Optimale Projektteams mit Biber, Bären und Adler
Erfahrene Projektmanager wissen, was es braucht um Projekte zu erfolgreichen Projekten zu machen. Es braucht einen klaren Auftrag. Es braucht Unterstützung und zur rechten Zeit Entscheidungen durch das Management. Und es braucht Ressourcen sowie ein passendes Projektteam. Während sich die meisten dieser Voraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt gut beschreiben und zum Teil auch quantifizieren lassen, fehlt bei der Zusammenstellung eines geeigneten Projektteams diese Klarheit. Auf die Frage, wer unbedingt ins Team muss, werden häufig Experten genannt, schließlich müssen die fachlich-sachlichen Fragestellungen im Projekt ja behandelt werden. So weit, so logisch. Wie aber kommt es dann, dass reine Expertenteams häufig scheitern, insbesondere dann, wenn es im Projekt mal etwas fester ruckelt, wenn der Plan von Grund auf geändert werden muss, oder wenn Streit aufkommt? Mit einem Wort immer dann, wenn das passiert, was in den meisten Projekten passiert?
Wie also sieht ein Projektteam aus, das mit der meist spannenden, immer öfter komplexen und manchmal chaotischen Projektarbeit zurechtkommt? Welche Kompetenzen braucht es? Am Einfachsten lässt sich das mit einer kleinen Fabel illustrieren.
Ein Biber, ein Bär und ein Adler
An einem Gebirgsbach lebt ein Biber. Der Damm, den er gebaut hat, staut das Wasser des Gebirgsbachs auf. So ist der Eingang zu seiner Biberburg unter Wasser, und seine Kinder sind vor den Angriffen des Fuchses geschützt. Eines Tages beginnt der Wasserspiegel im Stausee des Bibers zu sinken. Der Grund ist schnell gefunden. Es fließt viel weniger Wasser als gewohnt. Der Biber sucht nach der Ursache, geht ein Stück bachaufwärts, wird aber innerhalb seines begrenzten Aktionsradius nicht fündig.
Also tut der Biber, was zu tun ist. Er wirft sein gesamtes Biber Know-how in die Waagschale und macht den Damm höher und stärker, er dichtet ihn zusätzlich ab. Und siehe da, es hilft. Der Wasserspiegel stabilisiert sich. Doch schon am nächsten Tag sieht der Biber, dass ein besserer Damm das Problem nicht löst, der Wasserspiegel sinkt langsam und stetig weiter. Eine Nacht noch, nicht länger, dann wird der Fuchs trockenen Fußes den Eingang des Biberbaus erreichen können. Der Biber denkt an seine drei neugeborenen Kinder, nicht mehr als kleine, weiche Fellknäuel, vollkommen wehrlos.
Ein gutes Stück bachaufwärts macht ein Bär auf der Suche nach Honig eine spannende Entdeckung: Der Baum mit einem seiner bevorzugten Bienennester ist umgestürzt. Noch schlimmer, der Baum ist in den Bach gefallen, er leitet den Fluss um. Das Bienennest ist zerstört, hier gibt es nichts mehr zu holen.
Hoch oben zieht ein Adler seine Kreise. Er erkennt auf einen Blick, dass die Not des Bibers und die Sorge des Bären miteinander zu tun haben.
Der Bär ist ein gutmütiger Kerl, der mit allen Tieren gut auskommt. Auf seinem Weg flussabwärts hat er gute Beute gemacht, er hat gut gegessen und trägt noch einen Fisch im Maul, als er beim Stausee des Bibers vorbeikommt. Der Bär setzt sich für eine Rast an den See und überlässt dem Biber die Hälfte seines Fisches. Der Biber erzählt von seiner Not, und der Bär hört ihm aufmerksam zu. Angelockt vom Geruch des Fischs lässt sich auch der Adler nieder. Bereitwillig überlässt ihm der Bär die andere Hälfte des Fisches. Jetzt erzählt der Adler den beiden anderen Tieren von dem Baum, der den Bach absperrt und umleitet. Nun sieht auch der Bär, was der Baum angerichtet hat. Die drei besprechen, was zu tun ist. Der Weg zum Baumstamm ist weit, zu weit für den Biber, der nicht gut zu Fuß ist. Also nimmt der Bär den Biber auf den Arm und trägt ihn bachaufwärts. Als sie angekommen sind, macht sich der Biber sogleich an die Arbeit. Flugs hat der Biber den umgefallenen Baum entzwei genagt. Das Wasser fließt wieder im alten Bachbett. Der Wasserstand im Biber-Stausee steigt, die Familie des Bibers ist gerettet. Das Problem des Bibers ist gelöst.
