He, Projektmanager! Schon mal über eine Karriere im Vertrieb nachgedacht?
Es soll sie auch für IT-Projektmanager geben, diese Tage. An denen geht man am Abend nach Hause und fragt sich, ob es wirklich wert war, heute zur Arbeit zu kommen: Den ganzen Tag lang mit überfälligen Tasks Leuten nachzulaufen, die sowieso keine Zeit oder keine Lust haben. Dazwischen Reports schreiben, in denen steht, was mittlerweile alle wissen, aber keiner hören will. Stundenlang in Projektmeetings zu sitzen, um nach neuen Lösungen für Probleme zu suchen; weil die Lösungen, die auf der Hand liegen, irgendwem mit doppelt so hohem Gehalt nicht gefallen.
Da kann es schon mal vorkommen, sich einen Jobwechsel zu überlegen. Aber ist es in einer anderen Firma wirklich anders? Wer regelmäßig mit anderen IT-Projektmanagern redet, bestätigt den Verdacht: Es ist fast überall ähnlich. Also doch ein ganz anderer Job? Bloß was?
Hier ist eine Idee: Wie wär es IT-Vertrieb?
Jetzt denken an dieser Stelle vermutlich viele: “Bitte was? Spinnt der?”
Die gleiche Reaktion bekomme ich übrigens auch immer wieder, wenn ich mit Vertriebsleitern im IT-Geschäft rede. Die haben regelmäßig das Problem, Vertriebsmitarbeiter mit passenden Fähigkeiten zu finden. Und wenn ich denen vorschlage, dass sie IT-Projektmanager ansprechen sollen, dann meinen die auch: “Was ist denn das für eine absurde Idee? Die haben ja gar keine Erfahrung im Verkauf.”
Stimmt, haben sie nicht. Aber das ist – im Verhältnis zu den Fähigkeiten, von denen sie jede Menge haben – ein akzeptabler Preis. Und Erfahrung kriegen die Leute von selbst.
Sind Projektmanager die besseren Vertriebler?
Und was sind sie jetzt, die tollen Fähigkeiten der IT-Projektmanager, die im Vertrieb so wichtig sind?
Sie können organisieren – inklusive sich selbst
Selbst hartgesottene Verkäufer der alten Schule, die lange Zeit vor allem spontan und improvisationsbereit zum Kunden gingen, haben eingesehen, dass heute ohne Top-Vorbereitung gar nichts mehr geht. Vor allem große Projekte für anspruchsvolle Kunden müssen erstklassig vorbereitet und ebenso umgesetzt werden.
Sie sind (meist) Teamplayer
Komplexe IT-Projekte stemmt heute kein IT-Verkaufs-Berater alleine. Da sind mehrere Spezialisten gefragt, die koordiniert zusammen arbeiten. Der klassische “Einsamer-Wolf”-Verkäufer zieht heute regelmäßig den Kürzeren.
Sie sind gewohnt, mit allen zu reden
Spezialisten, Manager, Vorstände: Jeder will verstehen, warum gerade dieses Projekt bei gerade diesem Anbieter besonders gut aufgehoben ist. Dazu braucht man Berater, die hier geschickt übersetzen können. Old-school Verkäufer, die bei allen mit derselben Präsentation aufschlagen, enttäuschen mindestens die Hälfte der Beteiligten.
Sie können moderieren und ermöglichen Gruppenentscheidungen
Den richtigen Entscheider finden und diesen bearbeiten – das war lange das Credo im Verkauf. Nicht mehr heute: Entscheidungen – vor allem über größere IT-Investitionen – fallen fast immer im Konsens. Wenn alle anderen Beteiligten sich einig sind, winkt der Oberboss meistens nur noch durch. Schon allein deswegen, weil er sich nicht bei jedem kleinen Problem anhören will, dass er das so entschieden hat und daher selbst dran schuld ist.
Sie sind Generalisten
IT-Projektmanager sind gewohnt, über den Tellerrand zu blicken. Neben den technischen Herausforderungen gibt es wirtschaftliche Rahmenbedingungen und alles passiert im sozialen Kontext. Kunden, die anspruchsvolle IT-Projekte platzieren wollen, brauchen einen Partner, der all das zusammenführen kann – ohne den Spezialisten in den Details drein zu reden.
