Erfolgreiche Projekte durch personelle Vielfalt – insbesondere durch Frauen und Männer
Der Traumurlaub für die Familie war gebucht: Hotelzimmer mit Meerblick, Flugtickets zu angenehmen Reisezeiten und als Sahnehäubchen einen Cabrio als Mietwagen. Dabei war es nicht einmal schwierig gewesen diese Traumreise zu finden. Eine Kollegin hatte sie empfohlen und das Angebot war noch zur Verfügung. Sie brauchten nur schnell zuzugreifen. Doch dann fing das Gemecker an. Die Kinder wollten lieber zum Camping und ihr Lebenspartner bzw. ihre Lebenspartnerin bekam keinen Urlaub von seinem/ihrem Arbeitgeber genehmigt. Wenn alles früher geplant worden wäre, hätte das mit dem Urlaubsantrag vielleicht noch geklappt, aber die Wünsche der Kinder waren unvereinbar mit den eigenen Vorstellungen. Damit war das Projekt Traumurlaub erstmal gescheitert.
Kunden und Kundinnen verstehen
Auch wenn die eigenen Kinder und die/der LebenspartnerIn keine Kunden im eigentlichen Sinne sind, so wollten Sie ihnen doch Ihren Urlaubstraum verkaufen und die Kinder überzeugen mitzumachen. Die Vorliebe der Kinder für den Campingurlaub kannten Sie ja schon aus dem letzten Jahr, allerdings waren Sie sich sicher, dass das Cabrio die Kinder für den Hotelurlaub begeistern würde. Auch im Geschäftsleben kennen wir die Situation. Wir kennen unsere Kunden schon recht lange und denken uns die besten Produkte/Services aus, aber häufig kommen diese nicht bei den Kunden und Kundinnen an.
Unsere eigenen Wertvorstellungen machen unsere guten Vorsätze für die anderen mitzudenken leider immer wieder zunichte. Das liegt an den sogenannten „impliziten Assoziationen“. Die impliziten Assoziationen beruhen auf unserem gelernten Werteschema und können kaum verändert werden, auch wenn wir uns das fest vornehmen. Wenn wir uns also vornehmen, dem Camping einen höheren Stellenwert zu geben, um uns in die Kinder hineinzuversetzen, dann gelingt uns das nur sehr schlecht. Vor allem bei schnellen Entscheidungen kommen unsere Wertevorstellungen immer zum Tragen. Wie hartnäckig diese impliziten Assoziationen sind, kann jeder/jede auf der Webseite des IAT (Implizit Assoziation Test) selbst ausprobieren.¹
Gender Diversity als Erfolgsfaktor
Genauso wenig wie wir es schaffen, die Wertevorstellungen einer anderen Generation zu erfassen und in Entscheidungen entsprechend einfließen zu lassen, schaffen es Männer die Wünsche von Frauen und umgekehrt Frauen die Wünsche von Männern umzusetzen. In den meisten Unternehmen sind heute noch Führungspositionen und Projektleiterstellen häufig von Männern besetzt. Es gibt wenige Unternehmen, die von weiblichen Unternehmenslenkerinnen geführt werden und die sich hauptsächlich mit weiblichen Führungskräften umgeben haben. In den geschlechtshomogenen Gruppen ist die Vielfalt der beiden verschiedenen Geschlechter nicht vertreten und die Bedürfnisse der Kunden oder Kundinnen können übersehen werden.
Was tun damit die Wünsche der Kunden und Kundinnen verstanden werden können?
Wie oben angedeutet, ist die Schnelligkeit der Entscheidung häufig das Problem. Könnten wir uns nicht einfach mehr Zeit lassen? Dieser Ansatz ist richtig, allerdings kenne ich kaum Managementteams, die nicht auch mal schnell entscheiden müssen.
Könnten die homogenen Führungsteams nicht einfach die Interessen der anderen Gruppe erfragen und dann berücksichtigen? Es sollte doch ganz einfach sein durch Befragungen von Kunden und Kundinnen die Bedürfnisse zuverlässig zu ermitteln. Doch Achtung: die Fragen sollten von einem gemischten Team erstellt und ausgewählt werden. Dann muss sich das homogene Führungsteam nur noch überlegen, wie es die eigenen impliziten Assoziationen bei der Interpretation der Ergebnisse ausschalten kann.
