der Theorie X beschreibt die Theorie Y gänzlich andere, sehr motivierte Mitarbeiter. Sie sind ehrgeizig, geben stets ihr Bestes, wollen Ziele erreichen, übernehmen Verantwortung, freuen sich über erfolgreiche Ergebnisse und ihre eigenen Leistungen. Extrinsische Motivation ist für diese Mitarbeiter weniger wichtig, sie sind aus sich heraus – intrinsisch – aktiv.
Wenn Sie mit solchen Kollegen und Mitarbeitern zusammen arbeiten, können Sie leicht Entscheidungen in der Gruppe treffen, Verantwortung delegieren oder neue Ideen entwickeln und gemeinsam realisieren. Das Engagement des Einzelnen und die Gesamtleistung des Teams steigt.
Der X und Y Selbsttest
Wenn Sie sich und Ihre Motivation im Rahmen einer Teamarbeit oder von Projekten beurteilen müssten, wären Sie eher ein X oder ein Y? Ganz ehrlich. Beantworten Sie diese Frage einfach für sich selbst. Ah, genau, Sie sind ein Y. Vielleicht nicht immer, nicht jeden Tag 10 Stunden, aber ein Y. Okay.
Arbeiten Sie in Teams? Wie beurteilen Sie die Motivation der anderen Teammitglieder? Sind die meisten auch ein Y oder doch eher ein X? Denken Sie einfach kurz darüber nach. Einen kleinen Moment. Ah, genau, es gibt noch das eine oder andere Y, die meisten anderen Teammitglieder sind aber ganz eindeutig X.
Natürlich können Sie diesen Test in der Realität mal in Ihrem Team, mit Ihren Kollegen und Mitarbeitern machen. Im Einzelfall mag es ein anderes Ergebnis geben, in den häufigsten Fällen jedoch, werden die meisten Mitarbeiter sich als Y und die anderen Mitarbeiter als X sehen. Wir sehen uns selbst gerne als sehr motiviert und die Kollegen als eher weniger motiviert.
Die Folgen von X und Y
Was sind die Folgen von X und Y in Bezug auf die allseits hochgelobte Teamarbeit? Wenn Sie als Entscheidungsträger und vielleicht auch als Teammitglied glauben, dass in Ihrem Team viele X-Vertreter aktiv sind, werden Sie vermehrt Freiheiten einschränken, Vorgaben machen, Abläufe bestimmen, Zwischenstände kontrollieren, etc. Dieses “Command and Control” führt vermutlich zu einem verstärkt passivem Verhalten der Mitarbeiter im Team, zu weniger Engagement und einem “Dienst nach Vorschrift”. Die Eigeninitiative des Einzelnen sinkt ebenso wie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Und wie lautet die typische Antwort auf eine solche Situation? Extrinsische Motivation. Und damit befinden Sie sich mit Ihrem Team in einer Zwickmühle. Ihre Einschätzung, dass es überwiegend X-Vertreter in Ihrem Team gibt, führt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Das Arbeitsverhalten Ihrer Mitarbeiter entspricht in der Folge der Theorie X.
Sich selbst erfüllende Prophezeiung bei Theorie X
Zu X und Y kommt das Z
An der Theorie von Douglas Murray McGregor wurde häufig die Kritik geäußert, dass sich die Theorien X und Y gegenseitig ausschließen. In der Realität ist diese Kritik berechtigt, denn vermutlich ist kein Mitarbeiter immer 100 Prozent X oder immer 100 Prozent Y (siehe X und Y Selbsttest). William Ouchi, ein amerikanischer Professor der Betriebswirtschaftslehre an der University of Chigago publizierte 1981 daher die Theorie Z.³ Die Theorie Z kommt zu dem Ergebnis, dass eine starke Beteiligung der Mitarbeiter zu mehr Motivation und damit zu höherer Produktivität führt.
