Der unerkannte Rollenkonflikt – Selbsterkenntnis mit dem 3-Welten-Modell
Dass Rollenkonflikte zu Problemen führen können, weiß jeder. Dass diese Konflikte nicht nur mit anderen Menschen auftreten können, sondern auch im Inneren jedes Einzelnen ebenfalls. “Klar.” werden Sie jetzt vielleicht sagen. “Meine Firma hätte gerne viele unbezahlte Überstunden und meine Familie will mich abends pünktlich in Empfang nehmen.” Doch so vertraut wir mit der Thematik sind – es gibt einen Rollenkonflikt, der im Berufsleben sehr häufig auftritt, unserem Bewusstsein aber verborgen bleibt. Wir sind irritiert, wir spüren, dass irgendwas schief läuft, aber es fällt uns schwer, es zu benennen. Das Konzept des „3-Welten-Modells“ von Bernd Schmid lüftet den Schleier.
Vertrautes Terrain: der Rollenkonflikt zwischen Privatperson und Arbeitnehmer
Andreas versteht sich gut mit seiner Chefin Bettina. Sie teilen ihre Liebe zu fernen Ländern und manchmal gehen sie auf ein Bier und unterhalten sich stundenlang über ihre Reisen. Doch als er Bettina darum bittet, seinen Jahresurlaub um vier unbezahlte Wochen zu verlängern, lehnt diese schlichtweg ab: “In diesem Jahr geht da leider gar nichts. Unser Team ist sowieso zu klein.” Andreas ist empört und auch verletzt. Von Bettina hätte er sich doch deutlich mehr Entgegenkommen erwartet.
Wo auch immer jetzt Ihre Sympathien liegen, sicher haben Sie erkannt: Andreas richtet sich mit seinem Wunsch an die befreundete Privatperson Bettina. Doch die fühlt sich in ihrer Berufswelt angesprochen und antwortet als Vorgesetzte beziehungsweise Ergebnisverantwortliche.
Rollenkonflikte oder nicht?
Nun zwei andere Konstellationen, in denen etwas schief geht, man aber zunächst nicht an einen Rollenkonflikt denken würde:
Fall 1: Christa arbeitet im Projekt fleißig mit und erledigt engagiert ihre Aufgabe, ihr umfassendes Wissen aus dem HR-Bereich in die Entwicklung der neuen integrierten Anwenderoberfläche einzubringen. Als das neue System fast fertig ist, wird es in einer Roadshow u. a. auf dem jährlichen HR-Mitarbeitertag präsentiert – und die Resonanz ist mehr als nur verhalten. Die Personaler fühlen sich überrumpelt dadurch, dass sie in Zukunft ganz anders als gewohnt mit ihren Kollegen kommunizieren sollen. Und Christa ist beleidigt, dass man ihr das anlastet.
Fall 2: Daniel arbeitet als Softwareentwickler bei einer IT-Beratung. In seinem aktuellen Kundenprojekt ist er nicht nur für die Programmierung des User Interface zuständig, zum ersten Mal ist er auch Leiter des Beratungsteams und damit Repräsentant seiner Firma. Das Projekt läuft prima. Die künftigen Anwender sind von der Usability begeistert, vor allem, nachdem er in Absprache mit dem Projektleiter des Kunden, Franz, noch drei Wochen länger als geplant daran gearbeitet hat. So fällt Daniel aus allen Wolken, als Franz am Monatsende die vereinbarte Monatsrate nicht freigeben will. Begründung: “Der für Mitte des Monats vereinbarte User Acceptance Test liegt noch nicht vor.”
Selbsterkenntnis mit dem 3-Welten-Modell – damit treffen Sie ins Ziel.
Das 3-Welten-Modell der Persönlichkeit
“Aber ich habe doch … und das ist jetzt der Dank!” Wenn es im Beruf zu solchen Äußerungen kommt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Rollenkonflikt vorliegt. Zum Beispiel der Rollenkonflikt zwischen Privatperson und Mitarbeiter – siehe das Beispiel von Andreas und Bettina. Aber was ist mit den anderen beiden Fällen? Die Rolle Privatperson ist hier – wie unschwer zu erkennen ist – ja nicht involviert.