Biber, Bär oder Adler – auf der Suche nach dem optimalen Projektteam
Biber-Kompetenz, Bären-Kompetenz, Adler-Kompetenz
In der Projektarbeit haben wir es häufig mit großen und weniger großen Problemen zu tun, und kaum eines hat mit umgestürzten Baumstämmen zu tun. Eine Gemeinsamkeit gibt es allerdings zwischen dem geschilderten Problem des Bibers und unseren Problemen in Projekten: Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es meist alle drei Kompetenzfelder braucht für die der Biber, der Adler und der Bär stehen, um ein Problem lösen zu können. Es braucht Fachkompetenz, um das konkrete Problem fachlich angemessen zu lösen, in unserem Beispiel den Biber. Es braucht soziale Kompetenz, um all jene, die zur Lösung des Problems etwas beitragen können, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn an einen Tisch zu bringen, in unserem Beispiel den Bären. Und es braucht Problemlösungs- und Methodenkompetenz, um die richtigen Fragen zu stellen, die Ebenen zu wechseln, und um Richtung zu geben, in unserem Beispiel den Adler. Wenn alle Kompetenzen am Problemlösungsprozess beteiligt werden, dann kommt man schnell zu guten und wirksamen Lösungen. So der Idealzustand.
Fokus auf Fachkompetenz und die Konsequenzen
In vielen Projekten, die ich in den letzten Jahren begleiten durfte, habe ich aber etwas Anderes beobachtet. Der Fokus bei der Zusammenstellung des Teams wird häufig ausschließlich auf die Fachkompetenz gelegt. Da besteht dann das ganze Projektteam aus Experten, die allermeisten davon schwer Biber-lastig. In so aufgestellten Projektteams passiert nach meiner Erfahrung zweierlei recht häufig:
Das eine ist, dass nie ein eingeschworenes Team entsteht. Die Leute arbeiten individuell sehr gut, allerdings entsteht nie so etwas wie ein Team-Spirit, es fehlt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Projektmitarbeiter arbeiten viel, auch viel miteinander, bleiben aber auf persönlicher Ebene auf Distanz; wissen nichts voneinander, das über das berufliche hinausgeht und interessieren sich auch nicht sonderlich dafür. In den Meetings wird von Sekunde eins an über Fachdetails diskutiert. Es gibt keine ehrlich freundliche Begrüßung, keinen kurzen Small Talk. Und das Wichtigste: es gibt keine spürbare, gegenseitige Wertschätzung. Die Stimmung ist eigenartig unpersönlich.
Das sind Projekte, denen die Bären fehlen. Denn Bären sind sozialer Kitt. Solche Projekte kommen dann in Schwierigkeiten, wenn es nicht mehr fachlich-sachlich geradeaus geht, wenn Unvorhergesehenes passiert, wenn Konflikte auftreten. Und nachdem Unvorhergesehenes ein Wesensmerkmal komplexer Projekte ist, kommen solche Projekte immer in Schwierigkeiten. Häufig wird dann die Frage gestellt, wie das passieren konnte. Es waren doch alle Experten mit an Bord.