Die beste Strategie gegen eine einseitige Sichtweise vorzugehen, ist möglichst viele Sichtweisen in die Entscheidung mit einzubinden. Homogene Entscheidungsgruppen sollten vermieden werden. Damit die Interessen der jeweils kleineren Gruppe wirklich zum Tragen kommen und die Minderheit sich nicht dem Mehrheitswerten anschließt, sollten mindestens 30% Männer und 30% Frauen in den Entscheidungsteams vertreten sein.
Projektteams, die aus sogenannten mixed Teams bestehen, bieten noch weitere Vorteile, wie z.B. eine bessere Risikoeinschätzung und das Nutzen aller Talente im Unternehmen.
Risiken richtig einschätzen
Männer und Frauen haben ein unterschiedliches Risikoempfinden, was auf ihren jeweiligen Lebenserfahrungen basiert. Männer neigen dazu auch hohe Risiken zu akzeptieren, während Frauen sich in der Regel vorsichtiger verhalten. Es gibt dazu leider keine Untersuchungen, die sich auf die technischen und ökologischen Entscheidungen in Unternehmen beziehen. Allerdings zeigen Studien, z.B. dass Kapitalanlagemöglichkeiten von Frauen wesentlich konservativer ausgesucht werden als von Männern. Auch ist belegt, dass Managerinnen sehr viel mehr fragen und in Frage stellen als ihre männlichen Kollegen. Diese Stärke von gemischten Teams sollte unbedingt genutzt werden, um technische und ökonomische Risiken gezielt einzugehen und beherrschbar zu machen.
Eine wichtige Voraussetzung, damit das Risikomanagement gelingen kann, ist ein offenes und faires Arbeitsklima. Es darf in der Organisation oder im Projekt keine negativen Folgen haben, eigene Fehler zuzugeben oder die Fehler von KollegInnen zu identifizieren. Das Management benötigt dafür ein großes Maß an sozialen Kompetenzen (z. B. Konflikt- und Teamfähigkeiten) und einen integrative Führungsstil. Frauen bringen diese Eigenschaften durch ihre Sozialisation häufig mit. Wenn Frauen nicht in den Führungsteams vertreten sind, ist das durchaus ein Zeichen dafür, dass diesen Kompetenzen nicht genügend Wert beigemessen wird.
Alle Talente richtig nutzen
„Ich gebe zu, dass die Situation schon ein paar Jahre her ist, aber sie zeigt klar, wie blind Männer gegenüber Frauen sind. Wie üblich gingen wir im Managementteam die Telefonliste der Abteilung durch, um eine Senior-Projektleitungsstelle zu besetzen. Wir haben dabei wirklich jeden Namen vorgelesen und die Person daraufhin abgeklopft, ob sie fähig ist und zur Verfügung steht. Nachdem wir alle durchgegangen waren und niemanden Geeigneten gefunden hatten, trat eine betroffene Stille ein, da es sich um ein wichtiges Projekt gehandelt hat. Es musste also jemand gefunden werden. Mir schoss dann der Name einer sehr fähigen Kollegin in den Kopf. Wir hatten sie zwar vorher vorgelesen, aber nicht wirklich diskutiert – einfach übersehen, würde ich heute sagen. Ich warf dann in die Runde: „Wie wäre es mit Manuela (Name geändert)? Die hat doch das letzte Projekt hervorragend durchgebracht.“ Es war, als ob ich den Kollegen die Erleuchtung gebracht hätte. Alle waren begeistert und Manuela wurde zu einer erfolgreichen Senior-Projektleiterin. Ich glaube nicht, dass die Kollegen ohne mich diese Lösung gefunden hätten.“ Sigrid Hauenstein, ehem. Abteilungsleiterin Software-Entwicklung.²
Diese Geschichte zeigt, dass es eine gewisse Blindheit gegenüber den Fähigkeiten von Menschen aus einer anderen Gruppe gibt. In dem dargestellten technischen Unternehmen war nur eine Frau Abteilungsleiterin und nur ihr sind viele Besetzungen von Führungsfunktionen mit Frauen zu verdanken. Es geht dabei nicht darum, den männlichen Führungskräften eine böse Absicht zu unterstellen, dass sie die Frauen nicht gerecht behandeln wollen. Der blinde Fleck entsteht durch die Auswirkungen der impliziten Assoziationen, die eine homogene Gruppe ihre Werte und ihre Vorurteile aufzwingt. Eine Frau wird in unserer Gesellschaft leider immer noch nicht mit Führung und Macht in Verbindung gebracht (trotz bundesdeutscher Kanzlerin). Das Übersehen bei der Auswahl für Führungspositionen ist damit vorprogrammiert. Nur die Anwesenheit von mindestens einer oder besser ca. 30% Frauen kann hier eine gerechte Beurteilung bringen. Das gleiche gilt für die Auswahl von Männern in typischen Frauenberufen. Soziale Fähigkeiten werden Männern immer noch weniger zugetraut als Frauen. Damit sind sie weiblichen Bewerberinnen in sozialen Berufen immer unterlegen und müssen ihre Fähigkeiten erst beweisen und darin viel besser sein als die Frauen.
