Die Ruhe bleibt – trotz Digitalisierung
Hilfe, die Welt steht am Abgrund! Für die meisten Unternehmen sieht es düster aus, wenn sie nicht schon von einer Pleite bedroht sind, erwarten sie zumindest riesige Verluste! Warum? Weil sie sich noch nicht mit der Digitalisierung auseinandergesetzt haben, diese nicht beherrschen und sie nicht auf den Wandel vorbereitet sind. Welcher Wandel? Da fragen Sie noch?
Wenn Sie sich im Internet auf die Suche nach Digitalisierung machen, Sie sich für die Bedeutung und mögliche Folgen für Unternehmen und deren Geschäftsmodelle interessieren, werden Sie erkennen, dass es ohne Digitalisierung keine Zukunft gibt. Düstere Prognosen werden abgegeben, falls sich Ihr Unternehmen noch nicht im Prozess der Digitalen Transformation befindet. Sie werden Hinweise finden, dass über 70 Prozent kleiner und mittelständiger Unternehmen ihren Digitalisierungsstand als sehr niedrig oder niedrig einschätzen¹, dass Digitalisierung ein riesiger Wachstumsmarkt ist und dass 19 Prozent der KMUs feststellen, ihre Existenz sei durch die Digitalisierung gefährdet. Wow. Und nun? Stecken Sie den Kopf in den Sand oder den Sand in den Kopf? Nur die Ruhe, so schlimm ist es dann doch nicht!
Digitalisierung – ein Begriff, mehrere Bedeutungen
Es existieren zahlreiche Definitionen von Digitalisierung und in der Folge von digitaler Transformation. Dabei hat die moderne Begriffsdeutung nicht mehr viel mit der digitalen Revolution, der allgemeinen Computerisierung oder der Erfassung und Speicherung von analogen Informationen auf einem digitalen Speichermedium zu tun. Die Digitalisierung ist ein Prozess, der viele Trends und Entwicklungen an Unternehmen heranträgt und so die Art und Weise verändert, wie Geschäfte im B2B- und B2C-Bereich abgewickelt werden.² Für die Mittelstandsinitiative „digitalize your business“ ist die Digitalisierung im Grunde ist nichts anderes als internetbasierte Vernetzung.³
So weit, so gut. Veränderungen gehören zu unserem Leben, im privaten wie im beruflichen Umfeld. Ansprüche und Erwartungen von Menschen verändern sich und Unternehmen reagieren darauf oder fördern und beschleunigen diese Veränderungen beispielsweise durch Werbung und Image- und Markenbildung. Autohersteller entwickeln permanent neue Autos, mit unterschiedlichen Motoren und Ausstattungsvarianten. Die Lebensmittelindustrie designed schadstoffresistente Pflanzen und Webportale bieten Flugreisen, private Unterkünfte und Mietwagen vor Ort als integrierte Dienstleistung an. Und wenn Sie dann im Ausland einen Strafzettel wegen Falschparkens erhalten, können Sie diesen binnen fünf Tagen online bezahlen, denn so sparen sich die Behörden viel Aufwand und Sie Geld. So weit, so gut, das Leben ist inzwischen in vielerlei Hinsicht digital.

Über Veränderungen nachzudenken ist bestimmt eine gute Idee
„Wer die Digitalisierung hinbekommen will, sollte sich eine Start-Up-Mentalität aneignen oder sogar eine Dependance im Silicon Valley aufmachen.“4 – so lautet eine typische Empfehlung im Zuge der digitalen Transformation. Die digitale Transformation beschreibt den Weg, den ein Unternehmen gehen muss, um die Anforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu meistern. Doch diese Art von Empfehlung führt hoffentlich nicht dazu, dass Unternehmen in Panik verfallen und sofort ihre gesamte Existenz in Frage stellen. Wenn 19 Prozent der KMUs feststellen, ihre Existenz sei durch die Digitalisierung gefährdet, bedeutet dies gleichzeitig, dass 79 Prozent ihre Existenz nicht gefährdet sehen. Und das ist grundsätzlich der richtige Ansatz.
Digitalisierung – ein praktisches Beispiel
Leihen Sie gerne Filme in einer Videothek aus? Was vor 10 Jahren und auch vor 5 Jahren für viele Menschen noch normal war, hat sich in der Zwischenzeit stark verändert. Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung hat die amerikanische Firma Netflix Inc. Bereits 1997 wurde die Firma als Online-Videothek gegründet. Die Geschäftsidee war einfach: warum sollte man in eine Videothek gehen, sich darüber ärgern, dass die gewünschten Filme bereits verliehen waren, sich zum Bezahlen anstellen, um dann am nächsten Tag wieder in die Videothek gehen zu müssen, nur um den ausgeliehenen Film zurückzubringen? Netflix bot die Möglichkeit, mehrere Filme online zu bestellen, die per Post geliefert wurden und später in einem bereits adressierten und frankierten Umschlag ohne viel Mühe zurück geschickt werden konnten. Damit war Netflix von Beginn an auf einem digitalen Weg, doch das Unternehmen entwickelte sein Geschäftsmodell weiter.
Warum sollte Netflix Filme verschicken und damit seine Kunden zwingen, diese anschließend wieder zurückzuschicken? Durch die steigende Bandbreite der Internetverbindungen in Privathaushalten, die steigenden Speicherkapazitäten in Rechenzentren und die weltweite Erreichbarkeit des Services konnte das Unternehmen beginnen, Filme zu streamen. Das Verschicken von Filmen wurde nach und nach unnötig. Auch das Bezahlmodell änderte sich – anstelle einer Gebühr pro Film wurde eine monatliche Flatrate eingeführt.
