Taylor hatte doch Unrecht
Viel zu selten haben wir in der Vergangenheit den Fakt thematisiert, wie wir in Unternehmen zusammen denken und handeln, wie wir Unternehmen also intern organisieren. Wir haben den Umstand, dass wir Spezialisten in Teams zusammen verorten und erst danach im Sinne einer Mehrwertgenerierung integrieren lassen, lange Zeit nicht hinterfragt. Wir haben es wie ein Naturgesetz anerkannt und damit oft an den falschen Stellen in Unternehmen Veränderungen angestoßen. Mit diesem Beitrag möchte ich mich diesem Thema annehmen und drei Fragen dabei klären:
- Was ist die Ursache für eine funktionale Ausrichtung von Unternehmen, also Spezialisten in einem Team zu verorten?
- Welche Ausrichtung wäre mehrwertgenerierender?
- Warum gestaltet sich der Wandel hin zu dieser neuen Ausrichtung so schwierig?
Beginnen wir mit der Frage 1.
Was ist der Ursprung der funktionalen Ausrichtung in Unternehmen?
Die Beantwortung dieser Frage möchte ich an der so genannten “Taylor-Wanne” spiegeln, die ich in Anlehnung an Gerhard Wohland nachfolgend aufführe.

Taylor-Wanne nach Gerhard Wohland
All unsere Erkenntnisse im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre, auch die Idee, wie Unternehmen strukturiert und organisiert werden sollten, sind in der 2. Phase, wo ein global ungesättigter Markt vorherrschend war, entstanden. Dieser Markt wies bestimmte Charakteristika auf, die heute zumindest zu hinterfragen sind. Kunden oder Käufer hatten in dieser Phase relativ wenige Möglichkeiten Produkte zu erwerben. Nehmen Sie nur das Beispiel des Kaufens eines Kleidungsstückes. Da waren die Verkaufsstätten in der Nähe des Wohnortes oder es gab Kataloge von einigen wenigen Anbietern wie OTTO oder Quelle. Händler haben sich auf diesen Fakt eingestellt. Sie haben sich komplett auf Effizienz ausgerichtet. Es war ja klar was getan werden musste. Es musste eben nur kostengünstig und schnell erfolgen. So ist die Idee entstanden, Spezialisten, also Einkäufer, Vertriebler, Logistiker etc. in separate Expertenteams zu verorten. Dadurch wurde der Optionsraum der Unternehmen und damit die Komplexität ebenfalls minimiert. Der Markt musste nicht oft erkundet werden, weshalb wir auch von einem Verkäufermarkt sprechen können. Sie erkennen das an den beiden Kurven in der oberen Abbildung, die beide unten angesiedelt sind.
Mit der Weiterentwicklung unserer Technologie wurde der Optionsraum der Kunden und Käufer größer. Der Markt blieb natürlich global, wurde aber aus Sicht der Verkäufer gesättigter. Kunden konnten und können jetzt nicht nur in einem größer werdenden vernetzten Raum, siehe Online-Plattformen, konsumieren. Sie können jetzt auch noch Rezensionen zu Händlern und Produkten abgeben, die andere Käufer beim Kauf beeinflussen. Nun ist viel häufiger ein Wahrnehmen und Erkunden des Marktes seitens der Unternehmen gefragt. Durch die Organisation, die in der zweiten Phase entwickelt wurde, wo es ausschließlich um Effizienz und nicht um Effektivität (“Die richtigen Dinge tun”) geht, haben Menschen in Unternehmen gelernt, sich hauptsächlich um interne Dinge zu kümmern. Strukturen konditionieren nun mal die Menschen im Denken und Handeln.
Die Komplexität des Marktes, die von Unternehmen zu handhaben wäre, stieg, worauf die Unternehmen in der bisherigen Struktur in Richtung Effizienz keine oder nur schwer eine Antwort finden. Diesen Fakt sehen Sie in der oberen Abbildung in dem Auseinanderdriften der beiden Kurven.
Welche Idee einer Organisation von Unternehmen wäre besser?
Ja genau, es muss und gibt ein besseres Organisationsmodell. Ich höre immer wieder, dass Frederick Winslow Taylor, auf den das im ersten Abschnitt aufgeführte Modell zurückgeht, Recht hatte, jedenfalls zu seiner damaligen Zeit. Man kann aber natürlich auch formulieren, dass diese Idee vom Markt nur nicht bestraft wurde. Denn, und das ist entscheidend für das Finden eines besseren Modells, Unternehmen haben sich durch diese Art der Organisation vom Markt und vom Kunden entfernt.
