Projektmanagement-Software im Vergleich

by | 09.06.2022 | Projektmanagement

Beim Gartner Program & Portfolio Summit im Juni 2019 wurde folgende Prognose hörbar: „Bis zum Jahr 2030 werden 80 Prozent der Arbeit des heutigen Projektmanagements (PM) wegfallen, da Künstliche Intelligenz (KI) traditionelle PM-Funktionen wie Datenerfassung, -verfolgung und -berichterstattung übernimmt.“ […] „Bis 2023 werden entsprechende Angebote an Projektmanagement-Software erhältlich sein und den Markt revolutionieren.“[1] Das hieße, dass wir bereits in einem Jahr viele analytische Projektmanager-Tätigkeiten von unserer PM-Software erledigen lassen könnten. Keine schlechten Aussichten oder? Worauf sollten wir also in Zukunft achten, wenn wir Projektmanagement-Software auswählen? Features, Datensicherheit, Performance und Kosten werden nach wie vor eine große Rolle spielen, aber auch die KI-gestützte Datenanalyse.

Team-Tool oder Governance-Tool oder beides?

Die Bezeichnung Projektmanagement-Software kann natürlich jede Lösung für sich beanspruchen, die bei der Zusammenarbeit in Projekten zum Einsatz kommt. Von einfachen Collaboration-Apps bis zur Enterprise Software für das Management von ganzen Projektportfolios kann alles dabei sein. Innerhalb dieses breiten Spektrums müssen Vergleiche allerdings hinken. Wenn die Software darüber hinaus sogar Governance-Aufgaben unterstützen soll, zum Beispiel Compliance herstellen helfen soll, scheiden simple Taskmanagement-Tools definitiv aus. Googelt man nach Projektmanagement-Software, bekommt man alles angezeigt, was für dieses Keyword Anzeigen schaltet oder diese Kategorie bei der Erstellung von Content nutzt.

Entscheidend ist also Ihr Ziel: Suchen Sie „nur“ eine Lösung für die Zusammenarbeit von Projektbeteiligten oder soll die Lösung darüber hinaus auch projektübergreifend Management-Aufgaben und Entscheidungen unterstützen? Wenn Sie eher eine Management-Lösung benötigen, hilft Ihnen vielleicht auch der Suchbegriff: Projektportfoliomanagement-Software (PPM). Diese Bezeichnung kommt aus dem englischsprachigen Raum und lehnt sich an Definitionen des PMI (Project Management Institute) an. Im Deutschen führt uns die Verkürzung „Portfoliomanagement-Software“ leider oft auf die falsche Fährte, nämlich zu Software für die Verwaltung von Portfolios im Finanzbereich. Um verschiedene Projektmanagement-Systeme besser vergleichen zu können, hat Frederik Ahlemann 2004 für eine Marktstudie[2] folgende Differenzierungen vorgeschlagen:

  • Single Project Management Systems (SPMS), nur jeweils für ein einzelnes Projekt eingesetzt
  • Multi Project Management Systems (MPMS), unterscheidbar nach planungs-orientiertem, prozess-orientiertem, ressourcen-orientiertem, service-orientiertem Einsatz
  • Enterprise Project Management Systems (EPMS), für den unternehmensweiten Einsatz
  • Project Collaboration Platforms, z. B. Kommunikationslösungen

Aber auch diese Kategorisierungen helfen nicht dabei, jede auf dem Markt platzierte Lösung eindeutig zuzuordnen. Und schließlich ist für die Auswahl eines geeigneten PM-Tools ausschlaggebend, welche Anforderungen die gesuchte Lösung erfüllen soll.

Welche Anforderungen haben Sie an eine Projektmanagement-Software?

Oder noch konkreter: Was wollen Sie mit der neuen Software erreichen? Welchen Nutzen soll die Lösung bringen? Definieren Sie also als Ausgangspunkt Ihren Business Case. Stellen Sie dar, was die Lösung an der Ist-Situation verbessern soll. Vielleicht sollen Abläufe automatisiert werden, mehr Transparenz geschaffen werden, Normen eingehalten werden oder auch insgesamt ein höherer Reifegrad erzielt werden.