Sie sind frustrationsgeprüft
Im IT-Verkauf ist es wie im IT-Projekt: Es läuft nicht immer alles wie geplant und manchmal läuft es eben gar nicht. Da braucht man Leute, die den Ärger darüber vor dem Schlafengehen begraben können und am nächsten Tag wieder konstruktiv bei der Sache sind.
Sie sind Projekterfahren
Praktisch alle wichtigen IT-Investitionen starten ein mehr oder weniger anspruchsvolles Umsetzungsprojekt. Und wie gut dieses Projekt läuft, hat mehr Einfluss auf den Erfolg als das implementierte Produkt an sich. Kunden schätzen es daher, bereits in der Verkaufsphase Berater zu haben, die sich mit solchen Projekten auskennen, mögliche Schwierigkeiten vorab managen und auch bei Schwierigkeiten souverän unterstützen können.
Na schön, dann hätten wir vielleicht geklärt, warum IT-Projektleiter einiges mitbringen, womit sie bei potentiellen Kunden gut punkten können.
Nur: warum sollte sich jemand dafür entscheiden?
IT-Verkaufsberater klingt ja auch nicht unbedingt nach einem Friede-Freude-Eierkuchen-Job. Da gibt es einiges:
Anerkennung und Erfolgserlebnisse
Die wenigsten verbinden wohl Verkauf mit Anerkennung. Das liegt daran, dass die meisten vor allem schlechte Verkäufer im Kopf haben, wenn sie an Verkäufer denken. Die guten Verkäufer hingegen werden meist als Berater, Experten, Profis wahrgenommen. Und letztere bekommen eben auch viel Anerkennung und Respekt. Vor allem viel öfter als im meist langwierigen IT-Projektmanagment.
Man hat viel mehr Einfluss auf den Erfolg
Kaum ein anspruchsvoller Job in der IT erlaubt Profis so viel Einfluss auf das Ergebnis wie der beratungsintensive IT-Verkauf. Hingegen sind IT-Projektleiter regelmäßig von zig anderen Personen abhängig, um das Projekt zum Erfolg zu führen. Und viele davon können, dürfen oder wollen nicht immer, wie sie sollen. Wer sich also regelmäßig darüber ärgert, dass egal, wie sehr er oder sie sich auch anstrengt, das Ergebnis praktisch dasselbe bleibt, findet im IT-Verkauf eine Spielwiese mit wesentlich mehr direktem Einfluss.
Gehalt
Ein gutes Gehalt allein macht nicht glücklich, aber zweifelsohne macht es einiges leichter. Wer sich heutzutage in einer attraktiven Umgebung eine Wohnung kaufen will oder eine Pflegekraft für die Eltern braucht, kennt den Unterschied.
Direkt beim Umstieg sollte man nicht mit einem Gehaltssprung rechnen – so schlecht verdienen die meisten IT-Projektmanager nicht. Sobald sie den Bogen raus haben, können kompetente Berater in guten Firmen und hart umkämpften Gebieten wie München oder Frankfurt dank variablen Gehaltsanteilen schon mal mit 6-stelligen Jahresbezügen rechnen. Managementpositionen liegen noch mal höher und selbst die schauen oft neidisch auf die Bezüge und Boni der besten Leute.
Komplexe Aufgaben knacken
Die Zeiten, in denen Verkäufer mit einem Katalog aufmarschiert sind und dem Kunden überlassen haben, was er will und was er mit dem Produkt anfangen soll, sind vorbei. Moderne Verkaufsberater glänzen vor allem dann, dass sie für Kunden Lösungen finden, auf die dieser selbst nie gekommen wäre. Das verlangt nach Ingenieurskunst im besten Stil, gepaart mit Geschäftssinn und sozialer Kompetenz. Wer all das mitbringt, kann sich kreativ austoben und dabei Kunden happy machen.
Gut, klingt vielleicht ja gar nicht schlecht.
Aber ganz ehrlich, so rosig ist es dann doch nicht, oder?
Stimmt. Damit der Job Spaß macht, sollte man einiges schon vorab klären – oder gleich vermeiden:
Mit langweiligen Produkten ist es schwer
Der Chef und die Entwickler mögen anderer Meinung sein – die Kunden finden trotzdem, dass das Produkt nicht so toll ist. Dafür bekommt man von denen auch regelmäßig die Höchststrafe aufgebrummt: den Preiskampf. Da macht Verkaufen wenig Spaß.