Fazit
Seit 2008 ist bekannt, dass gemischte Führungsteams erfolgreicher wirtschaften als homogene. Die Studie von McKinsey „Women matter“ und die neuste McKinsey Studie über die Wachstumsmöglichkeiten der Märkte durch gemischte Teams³ zeigt, dass schon wenige Frauen im Vorstand zu höheren Renditen führen, was nicht an der biologischen Tatsache liegt, dass einige der Menschen im Vorstand Frauen sind. Es liegt vielmehr an den sich veränderten Arbeitsweisen in einem offenen Arbeitsklima, die es dem Unternehmen erlauben impliziten Assoziationen zu vermeiden, Vielfalt zu begrüßen und die richtigen Personen an die richtigen Positionen zu bringen.
In meinem Buch „Erfolgsfaktor Gender Diversity“ (Haufe Verlag, 2013) werden noch weitere Vorteile gemischter Teams beschrieben und Sie finden dort viele praktische Hinweise zur Etablierung von erfolgreichen gemischten Teams.
Literaturverzeichnis
[1] „Impliziter Assoziationstest,“ [Online]. Available: https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/. [Zugriff am 13. Oktober 2015].
[2] M. Herpers, „Exkurs: Mindestens eine Frau im Auswahlgremium,“ in Erfolgsfaktor Gender Diversity, München, Haufe, 2013, p. 159.
[3] J. Woetzel, „How advancing women’s equality can add $12 trillion to global growth,“ September 2015. [Online]. Available: http://www.mckinsey.com/insights/growth/how_advancing_womens_equality_can_add_12_trillion_to_global_growth. [Zugriff am 13. Oktober 2015].
Hallo Frau Herpers,
ich sehe da die Vermengung zweier Themen und nur einem kann ich auch zustimmen.
Dass Männer sich nicht in Frauen hineinversetzen können und umgekehrt, halte ich für bedingt tragfähig im Beruf, da die Arbeit an Projekten und mit Kunden sicher nicht daran hapert, dass man es mit dem jeweils anderen Geschlecht zu tun hat.
Ihr Beispiel ist dahingehend auch irreführend, da ja die Kinder und nicht die Frau das Problem bei der Urlaubsplanung waren. Man müsste also eher argumentieren, dass man generell vor Entscheidungen, die relevant für Kunden und Mitarbeiter (oder die Familie) sind, überlegen sollte, ob diese auch zielführend für die anderen sind. Das ist für mich per se kein Problem der Geschlechter(rollen).
Der zweite Punkt ist indes tatsächlich ein Problem in Unternehmen und auch ihr Hinweis ist dahingehend hilfreich. Man umgibt sich gerne mit Gleichen, das geht privat und beruflich wohl den meisten von uns so (und schließt auch andere Kulturen nicht aus).
Und da man davon ausgehen kann (bzw. ich das hoffe), dass die meisten männlichen Chefs eben nicht bewusst gegen Frauen, ausländische (oder ausländisch erscheinende) Mitarbeiter entscheiden, muss man sich dessen bewusst werden und es reflektieren. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern bestenfalls schon während der Formulierung der Ausschreibung.
Hallo Frau Waack,
vielen Dank für ihren ausführlichen Kommentar.
Es werden tatsächlich zwei unterschiedliche Themen angesprochen.
Die Annahme, dass wir uns in anderen einfach hineinversetzen können und so für andere mitdenken können, ist eins davon. Da haben Sie recht, das betrifft alle Menschen in unserer Umgebung, aber eben auch Frauen und Männer. In dem kleinen Einführungsbeispiel hatte der Mann verdrängt, dass die Frau sich nicht ohne Weiteres frei nehmen kann.
Das Gleich-zu-gleich-gesellt-sich- gern betrifft alle Diversity-Dimensionen nicht nur Gender. Wie Vielfalt gesichert werden kann, sollten alle Führungskräfte lernen, damit Offenheit und Kreativität zum Wohle aller entstehen kann. Es gibt da recht einfache Tricks.