Wenn Sie ihr übergeordnetes Ziel geklärt haben, können Sie mit dem Anforderungsmanagement loslegen. Wir empfehlen Ihnen hierfür ein strukturiertes Vorgehen, wie wir es im Blogbeitrag IREB: In 6 Schritten zu guten Anforderungen beschrieben haben:

  1. Kontext abgrenzen
  2. Stakeholder analysieren
  3. Ziele ermitteln
  4. Use Cases und Prozesse beschreiben
  5. Anforderungen ermitteln
  6. Anforderungen prüfen und dokumentieren

Dabei müssen Sie berücksichtigen, dass es durchaus unterschiedliche Arten von Anforderungen gibt: Funktionale Anforderungen (z.B. bestimmte Features), technische Anforderungen (z.B. Schnittstellen), organisatorische Anforderungen (z.B. Barrierefreiheit) oder auch allgemeine Kriterien wie z.B. Preis oder Datenschutzkonformität.

Oft ist die Anforderungsanalyse kein linearer, sondern ein iterativer Prozess. Denn nicht alles, was gewünscht wird, ist mehrheitsfähig oder unveränderbar. Deshalb kommt der Abstimmung und Priorisierung der Anforderungen eine große Bedeutung zu. Hilfreich sind Punktesysteme für eine Abstimmung mit vielen Beteiligten. So könnte man folgende Skala nutzen:

0 = nicht notwendig
1 = wünschenswert
2 = notwendig
3 = Ausschlusskriterium

Aus den abgestimmten Anforderungen lässt sich schließlich ein Kriterienkatalog entwickeln, der für Ausschreibungen oder Anfragen bei Softwareherstellern verwendet werden.

In der Cloud oder On-Premise

Cloudbasierte Lösungen werden häufig als Software-as-a-Service (SaaS) bezeichnet. Das bedeutet, dass sich der Softwarehersteller um die Bereitstellung, das Hosting und die Wartung kümmert. Die Benutzer greifen online auf die Anwendung zu. SaaS wird generell im Abo angeboten. Die monatlichen Mietpreise erscheinen auf den ersten Blick deutlich günstiger als die hohen Anfangsinvestitionen von On-Premise Lösungen. Dafür kostet On-Premise Software nur einmal. Zwar fallen auch weiterhin Kosten für Hosting und Wartung an, aber je nach beabsichtigter Nutzungsdauer rechnet sich diese Investition schon nach ein paar Jahren. Wenn man die Daten lieber hinter der eigenen Firewall haben möchte, ist On-Premise sowieso alternativlos. Außerdem kann die Software im Kaufmodell stärker individualisiert werden. Das ist vor allem in Hinblick auf Automatisierungen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz interessant. Wenn man optimale Prozessabläufe auf Grundlage der eigenen Daten berechnen lassen möchte, wird die Sicherheit der zu analysierenden Daten eine große Rolle spielen.

Features von PM-Software

Was gehört alles zum Projektmanagement und wobei kann Software helfen? Ein Projekt beginnt mit der Initiierung, erfordert dann die Planung und Steuerung einzelner Projektabschnitte mithilfe bestimmter Projektmanagementmethoden und wird schließlich abgeschlossen und bilanziert. In allen Phasen ist es hilfreich, im Team auf eine zentrale Datenbank zuzugreifen. Das ist wichtig, seit Teams eher verteilt als an einem Ort arbeiten. Status-Updates, Änderungen und Fortschritte müssen für alle Projektbeteiligten in Echtzeit sichtbar sein. Für folgende Tätigkeiten bieten Projektmanagement-Lösungen Features:

  • Termin- und Zeitplanung (Gantt-Charts, Kalender, To-do-Listen, Meilensteine, Kontrollflüsse, Kritischer Pfad, Roadmaps, Netzplantechnik etc.)
  • Aufgabenmanagement (Task/Kanban-Boards, Backlogs)
  • Kollaboration (Foren, Chats, Whiteboards, Videoconferencing, Rollen/Rechtekonzepte, Kontaktverwaltung, Benachrichtigungsfunktionen)
  • Dokumentenmanagement (Filesharing, Versionierung)
  • Ressourcenmanagement (Mitarbeiterauslastung, Personalplanung, Zeiterfassung)
  • Kostenmanagement/Budgetplanung (Plan/Ist-Vergleiche)
  • Projekt-Controlling (Dashboards mit KPI, Earned Value Analysen, Cumulative Flow Diagramme, Burn-Up/Down Chart, Velocity Chart)
  • Reporting (Import/Export von Office Anwendungen)
  • Prozessmanagement (Standardisierung von PM-Methoden, Projektvorlagen, Workflows, Automatisierung)
  • Anforderungsmanagement (Formulare, Backlogs, Modellierung)
  • Issue-Management
  • Risikomanagement
  • Qualitätsmanagement
  • Wissensmanagement (Wikis, Glossare)
  • Testmanagement

