LEGO ist doch kein Spiel!
Von klein an ist Spielen wichtig für unsere Entwicklung: Mit Puppen, Bausteinen und anderen Spielsachen stellen wir Gedanken, Erlebnisse und Beziehungen dar, probieren uns aus. Wer Kids schon mal beim Spielen gestört hat weiß, wie fokussiert sie dabei sein können. Mit viel emotionaler Verbundenheit und Ehrgeiz, mit eigenen Regeln und einem klaren Urteilsvermögen sind sie bei der Sache. Wenn sie spielen, reden sie – selbst wenn sie alleine sind. Spielen fördert logisches Denken und Kommunikation, noch dazu macht es selbstbewusst und fröhlich.
Wäre es also nicht sinnvoll eine Prise davon in unseren Meetingräumen zu streuen, damit es endlich wieder einen Austausch zwischen Kollegen gibt und Treffen insgesamt wieder lebhafter werden? „Spielen ist doch ein reiner Selbstzweck und Zeitvertreib!“ – kommt da schnell als Einwand. Oder: „In unseren Sitzungen geht es um harte Fakten und Entscheidungen. Da haben wir keine Zeit für Spielereien!“ Mein Argument darauf: Wie gut und wirksam sind Ihre Meetings wirklich? Die meisten Besprechungen sind nämlich häufig reine Zeitverschwendung, noch dazu chaotisch und am Ende kommt oft nichts heraus. Patrick M. Lencioni nennt das “Tod durch Meeting“ und kommt zum Ergebnis: Unsere Meetings brauchen eine gesprächsfördernde Kultur, um wirklich brauchbare Ergebnisse zu liefern.
Mit LEGO-Steinen zum besseren Ergebnis
Der ehemalige CEO der LEGO-Gruppe Kjeld K. Kristiansen und die beiden Schweizer IMD-Professoren Johan Roos und Bart Victor haben Ende der 90er Jahre nach einer besseren Möglichkeit gesucht, Geschäftsstrategien zu entwerfen. Dabei begannen sie LEGO-Bausteine und die Imaginationskraft ihrer Mitarbeiter mit unternehmerischen Fragestellungen zu kombinieren – heute LEGO SERIOUS PLAY. Es handelt sich dabei um eine moderierte partizipative Problemlösungsmethode, bei der die Teilnehmer mit Hilfe von LEGO-Modellen Fragen beantworten.
Der Ablauf eines LEGO SERIOUS PLAY Workshops ist schnell erklärt: Der Moderator stellt eine Frage. Die Teilnehmer antworten darauf, indem sie in einer vorgegebenen Zeit ein Modell aus LEGO-Steinen bauen. Anschließend erläutert jede Person der gesamten Gruppe ihr Modell. Gesammelte Informationen werden gemeinsam reflektiert.
Ein LEGO SERIOUS PLAY Moderator achtet darauf, dass die Fragestellungen relevant sind und der Ablauf Frage-Bauen-Erklären-Reflektieren stets eingehalten wird. Zudem definiert er, ob individuelle oder gemeinsame Antwort-Modelle, Verbindungen oder Beziehungen zwischen Modellen gebaut werden.
Mit Nachfragen wie: Hat dieser Stein hier eine Bedeutung? werden LEGO-Modelle gezielt erkundet. Das hilft dabei, dass das Gebaute von anderen nicht falsch interpretiert wird. Und so steht das Antwort-Modell und nicht der Erbauer im Kreuzfeuer – ein wesentlicher Vorteil der LEGO SERIOUS PLAY Methode. Durch den Dialog der Teilnehmer kommen nicht zuletzt oft Details zum Vorschein, die sonst vielleicht unausgesprochen geblieben wären. Dieses aktive Zuhören und Nachfragen wird von den Beteiligten als sehr positiv erlebt und ist oft der Grund dafür, warum viele Teilnehmer auch nach einem solchen Workshop besser miteinander kommunizieren. Durch diesen Austausch wird auch endlich wieder lösungsorientiertes, relevantes Feedback gegeben. Mit diesen Rückmeldungen erschließen sich die Workshop-Teilnehmer völlig neue Handlungsalternativen. Häufig kommt es zu einem Aha-Effekt. So wird neues Wissen geschaffen.