Vertriebler haben nur noch im Rahmen von Marketingkampagnen über den Kunden nachgedacht, nicht aber im Kontext, wie die Ware zum Kunden gelangt oder welche Produkte überhaupt eingekauft werden müssen. Ähnlich erging es den Einkäufern oder den Logistikern in Unternehmen. Es gab in diesem Modell der Zusammenarbeit kein Team, welches Kunden end-to-end bedient und damit eine ganzheitliche Verantwortung für sie übernommen hat. Die Struktur hat es schlicht nicht zugelassen. Kundenfokussierung wurde negiert, was natürlich niemand zugeben wird.
Diese These erkennt man in der nachfolgenden Abbildung.

Funktionale und prozessuale Struktur
Das Modell von Taylor ist links dargestellt. Durch das Aufstellen von funktionalen Expertenteams haben wir die vorhandenen Mehrwertströme durchtrennt. Nachträglich, und das erkennt man an vielen Integrationsinitiativen oder auch an Rollen wie die eines Integrationsmanagers, hat man diese Sollbruchstellen wieder versucht zu kitten. Das dies einem kundenzugewandten Denken und Handeln in Unternehmen nicht zuträglich war, ist schnell ersichtlich.
Was wäre aber, wenn wir dieses Durchtrennen der Mehrwertströme erst gar nicht zulassen, sondern die Teams konsequent entlang der Mehrwertströme operieren lassen? Wenn man also nur noch kundenrelevante Trennungen in der internen Organisation vornimmt? Den Kunden ist es nämlich vollkommen egal, wie in Unternehmen der Vertrieb strukturiert ist. Sie wollen Produkte, die sie benötigen, finden und kaufen. Diese Idee ist in der obigen Abbildung auf der rechten Seite abgebildet.
Als Händler, wie OTTO, baut man dann beispielsweise ein cross-funktionales Teams auf, eines kümmert sich ganzheitlich um Fashion und vielleicht ein weiteres um Home & Living. In diesen Teams sind dann Experten, also Vertriebler, Einkäufer, Logistiker, IT-ler etc. vereint. Wie gesagt, da Kunden unterschiedliche Anforderungen an diese beiden genannten Produktklassen haben, sollte man diesen in der internen Organisation auch Rechnung tragen, da unterschiedliche Aktivitäten erforderlich sind.

Mehrwert generieren durch prozessuale Teams
Ein kleines Analogon aus der Welt des Fußballs zu der Idee der Organisation nach Taylor möchte ich noch kurz anführen. Stellen wir uns vor, ein Trainer entscheidet im Rahmen eines Spiels in den ersten 15 Minuten 11 Torwarte ins Spiel zu schicken, die dann ab der 20. Minute bis zum Ende der ersten Halbzeit durch 11 Verteidiger ersetzt werden. In der zweiten Halbzeit wechseln sich dann die 11 Mittelfeldspieler mit den 11 Stürmern jeweils ab, stehen aber niemals gleichzeitig auf dem Spielfeld. Es sind also stets nur jeweils separate Expertenteams auf dem Spielfeld aktiv. Würde der Trainer lange auf seinem Trainerstuhl sitzen? Wohl nicht. Wir operieren in Unternehmen nach dieser Art und Weise aber bereits jahrzehntelang. Autsch.
Warum ist die Umsetzung der Idee dieses neuen Modells so schwierig?
Das Muster, welches dem Organisationsdesign nach Taylor zu Grunde liegt, ist eines, was wir in unserer westlichen Gesellschaft sehr häufig antreffen: “Wir zerlegen Probleme in Teilprobleme, lösen dann diese Teilprobleme und fügen die Teillösungen linear zu einer Gesamtlösung zusammen.”
Im Kontext der Unternehmensführung hat man folgendes Problem: “Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden in adäquater Zeit.” Dieses Problem zerlegt man in Teilprobleme und kommt zu der Erkenntnis, dass man Ware einkaufen, diese vermarkten und vertreiben sowie dann auch noch zum Kunden befördern muss. So entstehen dann die Expertenteams Einkauf, Vertrieb und Logistik, in welchem die entsprechenden Teilprobleme gelöst werden und zu einer Gesamtlösung zusammengesetzt werden.
Was verliert man dabei aber aus den Augen? Richtig. Man zerstört die Charakteristik des eigentlich zu lösenden Problems, Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden. Die Teilprobleme, die man stattdessen löst, haben mit dem eigentlichen nicht mehr viel gemein. Sie erkennen das in der zweiten Abbildung dieses Beitrages an dem Durchtrennen der Mehrwertströme.
