Role Model Canvas – Verantwortlichkeiten sauber klären
„Wer ist denn jetzt hierfür verantwortlich?“ „Sollte das nicht Euer Bereich machen?“ Bestimmt kennen Sie auch Situationen, in denen Rollen und deren Aufgaben bzw. Verantwortlichkeiten nicht eindeutig geklärt sind. Aber eine saubere Rollenklärung ist essentiell, sei es beim Projektstart oder bei der Aufgabenverteilung im Team. Denn diese sorgt für Sicherheit bei den Beteiligten und dient der Vermeidung potentieller Konflikte.
RACI & Co.
Natürlich ist dieses Thema nicht neu und deshalb gibt es auch Tools wie dezidierte Stellenbeschreibungen in Prosaform oder Werkzeuge wie die RACI-Matrix. Diese Matrix ist sicherlich gut geeignet, um sich einen Überblick zu verschaffen, aber sie hat auch eine Reihe von Schwächen. Da wäre zunächst einmal das Problem mit der Übersichtlichkeit. Stellen Sie sich vor, sie haben 10 Rollen mit insgesamt mehr als 200 Aufgaben zu beschreiben. Können Sie sich das Gewusel an R, A, C und I vorstellen? Das Tool wird schnell unübersichtlich und verliert dadurch seinen Nutzen.
Das zweite Problem liegt in der Medienwahl begründet. Klassischerweise werden RACI-Matrizen mit Tabellenkalkulationsprogrammen wie Excel angefertigt. Das initiale Befüllen der Matrix übernimmt in der Regel der Projektmanager, der anschließend seine Variante den Rolleninhabern zur Verfügung stellt. Und genau hier beginnt das Problem: In den wenigsten Fällen werden die Rollendefinitionen exakt passend sein. Der Rolleninhaber schickt also seine (verbesserte) Variante zurück. Da dies aber wiederum Auswirkungen auf andere Rollen haben kann, muss wieder angepasst werden. Sie können sich vorstellen, wie dies das Thema Rollenklärung in die Länge zieht und die Motivation der Beteiligten auf eine harte Probe stellt.
Als letzten Punkt möchte ich noch das Thema Granularität anfügen. Häufig sind vier Buchstaben nicht aussagekräftig genug, um eine Rolle ausreichend zu definieren. Das haben auch einige Unternehmen in ihren Projekten bemerkt, jedoch die falschen Schlüsse gezogen. Sie haben das Ganze nämlich noch verschlimmbessert, indem Sie weitere Buchstaben (wie zum Beispiel das S für Support) eingeführt haben. Mit dem Ergebnis, dass die Rollenklärung noch schwieriger war und noch länger dauerte.
Canvas
Um diesem Dilemma entgegenzutreten, habe ich das Role Model Canvas entwickelt. Da Canvas-Modelle dank dem Business Model Canvas von Alex Osterwalder und Yves Pigneur mittlerweile eine breite Verbreitung gefunden haben, möchte ich an dieser Stelle nur noch einmal kurz die wesentlichen Vorteile dieser Methodik aufzeigen.
Canvas Modelle sind visuelle Schemata, die als Werkzeuge in der Gruppe eingesetzt werden, um gemeinsam Inhalte zu entwickeln und zu erarbeiten. Wichtig hierbei ist, dass das Canvas nicht als reines Formular verstanden wird. Nein, das Canvas ist vielmehr eine Projektionsfläche (engl. Leinwand), welches zur gruppendynamischen Erarbeitung von Lösungsansätzen in der Gruppe einlädt. Es ermöglicht und fördert die Kommunikation zwischen den Beteiligten und erlaubt es, mehrere Ideen und Sichtweisen auf grafische Art und Weise in den Köpfen der Beteiligten zu verankern. Dank seiner Grundstruktur versucht dieses Werkzeug aus dem Bereich Graphic Facilitation obendrein, eine ganzheitliche Sichtweise zu gewährleisten und einen Fokus bei den Beteiligten zu setzen/etablieren.
Role Model Canvas
Das Role Model Canvas oder deutsch Rollen-Canvas ist ein Template, welches eine Rolle über 8 Felder definiert.
Im Kopfbereich des Canvas sollten Sie das Projekt und den Namen der zu betrachtenden Rolle definieren.
