Schwarze Rhetorik – erkennen Sie die Killerkönige?
Killerphrasen gibt es wie Sand am Meer. Wir alle haben schon welche „geschenkt“ bekommen und selber auch verteilt. Üblicherweise betrachten wir im Business Rhetorik-Training gelungene Methoden, um souverän zu kontern. Heute geht es jedoch um die Absender solcher Mundtotmacher. Manchmal erkennen Sie bereits wie sich Ihr Gegenüber gibt, woher der Wind weht. Alle genannten Typen kommen natürlich sowohl in Rein- als auch Mischkultur vor und zwar sowohl in männlicher als auch weiblicher Form.
1. Der Ignoranzler
Im Lateinischen bedeutet der Begriff „ignorare“ beschränkt bzw. unwissend zu sein. Dem Proletariat anzugehören, war historisch betrachtet zu manchen Phasen sogar erstrebenswert. Heute hat die Bezeichnung „Prolet“ keine positive Konnotation und beschreibt Menschen, die eher bildungsschwach, dafür aber milieuauffällig sind. Grammatik- und Fallfehler pflastern ihren Kommunikationsweg. Im Leben bewegen sie sich wie andere beim Autofahren: entweder sie biegen links oder rechts ab, oder ihr Weg führt sie geradeaus. Was soll dabei schwierig sein? Gerne vertonen sie ihre einfachen Lebensformeln bei jeder Gelegenheit und geizen auch nicht mit kernigen Tipps, wie man wodurch zu seinem Recht kommt. Ihre bodenständige Entscheidungsstärke lässt sie in den Niederungen des Alltags gar nicht dumm dastehen, auch wenn ohne Lupe klar ist, dass die Basis ihrer Überlegungen zu wesentlichen Fragen des Menschseins überschaubar bleibt. In philosophische Grauzonen stoßen sie selten vor. Geparkt wird lieber in geselliger Runde bei lauter Musik. Ignoranzler machen keinen Hehl daraus, dass sie vom Reflektieren nicht so viel halten.
„Sagst Du mir, warum soll ich das mit der Geschäftsleitung absprechen? Die da oben interessiert doch eh nicht, was wir machen? Bist Du so naiv, dass Du das wirklich glaubst?“
2. Der Spalter
Das krasse Gegenteil ist, sprachlich betrachtet, der Spalter. Um Menschen und ihre Meinungen unbemerkt „auseinander dividieren“ (zusammen dividieren geht ohnehin seltener ;-)) zu können, muss man geistig rege und inhaltlich aufmerksam sein. Wie ein Fuchs liegen Spalter auf der Lauer, um im Redefluss des anderen einhaken zu können und gegen den Richtungsstrom der vorgebrachten Argumente zu schwimmen. Diese Oppositionsrhetoriker sind geübte Redner, was sie auch gefährlich macht. Ehe man es sich versieht, wird das Gesprächsklima rauher und der Konsens ist perdu. Spalter geben stets vor, an einem inhaltlichen Kompromiss interessiert zu sein, doch das täuscht. Ihre Kommunikationslinie dient alleine ihrer Eitelkeit. Der von ihnen wie durch unsichtbare Hand geschürte Unfrieden ist beabsichtigt. Für die Harmonizer am Tisch mag Dissens (= Gegenteil von Konsens) ein Tabu darstellen. Spalter fühlen sich erst dort zuhause, wo sprachlich seziert wird und sie verunsichern können. Gerne und häufig arbeiten sie deshalb mit Killerfragen, die auf das Gewissen zielen.
„Da musst Du jetzt schon präzise in Deinen Ausführungen bleiben. Du bist Dir also sicher, dass Du um jeden Preis dieses neue Kundensegment erreichen willst?“
Killerphrasen – sich dagegen zu wehren ist nicht leicht …
3. Der Dampfplauderer
Im Vergleich zum Spalter sind dies keine Klartexter, sondern wilde Schwadroneure. Ihre Stimme ist meistens wohlklingend, aber viel zu laut. Schachtelsätze, Nebenanekdoten und Storytelling-Elemente bieten ein üppiges Buffet an sprachlichem Reichtum und inhaltlicher Leere. Manchmal finden sich unter den Dampfplauderern sogar charmante Schmeichler, die jedoch jedes Kompliment zur Strapaze für die Nerven werden lassen, weil sie peinlich lange huldigen. In Gesellschaft kann es sogar image-schädigend wirken, von einem Dampfplauderer süßelnd, tortengeil und voller Sprachzucker anmoderiert zu werden. Ein klares „ja“ oder „nein“ gibt es selten. Alles „hängt davon ab“ und „kann man so einfach nicht sagen“. Der Dampfplauderer ist ein Relativist. Ohne Mut zur öffentlichen Positionierung ist er ein geborener Opportunist, der in die „eine Hand wäscht die andere“-Mentalität der Freunderlwirtschaft gut passt. Gerne behält er sich ein Eisen im Feuer und die berühmte Hintertüre offen, während er lauthals über ungelegte Eier tönt. Die Gesprächsanteile und -themen reißt er gerne an sich. Seine Alleinunterhalter-Attitüde wird für andere zum Gesprächskiller.
