Kommunikationsfallen in Projekten und wie sie sich vermeiden lassen
Die Vielfalt der Kommunikation, der damit verbundene Informationsaustausch und entstehende Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sind Eigenschaften, die Menschen von anderen Lebenwesen unterscheiden. Sie sind tragende Säulen unserer Wirtschaft und den Gemeinschaften, in denen wir leben. Dass es dabei zu Herausforderungen kommt, ist keine wirklich neue Erkenntnis und bereits Inhalt vieler Untersuchungen und Sachbücher – ganze Heerscharen von Trainern, Beratern und Coaches nutzen die Thematik als Arbeitsgrundlage.
Gerne möchte ich Ihnen ein Kommunikationsmodell vorstellen, dass auch im Projekt- und Anforderungsmanagement gute Dienste leistet. Es stellt mögliche Kommunikationsfallen als Ursache von Missverständnissen in der Kommunikation dar und zeigt gleichzeitig Wege auf, wie diese Missverständnisse durch mehr Klarheit vermieden werden können. Es handelt sich um das Meta-Modell der Sprache, wie es als Teil des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) Wahrnehmungsfilter beschreibt, die einerseits Sprache als Kommunikationsmittel erst ermöglichen, andererseits aber auch oft unerkannte Quellen von Missverständnissen sind, die dann in den Konflikten enden, die wir alle aus der täglichen Arbeit in Projekten kennen.
Basis dieses Kommunikationsmodells sind die Wahrnehmungsfilter Tilgung, Generalisierung und Verzerrung, die bei allen Menschen ständig aktiv sind. Sie beeinflussen die Bilder der Realität, die bei uns im Kopf entstehen und die wir durch Kommunikation anderen Menschen übermitteln – damit sie mit uns in Projekten zusammenarbeiten, uns ihre Anforderungen schildern und wir durch unsere Leistungen Nutzen für sie schaffen können.
In diesem Artikel möchte ich mich auf den Wahrnehmungsfilter der Generalisierung konzentrieren (am Ende des Artikels finden Sie zwei Verweise auf die anderen Wahrnehmungsfilter). Die Generalisierung ist aktiv, wenn wir von greifbaren Dingen wie Tisch, Stuhl oder Baum reden, aber auch wenn es um abstrakte Dinge wie Projekt und Anforderung geht. So wie jeder Mensch vermutlich ein anderes Bild eines Baumes im Kopf hat, gilt das auch für den Projektbegriff. Für ihn gibt es zwar einigermaßen anerkannte Definitionen, trotzdem kennen Sie alle die unterschiedlichen Ausprägungen und das unterschiedliche Detailverständnis, wenn bspw. die Automobilindustrie, die Telekommunikationsbranche oder die Kreativwirtschaft betrachtet wird.
Bei den Generalisierungen können wir unterschiedliche Ausprägungen unterscheiden, die beim Einsatz von Sprache auftreten können. Einerseits sind dies offensichtliche Begriffe wie „alle“, „jeder“, „immer“ oder „keiner“, „niemand“, „nie“ (sogenannte Universalquantifikatoren) und andererseits die etwas subtileren Verallgemeinerungen wie „die Kunden“, „die Anwender“, „die Stakeholder“, „die Projekte“ in Form des generalisierten Referenzindex. Ein fehlender Referenzindex kommt zum Ausdruck bei „andere“, „jemand“, „etwas“, „man“, „Leute“.
Generalisierungen können auch implizit auftreten, wenn von wenigen Fällen in Form von Stichproben auf eine Allgemeinheit geschlossen wird. Besonders groß ist die Gefahr bei Kundenbefragungen oder Schlussfolgerungen von eigenen Wünschen und Anforderungen auf die von anderen und der Allgemeinheit. Man spricht hier dann auch von schwarzen Schwänen, die bis zur ersten Sichtung auch für unmöglich gehalten wurden.
Eine Lösung aus diesem Kommunikationsdilemma kann es nur in der Form geben, dass Generalisierungen erstens bewusst wahrgenommen und dann zweitens auch immer wieder hinterfragt werden.
Ein paar beliebte Generalisierungen mit Hinterfragungen aus der Projektwelt sind in den folgenden Formulierungen enthalten:
- “Alle Projekte brauchen ein Projekt-Handbuch.”
Universalquantifikator: „Wirklich alle?”
Generalisierter Referenzindex: „Das gleiche Projekt-Handbuch, mit vergleichbarem Inhalt und Umfang?“ - „Bei uns gehen wir in Projekten immer so vor.”
Generalisierter Referenzindex: „In allen Projekten?”
Fehlender Referenzindex: „Wo ist ‚bei uns’ bzw. wer ist ‚wir’, in der Abteilung, im Bereich, in der ganzen Firma?”
Universalquantifikator: „Immer?” - „Herr XY gerät immer mit allen anderen in Streit.”
Fehlender Referenzindex: „Wer sind die anderen?”
Universalquantifikator: „Sind es wirklich alle?”, „Immer?”
Beim Umgang mit Generalisierungen können wir die mündliche und schriftliche Kommunikation mittels Sprache unterscheiden. Bei der mündlichen Form können wir den bewussten Umgang nur durch Übung und der folgenden Routine erreichen. Bei der schriftlichen Form können wir Checklisten zu Hilfe nehmen, die dann aber selbst wieder die Gefahr der vermeintlichen Vollständigkeit als eine Form der Generalisierung beinhalten. Natürlich ist auch das andere Extrem des kontinuierlichen Ausbaus der Checklisten zur Vermeidung jeglicher Generalisierung kein praktikabler Weg. Die Konzentration auf die wichtigsten Vorkommnisse mit Hilfe des Pareto-Prinzips kann eine Abhilfe sein, ebenso wie die Beachtung des gesunden Menschenverstandes – der natürlich selbst auch wieder die Gefahr der Generalisierung enthält.
Mehr Informationen zur den beiden anderen Wahrnehmungsfiltern und ihrem Bezug zum Projektmanagement erhalten Sie unter den beiden folgenden Links
- Tilgung: http://www.geemco.de/artikel/meta-modell-tilgung/
- Verzerrung: http://www.geemco.de/artikel/meta-modell-verzerrung/
In den Generalisierungsbeispielen sind auch Tilgungen und Verzerrungen enthalten. Prüfen Sie anhand der weiterführenden Beschreibungen doch mal nach, ob Sie sie entdecken.
Hallo Götz,
ich dachte schon beim Lesen des Namens, dass Du ein ehemaliger Kollege bist. Beim Foto war´s dann klar und offensichtlich.
Ich habe mit Interesse Deinen Artikel gelesen. Ist das Dein aktuelles Betätigungsfeld ?
Gruss Erich Auer
Hallo Erich,
ja, ich bin’s ;-) Freut mich, von Dir zu lesen und danke für Deine Rückmeldung. Das Thema Projekte, Prozesse, KVP & Co. begleitet mich schon seit unseren Bosch Telecom Zeiten. Zuletzt kam dann noch Six Sigma dazu und mittlerweile berate ich in diesem Umfeld seit fast sechs Jahren. Dass der Mensch letztlich immer der entscheidende Erfolgsfaktor ist, ist mir schon davor klar geworden. Deshalb hab‘ ich noch die Coaching-Ausbildung dazugenommen, auch wenn die Entwicklung anfänglich so nicht absehbar war. „Connecting the dots“ funktioniert halt nur im Rückblick, wie Steve Jobs schon erkannt hatte.
Viele Grüße
Götz