LEGO SERIOUS PLAY – Den Dialog mit einem Antwort-Modell fördern
Bauklötze zum Anfassen statt PowerPoint zum Zurücklehnen
LEGO SERIOUS PLAY Modelle sind dreidimensional und somit besser zu verstehen als beispielsweise eine Präsentation. Eine Wohnung können wir uns schließlich auch besser vorstellen, sie sogar fühlen, wenn wir sie uns anschauen, statt nur den Grundriss zu betrachten. Mit den Modellen, die auf dem Tisch bleiben, werden die Teilnehmer ständig konfrontiert. Nichts fällt unter den Tisch. Die Antworten können so nicht mehr ignoriert werden.
Für den Einsatz von LEGO SERIOUS PLAY braucht es einen couragierten Auftraggeber, der die Antworten auf die gestellten Fragen auch wirklich hören möchte. Stellen sie sich nun folgenden Auftrag vor: Ein an verschiedenen Standorten verteilt arbeitendes Team trifft sich zum Strategie-Meeting. In den letzten Monaten wurden mehr und mehr Erwartungen und auch neue Aufgaben an die Abteilung herangetragen. Es gilt die Erfolgsfaktoren für die zukünftige Arbeit zu bestimmen und die Motivation durch die zukünftige Fokussierung zu erhöhen.
Nach einer Einführung in die LEGO SERIOUS PLAY Methode erstellen die Beteiligten individuelle Modelle als Antwort auf die Frage: „Wer bist Du und welche Deiner Eigenschaften charakterisiert Deine Arbeit am besten?“ Die nächste Frage lautet: „Was zeichnet Euer Team aus?“ Dieses Mal wird gemeinsam ein einziges Modell gebaut, welches die Identität des Teams darstellt. Das kann im Übrigen bis zu einer Stunde dauern. Hier tauschen sich die Teilnehmer über den Status quo, ihre Stärken und das, was das Team zusammenhält aus. Im nächsten Schritt werden Fragen zur Fremdwahrnehmung des Teams gestellt: „Wie werdet ihr von anderen Kollegen wahrgenommen? Welche Einflussfaktoren nehmen auf Eure Arbeit Einfluss.“ Entweder werden komplett neue Modelle gebaut oder bereits bestehende erweitert – abhängig vom Workshop-Konzept. Nach und nach entsteht eine ganze Landschaft mit LEGO-Modellen, sozusagen das sichtbar gewordene Gedankengerüst der Beteiligten. Mit dieser Visualisierung lassen sich dann gefahrlos auch ungewohnte oder unbequeme Szenarien simulieren und optimale Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Im letzten Drittel des Workshops beschäftigen sich die Teilnehmer mit dem angestrebten Team. Also: „Wie wollt Ihr in Zukunft sein? Wie wollt Ihr wirken? Was wollt Ihr anbieten? Und in welcher Beziehung steht das mit dem, was bislang gebaut wurde?
Solche und ähnlich Fragestellungen rund um die Entwicklung von Teams, Strategien, Projekten und Geschäftsmodellen sind möglich. Zwei Anmerkungen dazu:
- Komplexe Zusammenhänge können nicht in zwei bis drei Stunden Schritt-für-Schritt sichtbar gemacht werden. Planen Sie daher ausreichend Zeit ein.
- Schlecht moderiert bleibt der Workshop im besten Fall spielerisch. Achten Sie daher auf einen in der Methode sicheren LEGO SERIOUS PLAY Moderator. Idealerweise sollte dieser auch weitere Methoden und Erfahrungen mitbringen.
Wie für andere Techniken gilt auch für LEGO SERIOUS PLAY: Ist der Workshop schlecht durchgeführt, werden die Teilnehmer diese Methode nicht mehr gerne anwenden. Schlechte Erfahrungen bleiben haften und für LEGO SERIOUS PLAY kann das bedeuten: die Beteiligten werden keinen Baustein mehr außerhalb des Kinderzimmers anfassen. Dann trifft auch folgender Satz des irischen Nobel- und Oscarpreisträger George B. Shaw zu: “Wir hören nicht auf zu spielen, weil wir alt werden, vielmehr werden wir alt, weil wir zu spielen aufhören.”
Kommen Sie auf den Punkt! Kommen Sie auf den Stein!
Fakt ist: Das was die Teilnehmer bauen und erläutern war vor einem LEGO SERIOUS PLAY Workshop auch schon da! Vielleicht verteilt in den Köpfen, vielleicht nur wenig klar besprochen oder nicht in einem Bild vereint.