Diese Art des Problemlösens ist für uns auch nicht so einfach abzulegen, da uns mit dem Beginn des Schulalters dieses immer wieder eingetrichtert wird. Auch unsere Schulbildung ist in Fächer eingeteilt, Mathematik, Physik, Geographie etc. Erkennen Sie das Muster?
Um es in den Worten von Richard David Precht zu formulieren. Wir “erzeugen” in unserer Gesellschaft Spezialisten, die auf ihrer “Insel” leben und deshalb auch nur Probleme auf dieser “Insel” lösen können. Zwischen diesen Inseln herrscht aber ein weites unbeflecktes Meer von Inkompetenz. Lösungen von komplexen Problem sind genau dort zu finden, nicht auf den Inseln selbst.
Wir benötigen mehr “Brückenbauer”, die die Spezialisten miteinander vernetzen. In unserem heutigen System werden aber genau diese Menschen mit diesen Skills, Kompetenzen und Talenten nicht gesucht und damit natürlich auch nicht belohnt. In unserem System fördern wir Regelbefolger, keine Problemlöser. Hier sollten wir ansetzen.
Nun scheint das natürlich ein sehr großer Denkansatz zu sein, dessen Ertrag man erst in einigen Jahren sehen wird. Können wir denn in der Zwischenschritt im Rahmen von kleinen Schritten nichts tun? Doch selbstverständlich, sollten wir sogar. Ich bin derzeit bei OTTO unterwegs und wir wandeln uns derzeit, unter anderem auf Basis der in diesem Beitrag formulierten Ideen und Gedanken. Darüber habe ich in einem Vortrag auf der “Lean around the clock” vor ein paar Wochen in Mannheim reflektiert. Das Video zum Vortrag können Sie hier einsehen: https://youtu.be/SUo_1lD9LLM.
I like! :-) Doch der Spezialist kommt mir etwas zu schlecht weg. Natürlich möchte ich als Kunde, dass alle Angelegenheiten bei der Herstellung dessen, wofür ich bezahle, von “den Besten” erledigt werden. Ich möchte den besten Koch und den besten Kellner. Ich möchte, dass ein OP mit den besten Krankenschwestern und Ärzten und Geräten ausgestattet ist.
Das Problem ist für mich daher nicht, dass wir zu spezialisierte Spezialisten haben – sondern dass sich niemand um die rechte Integration (!) von Spezialisten im Rahmen einer Wertschöpfung kümmert. Integration ist ebenfalls eine sehr spezielle und nicht triviale Leistung (wie wir allemal gesellschaftlich jeden Tag erleben).
Bisher war Aggregation: Spezialisten wurden zu homogenen Haufen zusammengefasst, Abteilungen. Die Kohäsion ist dabei ganz natürlich hoch. “Gleich und gleich gesellt sich gern” :-) Es entsteht lokale Optimierung auf das Aggregat hin.
Was wir nun brauchen ist Integration: Spezialisten sollen zu inhomogenen Wertschöpfungsketten zusammengefasst werden. Hier ist Aufwand zu treiben bei der Koordination und der Herstellung von Kohäsion. “An einem Strang ziehen” ist hierfür das Bild, würde ich sagen. Dann kann ein Optimum in Bezug auf die Kette entstehen – und das dient dem Kunden, der darin gleich zweimal vertreten ist: am Anfang als Auftraggeber und am Ende als Feedbackgeber.
Wir brauchen also nicht weniger Spezialisten, sondern mehr Wille zur Integration statt Aggregation und dann auch Menschen, die integrieren.
Da bin ich absolut bei Dir. Ich will an dieser Stelle nicht in das “Entweder-Oder-Denken” verfallen, sondern strebe lieber dem “Sowohl-Als-Auch” entgegen. Spezialisten sind und werden weiterhin wichtig bleiben. Nur sollten wir zukünftig ein wenig mehr auf eine mehrwertfördernde Ratio zwischen Spezialisten und Generalisten schauen. BG, Conny
Generalisten sind auch nur Spezialisten :-) Die einen können eine Sache total gut (Spezialisten), die anderen können viele Sachen, aber nicht so gut (Generalisten). Um eine Sache total gut zu können braucht es andere Fähigkeiten als viele Sachen irgendwie a bissl zu können. Fokus vs Weitblick, Konstant vs Wechsel usw.
Mehr Generalisten zu suchen ist daher noch nicht wirklich etwas anderes. Das Problem der Neuausrichtung ist damit nicht gelöst. Depth specialists und breadth specialists harmonieren nicht automatisch mit einander. Die natürliche Kohäsion zieht sie weiterhin zu Ihresgleichen.
