Interview mit Clemens Schmidt über Softwareeinführung
Alle Kunden, die sich für den Erwerb und Betrieb einer Software entscheiden, stehen vor der Aufgabe der Softwareeinführung in Ihrer Organisation. Wie gelingt eine Softwareeinführung und worauf ist besonders zu achten? Ein Gespräch über praktische Erfahrungen mit Clemens Schmidt, IT Entwickler, Administrator, Coach, Projektmanager und freier Berater, und Michael Schenkel von microTOOL.
Michael Schenkel: Herr Schmidt, Sie haben schon sehr häufig Software in Unternehmen eingeführt, administriert und auch Firmen entsprechend beraten. Wo liegen die Ursachen für das Scheitern einer Softwareeinführung und worauf müssen die Verantwortlichen achten, dass eine Softwareeinführung gelingt?
Clemens Schmidt: Über das was eine Software mitbringen muss, an Usability, passenden Strukturen, Möglichkeiten, Qualität, usw. brauchen wir hier wahrscheinlich nicht zu reden. Gerne würde ich Ihnen 2 Sätze aus meinem Erfahrungsschatz ans Herz legen:
Die Schwachstelle jedes Software-gestützten Systems sind die Anwender, deshalb sollte man ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen. Und die, die den größten Nutzen aus einem Software-gestützten System ziehen sollen – und ich sage hier bewusst SOLLEN – sind wiederum die Anwender und gerade deshalb sollte man ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen!
Michael Schenkel: Was sagen Sie denn zu dem Zwang, Kosten zu reduzieren?
Clemens Schmidt: Wenn dies die erste Information über eine neue Softwarelösung oder deren Einführung ist, die beim Anwender ankommt, hat das Projekt bereits vor Beginn einen sehr schweren Stand und wird mit ziemlicher Sicherheit zumindest die Plankosten überschreiten!
Michael Schenkel: Warum?
Clemens Schmidt: Wenn die Ziele nichts direkt greifbar Positives für die späteren Anwender mitbringen, entsteht bei ihnen sehr leicht, teilweise auch im Unterbewusstsein, eine Abwehrhaltung, eine schlechte Grundstimmung und Misstrauen gegenüber dem Vorhaben. Ein solches Umfeld wird die Einführung behindern, und damit unnötige Kosten erzeugen. Solche “unnötigen Kosten” die vor allem auch nicht einfach planbar oder absehbar sind, gilt es zu vermeiden! Hier liegt das größte Sparpotenzial bei einer Softwareeinführung!
Wenn man anfängt, aus Kostengründen wichtige Teile wie Erweiterungen, Anpassungen, Begeisterungsfaktoren, Evaluationen, Schulungen oder Workshops wegzulassen oder zu kürzen, legt man das Gesparte meist hinterher doppelt und dreifach wieder drauf, damit es überhaupt irgendwie läuft.
Michael Schenkel: Als Toolhersteller empfehlen wir nie, bei der Softwareeinführung zu sparen …
Clemens Schmidt: Das macht ja auch keinen Sinn, denn durch vermeintliche Sparmaßnahmen können sich sogar Fehler in den Bereichen Inhalt und Struktur einschleichen, deren Beseitigung zu einem späteren Zeitpunkt erhebliche Mehrkosten verursachen. Davon kann ich nur dringend abraten!
Ein von mir sehr geschätzter Handwerksmeister und erfolgreicher Unternehmer, mit dem ich zusammenarbeiten durfte, pflegte solche kurzsichtigen Sparvorhaben immer mit dem Satz: “Ja, ja, g’schpaart wird, egal was es kostet!” zu kommentieren.
Michael Schenkel: Offensichtlich stammt Ihr Handwerksmeister nicht aus Hamburg.
Clemens Schmidt: Nein, nicht direkt (lacht).
Clemens Schmidt – technisches Know-how und die Kunst es an der richtigen Stelle einzusetzen!
Michael Schenkel: Worauf kommt es also bei einer Softwareeinführung an, Projektmarketing?
Clemens Schmidt: Ehrliches, authentisches, transparentes, maßgeschneidertes, geschicktes Vorgehen in alle Richtungen, auch im Projektmarketing, ist für mich eine der “Grundfesten” einer Softwareeinführung. Das kann den Projektleiter der Softwareeinführung jede Menge Kraft und Überwindung kosten – zahlt sich aber auf lange Sicht aus.
Michael Schenkel: Haben Sie ein Beispiel für ein gutes Marketing?