In der Zwischenzeit hatten auch andere Anbieter Streaming für sich entdeckt und boten ähnliche Angebote an. Und wie reagierte das kalifornische Unternehmen? Es begann eigene Inhalte, eigene Serien und Filme zu produzieren. Vermutlich haben die beiden Firmengründer Reed Hastings und Marc Randolph 1997 noch nicht daran gedacht, wie ihr Geschäftsmodell 19 Jahre später aussehen würde. Vermutlich dachten sie nicht daran, dass sie zukünftig in Konkurrenz mit den Filmstudios treten würden, deren Filme sie zu Beginn einfach nur online vermieten und postalisch verschicken wollten. Doch Geschäftsmodelle entwicklen sich. Für die meisten Unternehmen ist das normal und gehört auch zum Alltag. Ganz gleich in welcher Branche sie tätig sind, ob sie Autos bauen, Filme verleihen, in der Logistikindustrie oder in der Medizinbranche aktiv sind.
Digitalisierung – das Buzzword
Digitalisierung ist sicherlich ein aktuelles Buzzword. Für manche ist es auch Unwort des Jahres oder eine Art Label, mit dem sich Unternehmen beschäftigen sollten und andere Unternehmen Geld verdienen wollen. Es ist wie bei vielen vergleichbaren Begriffen – Internet der Dinge, Big Data, Machine-to-Machine Communication oder Crowdsourcing – mit dem Schlagwort wird eine besondere Beachtung erzeugt. Und offensichtlich gibt es die Digitalisierung im Sinne einer Technisierung im privaten wie im beruflichen Umfeld und sie wird sich auch weiterentwickeln. Dass ein Buzzword dazu genutzt wird, entsprechende Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist an sich nichts Schlimmes, doch es muss auch nicht direkt zu Aktionismus in Unternehmen führen. Unternehmen sollten sich grundsätzlich mit ihren Geschäftsideen und Geschäftsmodellen beschäftigen, sie sollten Chancen erkennen, Risiken beurteilen und Ziele definieren. Und sie sollten in die Zukunft blicken und sich fragen, wie sich ihr Geschäftsmodell entwickeln und wie es in drei oder fünf Jahren aussehen könnte.
Digitalisierung – ein Fazit
Zur Jahrtausendwende hat vermutlich niemand gedacht, dass sich ein Computerhersteller zum weltweit größten Handyproduzenten entwickeln würde. Wer konnte vorhersehen, dass sich ein Suchmaschinenanbieter anschickt, der größte Konkurrent der gesamten Automobilindustrie zu werden? Und nicht jeder Filmfreund kannte seinerzeit Netflix. Die Digitalisierung vorherzusagen ist wohl nicht möglich, sie wird aber auch in Zukunft weiter zunehmen und zu Veränderungen in der Kommunikation, in Projekten und in Firmen führen. Diese Entwicklungen und Veränderungen gehören zu unserem Leben. So entstehen und verschwinden Geschäftsmodelle. Und mit ihnen Unternehmen. Als Unternehmen ist es wichtig, sich zu hinterfragen, seinen Kunden zuhören, disruptive Ideen des Marktes aufmerksam zu beobachten und möglicherweise neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Und das in aller Ruhe.
Hinweise
Wir freuen uns mit diesem Beitrag an der Blogparade des PM Camp Berlin zum Thema „DIGITALISIERUNG – in Projekten und darüber hinaus …“ teilzunehmen. Das PM Camp Berlin findet vom 29. September bis 01. Oktober 2016 statt. Informationen zum PM Camp finden Sie hier.
[1] & [2] Digitalisierung im Mittelstand, Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/de/Documents/Mittelstand/Digitalisierung-im-Mittelstand.pdf
[3] Mittelstandsinitiative der G+F Verlags- und Beratungs-GmbH, http://digitalize-your-business.de
[4] http://www.cio.de/a/7-punkte-fuer-den-wandel-der-it-abteilung,2959663
Ein sehr schöner Beitrag, der ein bisschen Entspannung und Ruhe in ein gehyptes Thema bringt. Wieso sollten Unternehmen Angst vor der Digitalisierung haben? Es geht doch nur um Chancen, die ergriffen werden können. Die Möglichkeiten verändern sich. Also nutzen wir sie. Auch ohne aufwändige Beratungsprojekte unter dem dramatischen Titel „Digitale Transformation“. Dafür aber schön agil und Step by Step.
Hallo Herr Schmitz,
danke für Ihr nettes Feedback. Ich sehe in Digitalisierung auch Chancen, wobei diese aber nicht für alle Beteiligten gleich sind oder als gleich wahrgenommen werden. Digitalisierung bedeutet häufig auch Veränderung und Veränderung kann, muss aber per se nicht gut sein. Bestimmt eine Frage der Perspektive.
Sonnige Grüße
Michael Schenkel
Super Beitrag! Ich finde es auch etwas gehypt. Was aber den Vorteil hat, dass sich alle (CEOs) nun mit Innovation beschäftigen. Aber halt der Zugang ist oft fraglich.
Hier meine Sichtweise dazu: http://www.inknowaction.com/blog/2016/06/06/digitale-transformation-innovation-was-steckt-wirklich-dahinter/
Hallo Frau Tagwerker-Sturm,
danke schön. Könnte ein Henne-Ei-Problem sein, sprich war es erst eine Geschäftsidee oder erst ein Hype … ;-)
Sonnige Grüße
Michael Schenkel