Der Psychologe Bernd Schmid hat in seinem 3-Welten-Modell eine weitere Kategorie hinzugefügt, indem er die berufliche Rolle unterteilte in die Professionswelt und die Organisationswelt. Danach nimmt der berufstätige Mensch also Rollen in drei Welten ein: Privatwelt, Professionswelt und Organisationswelt. Dabei sind in der Professionswelt die fachlichen Rollen beheimatet, z. B. der Mitarbeiter als Programmierer, Anforderer oder Qualitätsbeauftragter. In die Organisationswelt hingegen gehören unsere hierarchischen Funktionen wie Teamleiter, Botschafter oder eben Vertragspartner.
Sehen wir uns die beiden Beispiele und die dazugehörigen Rollenkonflikte noch mal an: Christa hat in ihrer professionellen Rolle als Mitarbeiterin der Entwicklung gute Arbeit geleistet, aber ihre Rolle aus der Organisationswelt, nämlich „Vertreterin des HR-Bereichs“ nicht erkannt. David wiederum hat die ihm vertraute Rolle als Programmierer bravourös gemeistert, aber in seiner Organisationsrolle als Vertragspartner nicht auf die Einhaltung des juristischen Vertrags geachtet. Anders Franz: Er will, dass ihm weder Controlling noch Revision einen Vorwurf machen können und gleicht vor jeder Zahlungsfreigabe Soll und Ist der Ergebnisse ab – auch wenn das zum Ärger in der Professionswelt führt.
Was hilft uns der erweiterte Blick auf die inneren Rollenkonflikte?
Die Erkenntnisse aus dem 3-Welten-Modell können wir als Appell verstehen, uns unserer unterschiedlichen Rollen bewusst zu werden und diese Erkenntnis zu nutzen.
1. Schritt: Machen Sie sich ihre Rollen klar.
Klären Sie also im Rahmen ihres Selbstmanagements und bei jeder neuen Übernahme von Aufträgen, in welchen Rollen Sie gesehen werden und welche Erwartungen sich daraus ergeben. Fragen Sie bewusst nach den unterschiedlichen Rollen in der Professions- und der Organisationswelt.
2. Schritt: Füllen Sie ihre Rollen aus – oder widersprechen Sie den Erwartungen.
Haben Sie Ihre Aufgabenbeschreibung gelesen? Ist darin neben Ihrer fachlichen Rolle eine Organisationsrolle beschrieben? Dann erledigen Sie diese mit der gleichen Sorgfalt wie ihre professionellen Rollen. Natürlich können Sie sich auch gegen die Zuweisung von Rollen wehren, vor allem, wenn Sie sich plötzlich mit Erwartungen konfrontiert werden nach dem Motte: “Das ist doch eh klar, dass das dazugehört.”
3. Schritt: Kommunizieren Sie auch über die Rollen der anderen.
Auch wenn grundsätzlich jeder selbst verantwortlich dafür ist, seine Rollen auszufüllen – es kann erheblich zum gedeihlichen Miteinander beitragen, wenn Sie nicht nur ihre eigenen Rollen klären und konsequent ausfüllen, sondern auch ihre Mitarbeiter und Partner dabei unterstützen. Denn wenn diese einen Rollenkonflikt nicht entdecken und deshalb ins Fettnäpfchen treten, ist das vielleicht auch für Sie keine erfreuliche Erfahrung. Siehe unsere Fallbeispiele: Wenn die Projektleitung sich nicht auf die entsprechende Passage im Projekthandbuch verlassen, sondern Christa ausdrücklich auf ihre Rolle als Bereichsbotschafterin aufmerksam gemacht hätte, dann hätte der Ärger mit den Personaler vermieden werden können. Franz hätte seinen Auftragnehmer Daniel darauf aufmerksam machen können, dass die Verschiebung von Ergebnissen Konsequenzen bei der Bezahlung hat und sie hätten gemeinsam eine gute Lösung finden können.
Fazit
Gewöhnen Sie es sich an, bei der Auftragsklärung bewusst auf Ihren Rollen in Privatwelt, Professionswelt und Organisationswelt zu achten: Welche Verantwortung wollen Ihnen die anderen in welcher Funktion übertragen? Welche Verantwortung sind Sie bereit zu übernehmen? Sind Konflikte voraussehbar? Wie können Sie diese Konflikte lösen? Viel Erfolg!
Hinweise
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