Unabhängig von der reinen X und Y Theorie, gibt es in den meisten Teams Vertreter, die eher Arbeit vermeiden und solche, die sehr engagiert sind und hart arbeiten. Ein X wird versuchen, den Aufwand für eine konkrete Aufgabe so hoch zu schätzen, dass er mit einem einkalkulierten Puffer die Aufgabe tatsächlich entsprechend der Aufwandsschätzung realisiert. Ein Y wird den Aufwand für dieselbe Aufgabe vielleicht zu niedrig schätzen, dann aber soviel Zeit investieren, dass die Aufgabe entsprechend der zeitlichen Vereinbarung fertig gestellt wird. Auch wenn es sicherlich kein Patentrezept gibt, um jeglich denkbare Situation und Kombination von X und Y zu lösen, so erscheint eins doch logisch: Ein Konsens ist sehr wichtig für Teams, für das Zusammenspiel von X und Y und für das Gesamtergebnis der Teamarbeit. Wenn sich Vertreter von X und Y auf einen Konsens verständigen können, ist das die Basis für die bestmögliche Zusammenarbeit im Team. Dabei bedeutet Konsens aber nicht, dass jedes Teammitglied mit jeder Entscheidung glücklich sein muss. Es bedeutet, dass Mitarbeiter keine Einwände gegen eine Entscheidung haben sondern diese dann aktiv mittragen.
Das X und Y Fazit
Natürlich sind Verallgemeinerungen schwierig, und zu jeder Theorie gibt es Ausnahmen und Gegenbeispiele. Mitarbeiter sind als Gesamtheit weder immer faul, noch lassen sie sich immer extrinsisch motivieren. Genauso verhält es sich aber auch bei der Arbeit in Teams. Nicht automatisch ist das Arbeiten in Teams besser als das Arbeiten ohne Teams. Ein autoritärer Führungsstil im Team könnte beispielsweise auf Dauer die intrinsische Motivation von Y-Mitarbeitern zerstören und somit das Gesamtergebnis im Vergleich zu den möglichen Einzelergebnissen deutlich verschlechtern. Und wenn die Sorge vor einer Sanktion entfällt, könnte ein kooperativer, verständnisvoller Führungsstil bei X-Mitarbeitern zur Verstärkung ihres Verhaltens und zur weiteren Reduzierung ihres Arbeitseinsatzes führen.
Für das Arbeiten in Projekten bedeutet dies, dass Sie bei der Zusammenstellung von Teams nicht nur auf die fachliche Qualifikation der einzelnen Mitarbeiter, sondern auch auf die Motivation, auf X und Y achten sollten. Ein reines Team bestehend aus X-Mitarbeitern wollen Sie vermeiden. Ein reines Team bestehend aus Y-Mitarbeitern werden Sie nur schwer zusammenstellen können, denn diese Mitarbeiter sind meist sehr begehrt. Gelingt es Ihnen, ein “gutes Verhältnis” aus X und Y zu realisieren, erhalten Sie sich zumindest die Möglichkeit, dass aus der Kombination der Stärken der einzelnen Teammitglieder ein besseres Gesamtergebnis im Vergleich zu den möglichen Einzelergebnissen entsteht. Und wird darüber hinaus auch die Leistung des einzelnen Mitarbeiters sichtbar, dann macht Teamarbeit Sinn.
Hinweise
[1] “The Human Side of Enterprise”, neu veröffentlicht am 21.12.2005 vom Verlag Mcgraw-Hill Publ.Comp.; ISBN-13: 978-0071462228
[2] “Many hands make light the work: The causes and consequences of social loafing” von Bibb Latané, Kipling D. Williams und Stephen G. Harkins, 1979 erschienen im Journal of Personality and Social Psychology
[3] “Theory Z: How American management can meet the Japanese challenge”, Reprint vom Avon Books Verlag 1993, ISBN-13: 978-0380719440
Sehr nuetzlicher Beitrag zum Thema Team und Leadership