Drei Erfolgsfaktoren im Umgang mit Ungewissheit und Komplexität
Mit Leichtigkeit durch den Projektalltag
Die meisten Projektmanager, die ich kenne, mögen Methoden: Vom Design Thinking über Scrum bis hin zu Lean Projektmanagement – um nur mal ein paar zu nennen. Methoden geben uns Orientierung und eine Struktur nach der wir vorgehen können.
Ich hatte neulich bei einem Netzwerktreffen eine sehr interessante Diskussion. Es ging um das Thema Einführung von agilen Arbeitsweisen in Projekten, ich spreche hier bewusst nicht von Methoden, weil das nur einen Teil der Agilität ausmacht. Wir diskutierten anhand eines ganz konkreten Beispiels – ein Pilotprojekt bei einem Automobilzulieferer. Dabei wurde sehr deutlich, dass gerade unser Denken und unsere innere Haltung eine große Rolle spielen, wenn wir vom Nutzen eines solchen Ansatzes profitieren wollen.
- Denn wie schaffen wir mehr Flexibilität, wenn die Menschen dann doch nicht souverän und eigenverantwortlich über ihren Zeiteinsatz bestimmen können, weil wir Angst davor haben die Kontrolle zu verlieren?
- Wie schaffen wir es von den Leistungs- und gewinnorientierten Zielen zu wertorientierten Zielen zu kommen, wenn wir in unserem tiefsten Inneren doch weiterhin glauben, dass Schnelligkeit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit die erfolgsentscheidenden Größen sind?
- Wie schaffen wir die vielbeschworene Fehlertoleranz, wenn wir unbewusst doch an unseren hohen Ansprüchen festhalten und frustriert sind, wenn es mal nicht so läuft wie erwartet und wir Angst bekommen, die Anerkennung zu verlieren?
In der Diskussion wurde auch sehr deutlich: Agile Ansätze erfordern mehr Flexibilität. Flexibilität bedeutet aber, dass viele Dinge einfach nicht planbar, steuerbar und kontrollierbar sind. Das löst Ängste, Unsicherheit und Hilflosigkeit aus, weil wir Zusammenhänge, an die wir bisher geglaubt haben, infrage stellen müssen.
Wir brauchen – neben neuen Methoden – auch eine aktive Veränderung unseres Mind Sets, um in der Ungewissheit zuversichtlich zu bleiben und bei auftauchenden Schwierigkeiten nicht sofort wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen und an bekannten, aber mittlerweile nicht mehr passenden Lösungen festzuhalten. Dabei spielen unsere Gefühle und unsere oft unbewussten, Gewohnheiten eine sehr große Rolle.
Meine Kollegin, Sylvie Bueb und ich, wir beschäftigen uns mit diesem Thema schon eine ganze Weile und haben schon viele Workshops, Vorträge und Coachings dazu durchgeführt. Im Folgenden möchte ich Ihnen drei wichtige Erfolgsfaktoren vorstellen, die für jeden Projektmanager extrem nützlich sind, um gelassen, fokussiert und zuversichtlich zu bleiben.
Innere Gelassenheit
Innere Gelassenheit ist deshalb so wichtig, weil wir gerade in diesem Zustand über unsere vollen, mentalen Kapazitäten verfügen. Haben Sie schon einmal versucht in einer sehr angespannten, hektischen Situation eine Entscheidung zu treffen oder kreativ zu sein und zum Beispiel an einem Konzept zu arbeiten? Wenn wir ehrlich sind, funktioniert das nicht wirklich gut. Es ist anstrengend und oft fällt uns auch gar nichts Neues ein.
Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in Stresssituationen – dazu gehören auch Situationen, in denen wir angespannt sind und uns unter Druck fühlen – unsere gesamte Energie auf den Körper verlagert wird, genauer gesagt zum Kämpfen, Flüchen oder tot stellen. Wir schütten Stresshormone wie Kortisol und Adrenalin aus, die uns zwar kurzfristig mobilisieren, uns aber mittel- bis langfristig eher schaden. Das wäre so, als würden Sie mit ihrem Auto ständig Vollgas geben. Was glauben Sie wie lange das gut geht?
Der zweite, für die Arbeit wichtigere Effekt ist: Die Verbindung zu ihrem denkenden Gehirnteil, dem Neokortex funktioniert nur noch eingeschränkt. Denn Sie haben ja nicht unbegrenzt viel Energie zur Verfügung und die wird gerade gebraucht, um die Stresssituation zu bewältigen und ihre Handlungssicherheit wieder herzustellen. Da ist die Denkfunktion eher nebensächlich. Das bedeutet konkret: Nur in einem gelassenen, ausgeglichenen Zustand verfügen Sie über ihre vollen mentalen Kräfte, sind fokussiert und lassen sich nicht ständig von jeder Ablenkung antriggern oder von ihren eigenen oder fremden Erwartungen und Ansprüchen unter Druck setzen.