„Was Sie sagen stimmt und erinnert mich an mein letztes Projektteam, das auf drei Länder aufgeteilt war. Ich kann Ihnen sagen bla, bla …“
4. Die G’schnappige
Ohne optische Klischees zu bemühen, ist die G’schnappige tatsächlich schmallippig, nicht nur in der Gesprächsatmosphäre. Die Stimmen dieser Frauen sind sehr häufig viel zu hoch bei der schnippischen, täglichen Verwendung. Es geht ihr offenbar darum, professionelle Zickigkeit zur Schau zu stellen, die besagt: „mit mir ist nicht gut Kirschenessen, ich nehme es im Leben peinlich genau“. Dahinter liegt neben Unsicherheit auch häufig eine sehr einfache Herkunft, von der sich Madame durch alleiniges Ärmelhochkrempeln hochgearbeitet hat. Manche haben sich wahlweise gescheit studiert, woraus sie auch keinen Hehl machen. Understatement passiert ihr eher, meistens ist sie es, die völlig distanzlose Fragen stellt und dem Gegenüber pseudo-taff auf den Zahn fühlt. Mit Humor kann – besonders ein Mann – die G´schnappige manchmal aus ihrer Inquisitorinnen-Rolle holen. Andernfalls muss sie jedem Kellner noch irgendeine Extrawurst abringen, um sich zu inszenieren. Fast jede Gelegenheit ist recht, um sich kapriziert zu geben – obgleich niemanden am Tisch das Gefühl befällt, die G’schnappige wäre „etwas Besseres“, schon allein ihrer Sprache wegen. Eher hält man sie für „etwas Gespannteres“, was sich an den dauer-angespeisten Mundbewegungen deutlich ablesen lässt. Ihr permanenter Beschwerde-Modus kann nerven, ebenso, wie ihr körperliches Gezappel und das gezischelte Schnelltexten. Da nützen auch die Prada-Schuhe, falls vorhanden, und die grundsätzlich ansprechende Figur nichts. Die G’schnappige hat Sympathiefaktoren, die gleich neben dem Humor im Keller geparkt sind. Vorsicht vor ihren Killerfragen! Die haben es in sich. Stimmt man der G’schnappigen zu, verwendet sie Ihr Zitat ungeniert dort, wo sie es braucht. Enthalten Sie sich jedoch der Aussage, dann empfindet sie das als illoyal. Oft häkelt sie Fanghaken in ihre scheinbar harmlosen Motzereien:
„Na, finden Sie das hier ein klasses Ambiente? Ich meine, wir zahlen 3.000 Euro für den Abend. Da kann sich meine Firma schon etwas anderes erwarten. Na, sagen Sie finden Sie das denn nicht?“
5. Der Verharmloser
Dieser Typ ist Marke: ordentlich, brav und farblos. Das Einzige, was ihn nicht zum viel glamouröseren Spalter werden ließ, ist seine Langeweile. Ein braver Techno- oder Bürokrat, der stets sein eigenes Süppchen kocht und sich gerne mit dem Nimbus umgibt, privat anders und vielschichtiger zu sein. Nachdem man das im Geschäftsleben nicht kontrollieren kann, kommt er damit durch. Seine Sprache ist leblos und bildleer, eines hat er jedoch kultiviert: Er widerspricht gerne, um dann zu verharmlosen: „Na, so arg hab´ ich das aber gar nicht erlebt.“ Nachdem er selbst wenig inhaltliche Reißer zu berichten weiß, macht er „wenigstens“ anderen die Buchstabensuppe salzig, indem er die unterbricht, die für die Gesprächsatmosphäre verantwortlich zeichnen. Er klinkt sich nicht ins Gespräch ein, um dieses voranzutreiben oder ergänzende Bonmots abzugeben. Nein, der Verharmloser unterbricht alleine deshalb, um Belangloses entgegenzustellen. Das lässt ihn neutral und objektiv wirken und diesen Status genießt er sichtlich. In Wahrheit stellt er Kommunikationssperren auf, die andere wieder umschiffen müssen, um das Gespräch – zudem er außer stoischem Nicken und einem flüchtigen Lächeln wenig beiträgt – erneut in Gang zu bringen. Er ist der geborene Miesepeter, der im Vergleich zur G’schnappigen jedoch sogar fürs z’wider Sein zu wenig Power hat. Deshalb hat er sich darauf spezialisiert, Gespräche nicht inhaltlich zu torpedieren, sondern zu interruptieren. Gerne korrigiert er und stellt Informationsfragen, die weder dem Gesprächsverlauf helfen, noch von allgemeinem Interesse sind. Am liebsten formuliert er No-Na-Aussagen und andere Binsenweisheiten.
„Geh, Du übertreibst wieder. Mir hast Du gesagt, Du hast für die Änderungen 2 Wochen Arbeit gehabt. Jetzt sind es in Deiner Schilderung sogar schon 3 Wochen. Und so schwierig waren die Adaptierungen gar nicht zumal die neuen Möglichkeiten doch auch Vorteile bieten.“
Fazit
Gerade im Projektgeschäft treffen Sie in kurzer Zeit auf verschiedene Charaktere und die können Sie sich nicht immer aussuchen. Die Nase vorne hat deshalb der, der sich schnell auf andere einstellen kann und erkennt bei wem welche Gangart nötig ist. Außerdem sollten Sie folgendes vermeiden:
1) Rechtfertigen: wenn der andere es schafft, dass wir unser Rechtfertigen, um das Gesicht nicht zu verlieren, dann hat er das verbale Battle gewonnen. Besonders, wenn es auch noch coram publico zugeht – im Meeting beispielsweise.
2) Nicht reagieren: Wer auf Killerphrasen nicht reagiert zeigt öffentlich: So darf mit mir umgegangen werden. Keine gute Idee! Lieber kontern mit: „Warum konkret?“
3) Öl ins Feuer gießen: Wir identifizieren uns immer lieber mit dem Sympathischen, manchmal ist das auch der, der gelassen bleibt und nicht zurückkeift oder noch untergriffiger wird. Deeskalation ist daher angesagt.
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