Wenn Bullet Points, an die Wand geworfene Präsentationen und mit dem Rücken zur Wand stehende Experten nicht mehr weiterhelfen, denken Sie an die Prise LEGO SERIOUS PLAY: Runde für Runde gibt es fokussierte und authentische Antworten. Es kann gefahrlos mit möglichen Handlungsalternativen experimentiert werden und das ist der Nährboden für große und kleine Innovationen.
Nein, die LEGO SERIOUS PLAY Methode eignet sich nicht für alle Fragestellungen und für jedes Meeting. Doch wenn die Stimmen aller Beteiligten gehört werden sollen, um einen Schritt weiter zu kommen oder die Ideen aus den Köpfen aller Teilnehmer sollen, um Neues zu generieren, empfehle ich: „Steine statt Kekse“. Denn dann sorgt LEGO SERIOUS PLAY für mehr Verständnis, Engagement und Kommunikation untereinander.
Wenn Sie Fragen haben oder selbst erst einmal Erfahrungen sammeln wollen, kommen Sie doch einfach zu meinem nächsten LEGO SERIOUS PLAY Meetup in Berlin: http://www.meetup.com/LEGOSERIOUSPLAYMeetup/ oder schauen Sie auf http://www.kilearning.net/ vorbei.
Anmerkung:
LEGO® und SERIOUS PLAY® sind eingetragene Markenzeichen der LEGO® Gruppe.
Ganz sicher kann man mit Lego oder auch ganz normalen Bauklötzchen oder anderen Materialien wunderbar Dinge erproben, spielerisch nachbauen und trotzdem ganz ernsthaft lernen. Andererseits geht es vielen langsam auf die Nerven und ist vielleicht auch nur ein Hype.
Der Blogbeitrag https://age-of-product.com/no-more-lego-at-agile-workshops/ von Stefan Wolpers fasst die Lego-“Unlust” und die auf jeden Fall ernst zunehmende Kritik sehr gut zusammen.
Hallo Maud,
Die Argumente in Stefan’s Artikel „How I Have Been Practicing Processes in Recent Agile Workshops“ kann ich nachvollziehen:
Warum ein Ski-Ressort bauen, wenn es um Herausforderungen in der UX geht? Mit Steinen etwas bauen, nur damit etwas gebaut ist? Das Workshop-Ergebnis? Nur eine intensive Modellbau-Erfahrung.
Ich stimme zu, das hört sich mehr spielerisch als nachhaltig an.
Schlechte Erfahrungen bleiben haften! Und daher, will ich mit meinem Artikel beitragen, dass nicht jedes Verwenden von LEGO-Bausteinen im Workshop als LEGO SERIOUS PLAY angesehen wird.
Hallo Julian,
im Rahmen einer Unterhaltung kam die Frage auf, wie sich gewonnene Ergebnisse konservieren lassen? Gerade wenn es um konkrete Lösungsideen geht, wäre es doch schade, wenn diese nicht “gesichert” werden könnten. Fotos ohne Erläuterung reichen meist nicht – könnte es einen Protokollführer geben? Gibt es eine Art der”nachhaltigen” Zusammenfassung, die natürlich den eigentlichen Prozess des Austausches nicht behindern sollte?
Sonnige Grüße
Michael
Hallo Michael
Ja, das gemeinsame Erschließen und Schaffen von neuen Erkenntnisse im Rahmen des Workshops ist ein Schritt. Weitere müssen folgen, wie z.B. die Entscheidung über konkrete Maßnahmen und deren Umsetzung.
(1) Detaillierte Fotos der Modell und Videos von Erklärungen gemeinsamer Modelle sind eine Möglichkeit. Wenn kein Video gewünscht ist, kann auch ein Protokollführer die Kernaussagen verschriftlichen.
(2) Der Moderator kann auch wichtige Erkenntnisse aus den einzelnen Runden sichern. Gern pragmatisch am Flipchart.
(3) Gelegentlich schließe ich den LSP-Teil des Workshops mit einem Modell zur Frage „Was ist Dein konkreter nächster Schritt?“
(4) Mit dem anschließenden Erarbeiten einer RACI-Matrix,
(5) dem Erstellen von Kurzpräsentationen für eine direkt anschließende Diskussion mit den Führungskräften und
(6) dem Priorisieren der Ergebnisse habe ich auch gute Erfahrungen gemacht.
Dies sind nur einige Möglichkeiten der Dokumentation bzw. dem Weiterarbeiten mit den gefunden Erkenntnisse.
Beste Grüsse,
Julian