Mein Tipp dazu: Wenn Sie schnell in einen ruhigen, gelassenen Zustand wechseln möchten, dann achten Sie auf ihre Atmung. Eine tiefe und gleichmäßige Atmung wirkt ausgleichend und beruhigend auf unser autonomes Nervensystem – auch das haben die Wissenschaftler herausgefunden. Konzentrieren Sie sich einfach auf ihre Atmung und bleiben Sie mit ihrer Aufmerksamkeit für zwei bis drei Minuten dabei.
Unsere Kunden sind jedenfalls immer sehr erstaunt darüber, wie effektiv eine so einfache Übung wirkt. Und wie schnell sich die eigene Wahrnehmung vom Problem löst und für neue Handlungsmöglichkeiten öffnet. Allerdings brauchen Sie schon Routine – einmal die Woche irgendwann atmen, wenn man zufällig daran denkt, ändert nichts an Ihrem Mind Set.
Mit Gelassenheit zur vollen mentalen Stärke
Achtsamkeit
Achtsamkeit hätte ich eigentlich gleich an die erste Stelle setzen müssen, denn bevor Sie in einen gelassenen Zustand wechseln können, müssen Sie ja erst einmal bewusst wahrnehmen, dass Sie sich angespannt, gestresst, genervt oder verärgert fühlen.
Unsere aktuelle Arbeitskultur bietet den meisten Menschen allerdings keine geeigneten Bedingungen, um achtsam zu sein. Denn alle um uns herum sind betriebsam und fast immer aktiv. Wie sieht das denn aus, wenn Sie sich jetzt Zeit nehmen würden, mal inne zu halten und in sich hinein zu spüren, wie es Ihnen gerade geht? Wo alle um Sie herum gerade so beschäftigt sind. Es erscheint uns irgendwie absurd, weil wir durch unsere Kindheit, Schule und das Arbeitsleben gelernt haben: Nur wenn wir unsere Leistung bringen, etwas tun und die Erwartungen erfüllen, erhalten wir Anerkennung und kommen voran.
Durch meine Arbeit und meine eigenen Erfahrungen habe ich die Überzeugung gewonnen: Wenn wir langfristig unsere Arbeit mit Elan, Engagement und Freude tun wollen, dann ist es wichtig, dass wir herausfinden, wie die Dinge wirklich funktionieren.
Mein Tipp dazu lautet: Nehmen Sie sich einen Tag in der kommenden Woche und halten Sie an diesem Tag regelmäßig, so alle zwei bis drei Stunden, inne. Spüren Sie in sich hinein: Welche Gedanken gehen Ihnen gerade durch den Kopf? In welcher Stimmung sind Sie? Wie würden Sie das charakterisierende Gefühl bezeichnen, das Sie gerade haben? Wie wirkt sich ihr momentaner Zustand auf ihre Arbeit aus?
Sie werden vielleicht erstaunt sein, was Sie so alles herausfinden. Hier ein paar Beispiele unserer Kunden:
- Ich habe das Gefühl, ich sehe von außen/oben auf meinen Arbeitsplatz und mir wird bewusst, wie hektisch und unkonzentriert ich gerade bin.
- Ich erkenne, wie mich meine eigenen Erwartungen, den Bericht bis zum gesetzten Termin fertigzustellen, unter Druck setzen. Ich bin angespannt und ärgerlich.
- Mir wird bewusst, was ich alles an diesem Tag schon geschafft habe und ich werde automatisch ruhiger und zufriedener.
Achtsamkeit heißt präsent und mit der Aufmerksamkeit in der jeweiligen Situation zu sein – nicht in der Zukunft und auch nicht in der Vergangenheit. Nur in der Gegenwart können Sie wahrnehmen was gerade ist, ihre Möglichkeiten erkennen und sich für eine passende Handlung entscheiden. Wenn Sie nach einem anstrengenden Arbeitstag erschöpft zuhause eintreffen, sind all diese Gelegenheiten vorbei.
Wenn Sie direkt in einer solchen Situation erkennen, dass Sie frustriert, angespannt oder wütend sind, dann machen Sie einfach die beschriebene Atemübung zur Gelassenheit. Oder freuen Sie sich bewusst darüber, dass es Ihnen gerade so gut geht.
Souveränität und Selbstvertrauen
Wie schnell lassen Sie sich von der Meinung anderer aus dem Konzept bringen? Wie oft geraten Sie in unproduktive Grübelschleifen, was Sie hätten anders oder besser machen können?
Grübelschleifen und Zweifel haben früher meinen Projektalltag begleitet: Es werden neue Prozesse oder IT-Systeme eingeführt, man probiert neue Formen der Zusammenarbeit aus und meinem Verstand war klar, dass dies nicht ohne Ausprobieren, Fehler und die draus resultierenden Erkenntnisse funktionieren kann. Dennoch habe ich oft dagesessen und mir im Nachhinein Gedanken gemacht, ob ich es nicht hätte besser planen und vorbereiten können. Oder ob es reibungsloser gelaufen wäre, wenn ich oder andere aufmerksamer gewesen wären und an dieses oder jenes gedacht hätten.