Nicht jeder braucht alles davon. Während für Projekte, die klassisch geplant und gesteuert werden, Funktionen zum Zeit-, Kosten- und Ressourcenmanagement interessant sind, benötigt man für agile Projekte eher Metriken, die den Fortschritt auswerten. Projektmanager, die in regulierten Branchen arbeiten, wollen auditsichere Dokumentationen zum Nachweis von Qualitätsmanagement erzeugen und für Abteilungsleiter oder Geschäftsführer sind Kennzahlen über die Wertschöpfung der Projekte relevant. Es kommt also sehr darauf an, wer alles aus den Daten in der Lösung Schlussfolgerungen ziehen will. Im Idealfall leistet eine Projektmanagement-Software Unterstützung bei einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Aus erfolgreichen Projekten können Vorlagen und Muster erzeugt werden, die bei Folgeprojekten für einen schnellen Start, sichere Abläufe und effiziente Kollaboration sorgen. Eine gute Software hilft wie ein Projektmanagement Office (PMO) beim Etablieren von PM-Standards und beim Erreichen einer höheren Prozessreife.

PM mit KI

Künstliche Intelligenz wird sicherlich in den Projektmanagement-Lösungen der Zukunft eine große Rolle spielen. Gerade Sprachassistenten, Natural Language Processing und Machine Learning werden künftige Lösungen bereichern. Laut einer „Pulse“ Studie des PMI[3] werden diese Technologien die Produktivität des Projektmanagements und die Qualität der Arbeit steigern:

KI-Technologien, die die Produktivität steigern (Einschätzung in Prozent)

  1. Robotik und Prozessautomation (74%)
  2. Reinforcement Learning (bestärkendes Lernen) (64%)
  3. Machine Learning (maschinelles Lernen) (61%)

KI-Technologien zur Steigerung der Qualität (Einschätzung in Prozent)

  1. Anti-Bias-Lösungen (68%)
  2. Expert Systems (Expertensysteme) (61%)
  3. Knowledge-Based Systems (wissensbasierte Systeme) (59%)

Laut dieser Studie hat KI die stärksten Auswirkungen auf die Datenanalyse. 47 Prozent der Projektmanager, die bereits KI-gestützte Tools einsetzen, berichten von Zeitersparnissen. Ein Ergebnis, das direkt auf den Wert von KI bei der Gewinnung von Erkenntnissen aus großen Datenmengen hinweisen könnte. Gleichzeitig wirft dieses Ergebnis die Frage auf, ob sich die Art und Weise, wie Projektmanager Daten analysieren, im Laufe der Zeit ebenfalls ändern wird. Während KI große Datenmengen benötigt, um sich lernend weiterzuentwickeln, sind diese Technologien oft auch darauf ausgelegt, qualitativ hochwertige Daten zu produzieren. Eines ist sicher, die Datenmengen, die in Projekten künftig erzeugt werden, sind nicht rückläufig. Um diese Daten unternehmensspezifisch optimal nutzen zu können, brauchen Sie absolute Hoheit darüber.

Fazit

Das Spektrum an Projektmanagement-Software ist groß. Dadurch lassen sich die unterschiedlichen Lösungen nicht so leicht vergleichen. Entscheidend ist, welchen Wert die Lösung in Ihrem speziellen Fall stiften soll. Nehmen Sie sich also die Zeit für richtiges Anforderungsmanagement. Identifizieren Sie auch Potenziale von Zukunftstechnologien, wie KI. Erkennen Sie schon jetzt, wie wichtig die Zentralisierung, der Schutz und die Analyse der Daten sind, die in Ihren Projekten anfallen, denn Datenanalyse und -nutzung sind laut einer Splunk-Studie von 2020 wichtige Erfolgsfaktoren: „Sie ermöglichen verbesserte Produkt- und Servicequalität (67%), höhere Mitarbeitereffizienz (62%) sowie schnellere Markteinführungen (60%).“[4]

 

Quellen:

[1] https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2019-03-20-gartner-says-80-percent-of-today-s-project-management
[2] Ahlemann, Frederik: Comparative Market Analysis of Project Management Systems, EiS Universität Osnabrück, 2004.
[3] https://www.pmi.org/learning/thought-leadership/pulse/ai-at-work-new-projects-new-thinking
[4] https://www.bigdata-insider.de/was-ist-der-wahre-wert-von-daten-a-913387/