Clemens Schmidt: Sehen wir uns mal nur die Ziele einer Softwareeinführung, die vom Management forciert wird, an. Wie und wann erfahren die Anwender am Besten von diesen Zielen, oder einer neuen Lösung? Dass eine Lösung gesucht wird, sollten die Anwender sofort, so bald die ersten Maßnahmen stattfinden, erfahren. Und auch wer sich darum kümmert, und bis wann die nächste Information zu dem Projekt kommt, und die Ziele des Vorhabens.
Mit solcher Transparenz wird der “Gerüchteküche” und unnötigen Bedenken jeglicher Wind aus den Segeln genommen. Hierbei ist es enorm wichtig mit den Zielformulierungen die Akzeptanzebene und das Interesse der Anwender zu treffen!
Um dies zu verdeutlichen unterteile ich einfach mal ein paar mögliche Ziele und Argumente in 3 Gruppen:
- Ziele, Argumente, die bei einem späteren Anwender gut ankommen
Besserer Informationsfluss für alle beteiligten (weniger suchen, weniger nachfragen, mehr wissen)
Einfache, schnelle Bedienung
Das System soll uns z.B. bei unserem Wachstum unterstützen oder helfen besser zu kalkulieren
Wir brauchen ein verlässliches, übersichtliches gut strukturiertes System für alle
Die Lösung muss uns Möglichkeiten bieten Abläufe einfacher zu gestalten
Durch bessere Information soll uns die SW helfen Fehler bei der täglichen Arbeit zu minimieren, Stress zu vermeiden
- Ziele, Argumente, die bei einem späteren Anwender nicht gut ankommen – also das bekannte Management-blabla, dass Anwender weder greifen, noch positiv auf ihr Arbeitsumfeld projizieren können
Wir wollen sparen
Wir wollen rationeller arbeiten
Wir brauchen bessere Transparenz und Kontrolle
Irgendwas externes (z.B. die Norm, der Markt,…) schreibt uns das vor
Wir wollen konkurrenzfähig bleiben
- Und Ziele, Argumente, die einen späteren Anwender nicht interessieren – die sollten im Umfeld nur auf Nachfrage genannt werden
Einsatz neuerer leistungsfähiger Technologien
Niedriger Administrationsaufwand
Portierbarkeit der Daten
Was sich das Management davon erwartet (Zahlen, Einsparungen,….. )
Michael Schenkel: Also in anderen Worten …
Clemens Schmidt: Wenn man genau hinsieht, werden die zweiten Ziele, die nicht direkt beim Anwender ankommen, wahrscheinlich durch die Erfüllung der erst genannten Ziele erreicht. Werden sie jedoch als erstes genannt, entsteht ganz schnell der Eindruck, dass die Ziele der Anwender nicht im Vordergrund stehen und damit auch nicht wirklich verfolgt werden.
Michael Schenkel: Der wichtigste Faktor ist also der Mitarbeiter, denn ohne seine Akzeptanz wird die Softwareeinführung nicht gelingen?
Clemens Schmidt: Stimmt genau. Die Auswahl der besten Software alleine reicht nicht aus. Die ernsthafte Integration der Anwender ist genauso wichtig.
Michael Schenkel: Haben Sie noch ein paar praktische Tipps?
Clements Schmidt: Ja. Je nachdem, wie umfangreich eine Softwarelösung ist und wie komplex die Anwenderszenarien sind, können durch die modulare oder etappenweise Einführung Kosten reduzieren werden. “Stolpersteine” tauchen so im Rahmen von Teilprojekten auf und verzögern nicht das gesamte Projekt. Zudem lassen sich so früher Ergebnisse präsentieren und der Projektleiter einer Softwareeinführung muss weniger Energie für seine Rechtfertigung investieren (lacht).
Auch bei der Einführung von Software tendiere ich übrigens immer mehr zu agilen Methoden. Anforderungen zu erfüllen ist das Handwerk, Begeisterung zu erzeugen die Kunst!
Michael Schenkel: Danke für das Gespräch.
Clemens Schmidt: Sehr gerne.
Hinweise
Weitere Informationen zu Clemens Schmidt finden Sie unter http://tec-arts.de/.