Solche Grübelschleifen gibt es natürlich auch in Vorbereitung auf ein Projekt: Habe ich auch wirklich an alles gedacht? Habe ich alle einbezogen? Mit solchen inneren Dialogen kann man ganze Tage und Nächte verbringen. Und das Schlimme ist, sie sorgen für eine negative, bedrückende Stimmung aus Zweifeln, Sorge, manchmal auch Wut und Ärger und untergraben das eigene Selbstwertgefühl. Sie fressen unsere Zeit und unsere Kraft und für viele ist es schwierig, aus dem einmal gestarteten Teufelskreis auszubrechen. Sylvie und ich haben vor kurzem eine kleine Umfrage gestartet, solche Grübelschleifen stehen auf der Liste der Energiefresser ganz oben.
Damit unser Selbstvertrauen nicht noch mehr erodiert, ist es wichtig aus diesen unproduktiven inneren Dialogen aus Zweifeln, Ansprüchen und Bewertungen auszusteigen. Und zwar sofort, wenn Sie diese bemerken. Dabei helfen Ihnen die beiden Erfolgsfaktoren Achtsamkeit und Gelassenheit bzw. die dort beschriebenen Tipps.
Sie können aber noch einen Schritt weiter gehen und die Energie von positiven, stärkenden Dingen nutzen, in dem Sie einfach ihre Perspektive verändern:
- Richten Sie Ihre Wahrnehmung auf die Dinge, die Ihnen und dem Team gut gelungen sind und die damit verbundenen Gefühle wie Zufriedenheit, Freude und Stolz auch bewusst fühlen und auskosten.
- Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit gezielt auf die Erkenntnisse, die Sie und das Team bei ihren Aktivitäten, Fehlern oder dem Ausprobieren neuer Wege gewonnen haben.
Dabei ist es besonders wichtig, Gefühl und Verstand in Einklang zu bringen. Also nicht nur zu denken: „Wie gut, dass wir den Meilenstein noch rechtzeitig erreicht haben“, sondern das dazugehörige Gefühl aus Freude und Erleichterung auch bewusst zu erleben. Denn nur auf diese Weise wird das Erlebnis in ihrem emotionalen Gehirn gespeichert, Sie schaffen neue neuronale Verbindungen und steigern ihr Selbstvertrauen im Umgang mit ungewissen, nicht vorhersehbaren Situationen.
Mein Tipp dazu lautet: Schreiben Sie sich jede Woche drei Dinge auf, die Ihnen gut gelungen sind bzw. Erkenntnisse, die für Sie besonders wertvoll waren. Wenn Sie das über vier bis sechs Wochen machen, richten Sie ihre Aufmerksamkeit ganz automatisch auf die Dinge, die funktionieren, anstatt auf jene, die nicht klappen. Ihnen wird bewusst, wie sehr Sie aus ihren Fehlern und Erfahrungen lernen und daran wachsen. Sie lassen das alte Leistungsdenken los und werden immer selbstbewusster im Ausprobieren von neuen Verhaltensweisen.
Mein Fazit: Erfolgreiche Projektarbeit braucht eine selbstbewusste innere Haltung
Für Projektmanager ist es sinnvoll nicht nur neue Methoden anzuwenden, sondern auch aktiv an ihrer inneren Haltung zu arbeiten. Das unterstützt Sie insbesondere auch bei der Anwendung agiler Methoden und Ansätze, die ja zurzeit sehr im Aufwind sind.
Wir sollten achtsamer und bewusster mit unseren Gefühlen und Gedanken umgehen, sonst fallen wir immer wieder in unsere unpassenden, unbewussten Verhaltensmuster zurück, das ist anstrengend und kostet Zeit und Nerven.
Mit den drei genannten, inneren Erfolgsfaktoren schaffen Sie sich ein neues, aufbauendes Mind Set. Das braucht Zeit und vor allem Beharrlichkeit ist aber sehr effektiv, da unsere Geisteshaltung all unsere Handlungen beeinflusst. Bei regelmäßiger Anwendung werden sich schnell Erfolge einstellen. Probieren Sie es einfach aus.
Weitere Anregungen, konkrete Übungsanleitungen und Arbeitsblätter zum Ausfüllen finden Sie in unserem Workbook < Unsere 5 besten Gelassenheitstipps für Vielbeschäftigte > Das eBook können Sie sich kostenlos über diesen Link bestellen: https://heart-beats.leadpages.co/5tippsgelassenheit/ (Der Link wurde deaktiviert, da die aufgerufene Seite nicht mehr existiert.)
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