Die digitale Arbeitswelt und ihre Auswirkung auf die Führung
Mittlerweile ist es in die letzten Ecken vorgedrungen: mit dem Megatrend “Digitalisierung” kommt eine ganz neue Art der Arbeit auf uns zu. Unternehmen müssen sich, ihre ganze Aufstellung und damit verbunden auch ihre Arbeitsmodelle neu erfinden. Führungskräfte von heute fragen sich, wie die Führung in der neuen Arbeitswelt aussieht, welche Veränderungen technische Kommunikationsmittel bringen und wie sich Mitarbeiter inspirieren lassen?
Die Grundlage für Führung
Vom großen Umbruch zu sprechen klingt disruptiv, auch wenn gar nicht klar ist, wie genau das Ergebnis letztendlich aussehen wird. Das liegt auch vor Allem daran, dass es „das eine Ergebnis“ nicht geben wird. Jedes Unternehmen wird eine eigene und individuelle Aufstellung und Arbeitsmodelle ausarbeiten müssen. Gerade an die Führung werden damit neue Anforderungen gestellt. Für Führungskräfte von morgen rückt Führung über Sinn in den Mittelpunkt.
Schon heute erlaubt es die verfügbare Technik den Mitarbeitern, von nahezu jedem Ort der Welt aus zu arbeiten, mit jedem in Kontakt zu treten und jede gewünschte Art der Information zu gewinnen oder zu teilen. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeiten schon und tasten sich damit in die Arbeitswelt 4.0 vor. Unternehmen werden damit immer selbstorganisierter und dynamischer. Vernetzte, global agierende Teams lassen sich jedoch nur schwer mit alten Führungsansätzen leiten. Damit werden die Ansätze, die auf strengen Hierarchien und Kontrolle basieren, zunehmend an Bedeutung verlieren. An ihre Stelle treten Ansätze, deren Grundlagen Sinn der eigenen und der gemeinsamen Arbeit sind.
Das Verständnis des Unternehmenssinns
Die Grundlage dafür, einen solchen Führungsansatz auszuarbeiten, ist ein gemeinsames Verständnis des Unternehmenszweckes. Mit diesem Zweck ist nicht etwa das Erzielen von Gewinnen gemeint, sondern der Nutzen, der sich für den Kunden ergibt. Er beantwortet die Frage danach, warum das Unternehmen überhaupt einmal aufgebaut wurde und noch existiert. Ist der Zweck bekannt, für den ein Unternehmen existiert, können Mitarbeiter ihr Handeln daran ausrichten. Gleichzeitig wird klar, was passiert, wenn der Unternehmenssinn fehlt: Die neuen Modelle drehen sich ins Gegenteil um und führen zu vielen losen Enden, neuem und mittlerweile unerfüllbarem Kontrollwunsch und damit zum Verlust des Vertrauens der Mitarbeiter.
Doch genau da liegt eines der großen Probleme. Der Unternehmenssinn ist oft nicht explizit ausgearbeitet und benannt. Im Regelfall haben Führungskräfte und Mitarbeiter “ein Gefühl” dafür, was der Sinn des Unternehmens sein kann. Das liegt daran, dass Menschen Sachverhalte, die sie emotional berühren, nur schwer in Worte fassen können. So entsteht ein diffuses Bild des Unternehmenssinns, das von Person zu Person unterschiedlich ist. Hier gilt es also für viele Unternehmen, noch einmal an der Grundlage zu arbeiten und so die nächsten Schritte vorzubereiten und zu festigen.
Wenn Mitarbeiter einen Sinn in der Unternehmung erkennen, mit dem sie sich identifizieren können, fällt es ihnen leicht, einen Sinn in der eigenen Arbeit zu finden und ein Wir-Gefühl zu entwickeln. Und genau diese beiden Punkte, die individuelle Betrachtung des einzelnen Mitarbeiters und die Förderung des Wir-Gefühls, sind der Schlüssel zum neuen Führungsansatz.
Studien haben gezeigt, dass allein die Nutzung neuer Arbeitsformen und -mittel den Erfolg nicht garantiert. Im Gegenteil. Der Führung über Sinn hingegen wird eindeutig eine Schlüsselrolle zugesprochen. Die heute erfolgreichen Unternehmen sind all jene, die über den Unternehmenssinn und den Sinn des Einzelnen inspirieren und führen.
Sinn für den Einzelnen und die Gruppe
Den Sinn in der eigenen Arbeit zu sehen, ist begründet im individuellen Empfinden eines Einzelnen, sich als Teil des Ganzen zu sehen, seine Arbeit als wichtigen Schritt in einem großen Prozess zu begreifen. Ist der eigene Beitrag zur Erfüllung des Unternehmenssinns sichtbar, wird sich der Einzelne seiner Wirksamkeit bewusst und erkennt den Sinn seiner Arbeit ausgerichtet am Unternehmenszweck.