Es braucht daher eine ganz andere (!) Form von Spezialisten: Integratoren. Der Abteilungsleiter ist heute an Aggreator. Aber wo ist der Integrator? Die gilt es zu fördern. Und das ist erstmal eine Frage des Mindset. Kann man überhaupt Wertschöpfungskette denken? Kann man sich darauf einlassen?
Ja, ich bin bei Dir.
Ich finde den Begriff “Brückenbauer” in diesem Zusammenhang ganz gut, vielleicht besser noch sogar als “Generalist”. Wenn ich mir, wie im Beitrag dargestellt, unsere Spezialausrichtungen als Inseln in einem großen Meer vorstelle, sowie die fehlende Verbindung zwischen diesen als unsere Inkompetenz ganzheitliche Probleme lösen zu können. Stand heute wird der Abbau dieser Inkompetenz in meinen Augen zu wenig gefördert, ohne dabei natürlich den Ausbau der Kompetenz auf den Inseln zu vernachlässigen. Die Vernetzung der Inseln müssten diese Brückenbauer leisten. Als “Fächer” sehe ich hier Philosophie, Kybernetik, Systemtheorie, Chaostheorie, Synergetik etc.
So interessant Philosphie, Systemtheorie & Co sind… wie wäre es einfach mit ein bisschen Entspannung und Offenheit? So ganz normal halt. Und dann ein bisschen Verständnis dafür, wie Wert überhaupt entsteht: nur in Bezug auf den Kunden. Das würde mir für die bisherigen Inselbewohner reichen.
Aber wie gesagt: dazu muss die Wertschöpfungskette auch noch auf zwei Beine gestellt werden. Einfach alle Kettenglieder nur weitsichtiger zu machen, wird nicht helfen. Was existieren soll, kann nicht einfach nur als Appell an Bewusstsein und Ausbildung in den Raum gestellt werden. Das funktioniert nur in gute Tagen. Sobald es eng wird, ist das alles vergessen. “Blut ist dicker als Wasser”. Dann werden die alten Kohäsionskräfte wieder stark.
Nein, für Wertschöpfunskettenorientierung braucht es mehr als freundliche “Selbstorganisation” von Leuten mit studium generale Es braucht eine Architektur, die diese Art der Zusammenarbeit fördert und fordert. Es braucht explizite Repräsentanz dieser Ausrichtung auf zwei Beinen. Nicht umsonst gibt es den Scrum Master in Scrum. In dem steckt eine der wichtigsten Erkenntnisse: dass alt eingefahrene Gewohnheiten sich nicht einfach ändern, sondern dass daran jemand ständig ziehen muss. Es gibt eben nicht nur eine Retrospektive, sondern auch noch den Scrum Master. Und das ist gut so.
Ich glaube, der Scrum Master ist ein Grund der größeren Verbreitung von Scrum im Vergleich zu XP und Kanban. Er sorgt durch seine schiere Existenz für mehr Klarheit. Er ist personifizierter Ausdruck eines Willens zu einer bestimmten Organisationsform.
Das hat nichts mit Hierarchie zu tun, sondern mit dem Single Responsibility Principle (SRP) der Softwareentwicklung. Der Scrum Master ist ein Spezialist im üblichen Sinn. Sein Spezialgebiet ist die Herstellung und Aufrechterhaltung eines gewissen Prozesses. Und in dem Prozess spielen dann wieder andere Inselbewohner eine Rolle. Qua Rolle sorgt der Scrum Master aber dafür, dass die sich auf Brücken begegnen. Dafür sind die Organe von Scrum da: Sprint Planning, Daily, Sprint Review, Retro.
Wenn nicht einer sich den Schuh echt anzieht und Owner ist einer solch gravierenden Veränderung wie der Umstellung auf Wertschöpfung statt Abteilung… dann wird es nix. Und dafür ist kein neues Studium nötig, sondern nur eine echte Willensbekundung der Geschäftsleitung. Ich empfehle dazu dieses Buch: https://www.amazon.de/mittags-geh-ich-heim-Unternehmen-ebook/dp/B0093Y1FVC
Ich hab vor Ort gesehen, was Lohmann geschafft hat. Mir ganz normalen Leuten. Ohne Kybernetik und Chaostheorie sind Inselbewohner zu “Prozessbürgern” geworden :-)
Da bin ich bei Dir.