In der Mitte des Role Model Canvas finden Sie das Feld Ziele & Mission. Hier notieren Sie den Zweck der Rolle. Sollten Sie keine Ziele der Rolle nennen können, sollten Sie sich ernsthaft fragen, ob die Rolle überhaupt benötigt wird.
Apropos notieren: Ich empfehle Ihnen, nicht direkt auf das Canvas zu schreiben, sondern die Inhalte auf Post-Its zu notieren und diese dann aufzukleben. Das hat den Vorteil, dass sie die Notizen auch schnell wieder entfernen bzw. umhängen können. Achten Sie beim Beschriften der Post-Its darauf, keine Romane auf den kleinen Zetteln zu verfassen. Die Faustregel lautet: Maximal 5 Worte pro Klebezettel. Sie können auch gerne Ihre Notizen visuell anfertigen. Das hat den Vorteil, dass ein Bild oder eine Skizze komplexere Inhalte besser transportiert und diese auch leichter in den Köpfen der anderen Betrachter haften bleiben.
Aber zurück zu den restlichen 7 Bausteinen.
Rechts finden Sie die primären Aufgaben. Vermerken Sie hier die primären Tätigkeiten der Rolle. Achten Sie darauf, nicht zu detailliert zu werden. Denn wie der Name des Feldes schon sagt, geht es um die Hauptaufgaben.
Im Feld Verantwortet und Entscheidet notieren Sie, wofür diese Rolle verantwortlich ist und wo und wann sie Entscheidungen treffen muss.
Gleich daneben finden Sie das Feld NEIN. Wie Sie schon richtig vermutet haben, notieren Sie hier, was die Person mit dieser Rolle nicht tut. Das hilft, die zu definierende Rolle klar abzugrenzen.
Zwischen den Feldern Mission und primäre Aufgaben befindet sich das Feld Tools. Beschreiben Sie hier rollenspezifische Kommunikationswege, Kommunikationswerkzeuge und Arbeitsmittel.
Im Feld Unterstützung notieren Sie, von wem die Rolle Unterstützung benötigt, bzw. wen die Rolle aktiv unterstützt.
Im Feld Informationstransfer gehen Sie ähnlich vor: Beschreiben Sie, wen die Rolle wann an ihrem Wissen (zwingend) teilhaben lassen sollte und wie der Informationsaustausch geregelt wird. Notieren Sie aber auch, von wem die Rolle wann Informationen erhält bzw. erhalten sollte.
Bleibt zum Abschluss noch ein Feld: Die Hinweise. Dieses Joker-Feld ist ein Platzhalter, für alles, was nicht in die anderen Kategorien passt.
Anwendung in der Praxis
Planen Sie einen Workshop und hängen Sie pro Rolle ein Canvas-Plakat – am besten in der Größe DIN A0 – im Raum auf. Bilden Sie kleine Gruppen und lassen Sie die Teams die Rollen befüllen.
Führen Sie das Befüllen im Stehen durch und machen Sie klar: Jeder schreibt und klebt. Ein kleiner Tipp noch: Da es in jeder Gruppe Alphatiere gibt, die die Kommunikation übernehmen, verbieten sie für die ersten 5-10 Minuten verbale Kommunikation. Es geht also zunächst darum, möglichst viele Aspekte aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Poster zu bringen. Nach dem stillen Notieren dürfen die Gruppen offen kommunizieren und das Canvas komplett befüllen.
Wichtig: Es gibt keine Reihenfolge für das Ausfüllen. Wo immer ein Aspekt gefunden wird, sollte dieser gleich vermerkt werden.
Nach Abschluss der Gruppenarbeit, bitten Sie die Teams, ihre Ergebnisse vorzustellen. So werden schnell Überschneidungen oder Unklarheiten bei den jeweiligen Rollen sichtbar.
Des Weiteren empfehle ich Ihnen, die erstellten Canvas Modelle nach Abschluss des Workshops z.B. im Projektbüro aufzuhängen. Das ermöglicht eine schnelle Orientierung für neue Teammitglieder oder andere Stakeholder.
Darf es ein wenig mehr sein?
Falls Sie Blut geleckt haben und mehr über Canvas-Modelle und Graphic Facilitation Werkzeuge erfahren möchten, kann ich Ihnen unser neues Buch „Business Visualisierung“ ans Herz legen. Oder schauen Sie doch einmal auf unserer Webseite: http://www.visual-braindump.de vorbei. Hier können Sie sich übrigens auch das Role Model Canvas kostenfrei herunterladen.
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