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Hallo Herr Schenkel,
Hallo Herr Schmidt,
ein interessantes Interview. Ich stimme der Kernaussage zu. Die Anwender müssen (nicht sollten oder sollen) bei jeder Softwareeinführung im Mittelpunkt stehen. Denn genau die müssen dann mit der Software arbeiten. Deshalb muss im Vorfeld mit den Anwendern geklärt werden, was benötigt wird, um diesen die Arbeit zu erleichtern. Letztendlich ist der Sinn und Zweck jeder Software, dass sie gebraucht wird, um bestimmte Arbeiten schneller und einfacher zu erledigen und dadurch Geld zu sparen. Wenn die Anwender einen Vorteil für sich sehen, weil sie mit einbezogen werden und wissen, was nach der Softwareeinführung besser ist, sind sie auch motivierter. An Schulungen darf auf keinen Fall gespart werden. Wie bereits erwähnt, wer an der falschen Stelle spart, zahlt hinterher drauf.
Ich muss immer den Kopf schütteln, wenn in manchen Firmen die Chefs, die am wenigsten am Computer sitzen, die schnellsten und teuersten Rechner haben. Während sich die Mitarbeiter mit langsamen Rechnern begnügen müssen, die nicht die vollen benötigten Funktionen bieten.
Genauso ist es auch bei einer Softwareeinführung, wenn ein Chef, der die Software später nicht verwendet, ohne die Anwender entscheidet.
Freundliche Grüße
Claudia Dieterle
Hallo Frau Dieterle,
Vielen Dank für Ihre Antwort, es freut mich sehr, dass Sie mir in dem Punkt, über die Wichtigkeit und Position der Anwender bei einer Softwareeinführung so vehement zustimmen! Ja, die Anwender MÜSSEN Mittelpunkt stehen!
Auf Ihre Geschichte mit den Rechnern würde ich gern tiefer einsteigen: Ich finde, das ist ein tolles Beispiel zum Thema “passende Tools” bzw. “wie viel darf ein gutes Tool kosten?”.
Ist das Werkzeug sinnlos teuer, wie in Ihrem Beispiel die schnellen und teuren Rechner mancher Chefs, kann man den “finanziellen Schaden” ganz leicht erkennen, in dem wir uns den unnötigen Mehrpreis bei der Anschaffung der Geräte anschauen: gehen wir mal davon aus, das neue Laptop für den Chef ist 1000€ teurer als es aufgrund der technischen Anforderungen sein müsste. Wenn das Laptop 3 Jahre in der Firma genutzt wird, wären das pro Tag nicht einmal 1€ vor Steuern für den Chef, damit ihm sein Werkzeug gefällt. Ich persönlich gönne das jedem Chef! ;-)
Kann das Werkzeug hingegen nicht das Optimum für die zu erledigenden Aufgaben leisten, wird es aber schnell viel teurer. Angenommen wir nehmen die Zeit als Größenordnung und rechnen anders herum: verliert ein Mitarbeiter aufgrund eines langsamen Rechners 10 Minuten pro Tag, wären das bei 200 Arbeitstagen im Jahr 33 h, in 3 Jahren also knapp 100 h. (Bei Schichtbetrieb wäre es übrigens leicht die 3-fache Summe.)
An die Chefs: Wie viele Ihrer Laptops könnte man dafür bekommen und ins Netzwerk integrieren?
Bei einer Software mit der z.B. 200 Mitarbeiter arbeiten und die Laufzeit meist mehr als 3 Jahre beträgt, kommen schon bei dieser einfachen Rechnung mit 10 Minuten pro Tag ganz schnell viele tausend Euro zusammen, die man bspw. zur Verfügung hätte, um die Software weiter an die Bedürfnisse anzupassen.
– Da meldet sich gleich wieder mein Handwerksmeister, (der nicht aus Hamburg kommt) mit seinem Lieblingsspruch:
“Je früher man solches Potential erkennt und geeignete Maßnahmen trifft, desto mehr werden sich diese Maßnahmen auszahlen!”
Egal um welche Position es geht, wenn die Werkzeuge nicht zu den Aufgaben passen, wird immer Potential, Motivation und bares Geld verschenkt.
Am meisten dann, wenn Werkzeuge nicht das leisten können, was vom Mitarbeiter benötigt wird.
Zum Schluß noch ein weiteres Zitat meines Handwerksmeisters, diesmal muss ich allerdings übersetzen:
“Mit an Glomb kosch ned schaffa!” – Mit unzureichendem Werkzeug werden Sie keine guten Ergebnisse erzielen!
Hoffe diesen Beitrag lesen viele Chefs, und statten daraufhin ihre Mitarbeiter mit passenden Werkzeugen aus. Und ich hoffe diesen Beitrag lesen viele Mitarbeiter und gönnen daraufhin ihren Chefs die tollsten Laptops, die sich die Chefs nur vorstellen können! ;-)
Viele Grüße
Clemens Schmidt