Das andere, was in solchen Projekten häufig passiert, ist, dass das Projekt abdriftet. Mit Abdriften meine ich, dass sich nach und nach die Richtung des Projekts ändert, ohne dass das aktiv jemand betreibt. Es tauchen neue Anforderungen auf, und mit der Zeit wird immer mehr an diesen Anforderungen gearbeitet. Es tauchen Probleme auf, denn Probleme treten immer auf, und mit der Zeit wird immer mehr an diesen Problemen gearbeitet und nicht mehr ausdrücklich auf das Projektziel hin. Es gehen enorme Ressourcen in die Lösung spezifischer Fragen, die hochspannend sind. Und meist sind das auch Fragen, deren Lösung für die Experten, die daran arbeiten, hochbefriedigend sind. Da kann der Experte mal sein gesamtes Experten Know-how ausspielen und sogar noch erweitern. Wenn man es aber aus einer Gesamtsicht sieht, aus der Projektgesamtsicht, dann fließen zu viele Ressourcen in die Bearbeitung von Details, und in Richtung des Projektziels geht wenig voran.
Solche Projekte fühlen sich im Unterschied zu den Projekten mit den fehlenden Bären sehr gut an. Da wird gearbeitet, es geht vorwärts, auch die Stimmung ist gut. Es gibt spürbar ein eingeschworenes Projektteam. Bei solchen Projekten kommt das dicke Ende zum Schluss, oder aber beim Zwischenbericht an das Management. Das sind dann häufig sehr unerfreuliche und auch mal unfreundliche Meetings, wo dem Projektleiter oder dem ganzen Projektteam ordentlich der Kopf gewaschen wird. Weil ein Projektteam, das einen Projektauftrag bekommt, und dann in eine ganz andere Richtung läuft, das versteht kein Management. Das sind Projekte, denen die Adler fehlen. Adler-Mangel ist das andere Phänomen, das bei komplexen Problemen und großen Projekten häufig auftritt.
Bei erfolgreichen Projekten hingegen kann man einen guten Mix der verschiedenen Persönlichkeitstypen beobachten. Das heißt es sind immer Menschen dabei, die fachlich top sind, um die Fragen und Probleme fachlich bestmöglich zu lösen (Biber). Es sind immer Menschen dabei, die sicherstellen, dass alle Beteiligten gut zusammenarbeiten (Bären), die für Kommunikation und gute Stimmung sorgen, und die aufkeimende Konflikte früh erkennen und sich darum kümmern. Und schließlich sind immer Menschen dabei, die gut darin sind die Ebenen zu wechseln, also ein Problem mal im Detail und mal aus Sicht der Geschäftsführung zu sehen, und die kritisch hinterfragen, die Struktur einfordern und einbringen, und die öfter mal die Frage stellen, ob man denn gerade an den richtigen Themen arbeitet, die dem Projekt Richtung geben (Adler).
Sind Sie ein Biber, ein Bär oder ein Adler?
Ob Sie und die Mitglieder Ihres Projektteams Biber, Bären oder Alder sind, oder auch Adler-Biber und Bären-Adler, das können Sie schnell und einfach mit einem Persönlichkeits- und Kompetenztest ermitteln.
Die Ergebnisse der einzelnen Mitglieder des Projektteams können Sie dann zu einem Team-Ergebnis zusammenfassen. Entscheidend ist, dass Sie in jeder Kompetenzdimension ein oder mehrere Personen mit einer sehr hohen Ausprägung mit an Bord haben.
Wie sieht Ihr persönliches Profil und das Ihres Teams aus? Sind Sie in allen Dimensionen gut aufgestellt? Gibt es weiße Flecken? Wenn diese gravierend sind, dann kann es erforderlich sein ein Teammitglied auszutauschen. Häufig reicht es jedoch schon im Team ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wo das Defizit liegt. Wenn transparent ist, dass Bären-Mangel vorliegt, dann kann sich das Team auch auf Bären-Rituale einigen, um das auszugleichen. Ähnlich verhält es sich mit Adler-Mangel. Sehen Sie sich am besten gleich an, wie Sie aufgestellt sind! Überraschungen sind nicht auszuschließen …
Hinweise:
Weitere Informationen zu Georg Jocham finden Sie unter https://www.georgjocham.com/.
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