Am besten funktioniert es, wenn man sich bei einer Firma bewirbt, die ein Produkt anbietet, das man selbst mag (und vielleicht schon Kunde ist).
Wer selbst überzeugt ist, kann viel leichter andere ebenso begeistern. Hingegen braucht die Welt keinen weiteren Verkäufer, der sein eigenes Produkt nicht kaufen würde.
Ohne Support ist es mühsam
Manche Firmen sind noch im letzten Jahrzehnt stecken geblieben und glauben, dass die besten Verkäufer jene sind, denen man eine Landkarte mit markiertem Vertriebsgebiet in die Hand drückt und dann auf den Umsatz wartet.
Suchen Sie sich stattdessen Unternehmen, bei denen Sie das Gefühl haben, dass Verkauf, Marketing, Technik und Service zusammen spielen und das Management darauf besonders viel Wert legt. Lassen Sie sich das ruhig ausführlich erklären. Wenn das, was Sie da hören, Sie nicht beeindruckt, gilt das vermutlich für die Kunden ebenso.
Gutes Arbeitsumfeld
Fragen Sie den zukünftigen Chef nach der Fluktuation in der Abteilung – also danach, wie häufig Verkäufer ausgetauscht werden (müssen). Die Frage wird nicht jeder so toll finden, vor allem die Firmen, deren Antwort sich nach Verheizen von Verkaufsberatern anhört. Aber dass Sie damit ihrem Interviewpartner auf den Schlips treten, soll Sie nicht weiter stören, denn da wollen Sie ja sowieso nicht hin. Diejenigen mit hoher Mitarbeiter-Loyalität werden hingegen gerne und ausführlich davon erzählen, warum die Berater gerne und lange bleiben.
Effektive Vorarbeit
Eine Frage, die Sie in einem Bewerbungsgespräch auf keinen Fall auslassen sollte: “Woher kommen denn die Leads (die Kundenkontakte, die Sie betreuen sollen)?” Wenn Ihr Gesprächspartner dann mit dem Finger auf Sie zeigt, sollten Sie noch mal genau nachfragen. Denn das hört sich nach Kaltakquise im großen Stil an. Kaltakquise kann in manchen (einzelnen) Fällen durchaus eine gute Strategie sein, ist aber nichts für Sie, wenn Sie neu in den Verkauf kommen.
Außerdem gibt es im modernen Verkauf wesentlich bessere Methoden und gute Unternehmen werden Ihnen erzählen können, woher die Kontakte kommen, die man Ihnen anvertraut.
Reisepensum
Moderne Tools machen einiges leichter, aber gute und vor allem große Deals werden immer noch zwischen Personen abgeschlossen. Das gilt besonders, wenn man internationales Klientel betreut. Wer also Flughäfen und viel Autofahren nicht so super findet, und die Kids jeden Abend persönlich ins Bett bringen will, sollte sich das noch mal überlegen. Oder einen Arbeitgeber suchen, bei dem das auch im IT-Vertrieb möglich ist. Davon gibt es zunehmend mehr.
Also, wenn der Frust das nächste Mal wieder groß genug ist – vielleicht einfach mal auf den Jobseiten jener Firmen stöbern, die Produkte anbieten, die man selbst großartig findet. Vielleicht ist ja ein Verkaufsjob dabei.
Und wie bewerbe ich mich – ohne Berufserfahrung?
Am besten machen Sie das einfach so, wie das ein Vertriebsprofi machen würde:
Suchen Sie sich aktiv eine Firma aus, deren Produkte Sie mögen. Schreiben Sie dann keine Mail an die Personalabteilung, sondern greifen Sie zum Telefon und rufen Sie direkt den Verkaufsleiter oder die Verkaufsleiterin an. Die finden Sie fast immer auf der Webseite.
Fragen Sie, woran er oder sie einen Top Kandidaten erkennen würden und erklären Sie dann, dass Sie das meiste davon schon drauf haben – und noch viel mehr. Erfahrung können Sie sich in kurzer Zeit aneignen werden – es wäre ja nicht das erste Mal, dass Sie sich in ein neues Thema ratzfatz einarbeiten. Dann schlagen Sie noch zwei mögliche Termine in den nächsten Wochen für ein persönliches Kennenlernen vor.