Mit der Ausrichtung aller Tätigkeiten auf das gemeinsame Ziel, den Zweck des Unternehmens zu erfüllen, wächst das Wir-Gefühl. Denn Menschen ist es nicht nur wichtig, in ihrer Individualität wahrgenommen und geschätzt zu werden, es ist ihnen ebenso wichtig, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Sehen Mitarbeiter, dass sie mit ihren Kollegen Ziele und Werte teilen, schweißt das zusammen und macht stark.
Was bedeutet Führung in der Arbeitswelt 4.0?
Führung in der neuen Arbeitswelt bedeutet vor allem, zu inspirieren durch Individualisierung und durch Förderung des Wir-Gefühls. Ins Zentrum rücken die gemeinsamen Ziele und ein erstrebenswertes Zukunftsbild. Damit gleicht sie einem Balanceakt, bei dem die Führungskraft nicht über alte Muster wie übermäßige Kontrollen stolpern darf. Sie ist in dieser Form wichtiger als je zuvor.
Individualisierung und gleichzeitig Förderung des Wir-Gefühls.
In der Theorie ist das noch leicht machbar, in der Praxis lauern allerdings eine Menge Fallen. Beispielsweise kann durch die Dezentralisierung das Wir-Gefühl stark angegriffen werden. Denn gerade die informellen Gespräche in den Kaffeeküchen sind ein wichtiger Faktor in der Entwicklung eines Teams, die jedoch in virtuellen Teams völlig außen vor bleiben. Ebenso ist es nicht einfach, Kontrolle zu verringern oder abzugeben. Die Gewinne, die dadurch entstehen, sind nicht gleich sichtbar und nur schwer messbar. Die Verluste dagegen, wenn etwas nicht funktioniert, sind es sehr wohl. Die Fragen, wie sie mit der Dezentralisierung oder Kontrollverschiebungen umgehen sollen, müssen Unternehmen für sich individuell ausarbeiten.
Die Aufgaben einer Führungskraft der neuen Arbeitswelt liegen also darin, ein Führungsklima zu schaffen, dass die Ausrichtung nach einem Sinn überhaupt erst möglich macht. Sie muss mit Vision und Inspiration führen. Sie muss eine Vertrauenskultur aufbauen und lebendig halten können, in der es erlaubt ist, Fehler zu machen und in der es möglich ist, selbstbestimmt ohne große Kontrollen zu arbeiten. Sie muss die Mitarbeiter dazu befähigen, ihre Arbeit am Unternehmenssinn auszurichten, sie also fachlich in die Lage versetzen, dem Ziel selbstständig zu folgen. Und sie fördert die Selbstkompetenz der Mitarbeiter, die damit erkennen, welche Fähigkeiten sie brauchen, um ihre Arbeit am Unternehmenssinn auszurichten und diese Fähigkeiten auch entfalten.
Was Sie tun können
Der erste Schritt zur Führung in der Arbeitswelt 4.0 ist also, das “Warum” Ihres Unternehmens zu definieren und zu kommunizieren. Gehen Sie dabei ruhig vor wie ein Kind, dass aus einer Antwort immer wieder eine neue Frage gewinnt: “Warum?” Simon Sinek beschreibt es in seinem Buch “Start with the why” als den goldenen Kreis. Der sichtbare Teil aller Kommunikation ist oft das “Was”. Was tut ein Unternehmen? Beschäftigt man sich ein wenig mehr mit dem “Was”, stößt man auf das “Wie”. Wie arbeitet ein Unternehmen? Doch das wirklich Inspirierende, das Mitreißende, ist das “Warum”. Warum tut ein Unternehmen, was es tut? Sinek behauptet, dass alle inspirierenden Führungspersönlichkeiten das “Warum” in den Mittelpunkt stellten und damit ihre Mitarbeiter gewannen.
Ich bin davon überzeugt, dass Führung über Sinn ein Umdenken erfordert, sich aber langfristig lohnt und dadurch bezahlt macht. Auch ohne die Studien, die es zu diesem Thema gibt, wurde mir schon nach den ersten Veränderungsprojekten klar, dass die sinnbasierten Führungsansätze zu mehr Mitarbeiterzufriedenheit und einer stärkeren Bindung führten und damit eine höhere Kreativität und Innovationskraft mit sich bringen.
Doch machen Sie sich selbst und Ihr Umfeld nicht verrückt: Der Weg zu sinnbasierter Führung ist nicht einfach und braucht Zeit, kaum ein Unternehmen kann sich von heute auf morgen so grundsätzlich verändern. Daher, und auch aus dem Grund, dass es “die eine Lösung” nicht gibt, ist es wichtig, dass Sie sich auf Ihr Unternehmen konzentrieren, an Erfolgsgeschichten anderer Unternehmen können Sie dabei nur bedingt orientieren.
Hinweise:
Informationen über Stephanie Selmer und über IT-Erfolg mit Herz und Hirn finden Sie unter http://www.focus-teamwork.de/. Hier im Blog hat Sie einen weiteren Beitrag geschrieben: Projektziele und persönliche Ziele.
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