Auf die meisten IT-Verkaufsleiter werden Sie mit so einem aktiven, verkaufsorientiertem Vorgehen ganz sicher Eindruck machen. Und falls nicht – dann warten sie einfach auf die nächste Gelegenheit. So schlecht ist der IT-Projektmanagement-Job, den Sie haben, ja dann auch wieder nicht.
Hinweise:
Alex Rammlmair bloggt regelmäßig auf www.selling4Geeks.com und unterstützt IT-Unternehmen, ihren Vertrieb in den nächsten Level zu bringen. Unter anderem hat der das Buch ‚IT-Verkaufsberatung in der Praxis‘ geschrieben, einen Amazon-Kindle-Nr.1 Bestseller (Kategorie Jobs und Karriere > soft skills, August 2015).
Guten Abend Herr Rammlmaier,
die Idee ist gar nicht schlecht.
IT-Projektmanager:
– kennen die Firma sehr gut,
– arbeiten meist mit allen Abteilungen zusammen,
– kennen viele Mitarbeiter im Hause,
– kennen die Produkte/Dienstleistungen, die verkauft werden,
– kennen die internen Abläufe und Arbeitsweisen.
Ein guter IT-Projektmanager betrachtet immer die technische Seite und die Anwenderseite und versucht, für beide Seiten die beste Lösung zu finden.
Eigentlich ist ein IT-Projektmanager auch ein Verkäufer, denn er muss sein “Programm” verkaufen, damit die Mitarbeiter mitarbeiten und das Projekt erfolgreich abgeschlossen werden kann. Das ist nicht immer einfach. So wie es nicht immer einfach ist, potentielle Kunden zu überzeugen.
Freundliche Grüße
Claudia Dieterle
Fein, dass Ihnen die Idee gefällt, Frau Dieterle
Sie haben Recht: Projektmanager verkaufen sich und Ihr Projekt sowieso ständig.
Falls Sie irgendwann ein Experiment wagen, lassen Sie mich das Resultat wissen.
Beste Grüße aus Wien
Alex Rammlmair
Guten Tag,
erstmal vielen Dank für diesen tollen Artikel, der mich definitiv weiterbringt und neue Impulse freisetzt.
Ich bin noch ein recht junger Projektmanager, der sich genau andersherum entwickelt hat. Nach meiner Ausbildung zum IT Systemkaufmann war ich zunächst in der Kundenberatung und später auch klassisch als Account Manager unterwegs. Aufgrund verschiedenster Faktoren bin ich dann aus dem Vertrieb in die IT- Projektleitung gerutscht, in der ich nun seit ziemlich genau einem Jahr tätig bin.
Obwohl ich anstrebe mittelfristig wieder in die Beratung / Vertrieb zu wechseln, muss ich sagen, dass die Erfahrungen die ich sammeln durfte, außerordentlich wichtig sind. „Dem Vertrieb“ ist oftmals gar nicht klar, wie das Projekt, dass er verkauft hat, nun wirklich umgesetzt wird. Hier müssen seitens des Projektmanagements nicht selten Anpassungen der Auftragsstruktur vorgenommen werden. Der Austausch ist zwar vorhanden, aber die praktische Erfahrung ist eben nicht zu ersetzen.
Jeder Vertriebler sollte mal ein halbes Jahr im Projektmanagement arbeiten und die Erfahrung sammeln. Der Mehrwert für das Unternehmen und den Vertriebler ist immens.
Mit besten Grüßen
Schönen Guten Tag, Herr Filter
Klingt, als bringen Sie das beste aus beiden Welten mit sich. Das ist definitiv ein Vorteil, den Kunden auch zu schätzen wissen.
Gerade in den Abschlussverhandlungen werden vom Kunden oft noch letzte Zugeständnisse eingefordert, die man nicht mehr mit dem Projektteam abklären kann oder will. Da ist der Druck dann oft hoch,so dass der Verkaufsberater einfach zustimmt, weil er/sie nicht abschätzen kann, was das für die Umsetzung wirklich bedeutet. Später baden das dann alle zusammen aus.
Viel Erfolg in Ihrer weitere Karriere, vielleicht laufen wir uns dabei ja mal über den Weg :-)