Mit ein bisschen mehr Offenheit, Bewusstsein für das Ganze, Menschenzugewandtheit, gesundem Menschenverstand etc. haben wir schon viel gewonnen. Allerdings wird man Menschen, denen man diese Sätze “entgegen schleudert”, sicherlich im ersten Moment nicht für einen Wandel gewinnen können. Sie fühlen sich ja erst einmal geoutet, ganz nach dem Motto “Bin ich etwa nicht offen und gelassen?”, “Benutze ich etwa nicht meinen gesunden Menschenverstand?” oder “Habe ich etwa nicht die richtige Einstellung?”
Diesen Wandel kann nur Jeder mit sich selbst ausmachen. Und dabei helfen eben diese von mir angeführten Disziplinen. Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Bis zum Jahre 2006 war ich ein Mathematiker, wie man ihn sich wahrscheinlich üblicher Weise vorstellt. Was ich nicht erklären konnte, war für mich nicht existent. Ich war durch und durch rational eingestellt, in allem was ich dachte und fühlte. Erst mit dem Befassen mit Systemtheorie, Kybernetik und Philosophie hat sich mein Denken und Fühlen und damit natürlich mein Handeln geändert.
Wandel eines Systems ist paradox. Es müssen im System gleichzeitig Regeln gebrochen und eingehalten werden. Gebrochen, da man sonst nicht von einem Wandel sprechen könnte. Eingehalten, da man sonst aus dem System “gespült” würde. Wandel in einem System geschieht nur von innen heraus und ist rein logisch gesehen unmöglich.
Danke für Deinen Buchtipp. Werde ich mir gleich mal anschauen.
Aber ich merke selber beim Schreiben, dass es wichtig ist, nicht in eine Dichotomie zu verfallen. Ich nutze diese Unterscheidung, nicht Trennung (!!!), eben nur um es sprachlich besser darstellen zu können.
Und dann fragst Du noch, ob man “Wertschöpfungskette” denken kann. Ja, warum sollte man diese nicht denken können? Muss man sogar, denn ohne diese denken zu können, kann man sich auch nicht entlang dieser ausrichten. Oder?
Natürlich kann und muss man die denken. Nur muss sich jedes Unternehmen prüfen, ob es selbst das vermag. In manchen wird es nicht gehen. Da ist die DNS einfach nicht dafür gemacht, sich in der Weise zu verändern.
Wer sind die “Brückenbauer” innerhalb eines Unternehmens? Sind es nicht bis zu einer gewissen Unternehmensgröße die Unternehmer selbst? Sind es nicht Sie, die die “Generalisten” im Unternehmen darstellen und in einer “Wertschöpfungskette” denken sollten? Denn ein Unternehmer hat eine Unternehmung begonnen, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Klar, ab einer gewissen Unternehmensgröße benötigen die Unternehmenslenker Unterstützung bei dieser Aufgabe. Aber wie verbreitet sind in Unternehmen solche “Generalisten” mit einem starken Mandat der obersten Führungsebene? Meinen Erfahrungen nach sind solche “Process Competence Center” nur schwach verbreitet. Und wenn es sie doch gibt, sind sie in der Abteilung IT verortet und/oder haben ein schwaches Mandat.
Ja, die Unternehmer. Nur auch hier habe ich wieder meine speziellen Beobachtung gemacht, die ich kurz spiegele.
Unternehmen starten irgendwann und haben eine Idee zu ihrem USP. Menschen im Unternehmen haben am Anfang nichts zu verlieren, sind dementsprechend auch wagemutig. Logisch. Sie können Risiken eingehen. Im Unternehmen gibt es viele Unternehmer. Dann haben sie bestenfalls Erfolg. Mit dem Erfolg wird aber auch der Raum dessen größer, was man alles verlieren könnte. Der Drang nach Sicherheit, auch wenn er nur einen Schein hat, wird größer. In Unternehmen werden deshalb kontextlose Standards eingeführt, um den bestehenden Erfolg zu bewahren. Es werden immer mehr Manager im Unternehmen “geboren”, also Menschen, die bei jeder neuen Idee eher die Risiken als Chancen sehen.
Diese Sackgasse gilt es in Unternehmen im Rahmen des Wandels teilweise zu verlassen. Dieser Umstand ist aber genau deshalb so schwierig, weil hier etwas ganz Menschliches berührt wird, nämlich immer weniger Risiken eingehen zu wollen je mehr man zu verlieren hat.
Sehr schön beschrieben! Es geht um etwas zutiefst Menschliches, Natürliches. Und deshalb sollte auch das Allernatürlichste in den Blick genommen werden: der Tod.
Tod aber ist gesellschaftlich nicht gewollt – außer, wenn er woanders stattfindet, z.B. in der Fiktion oder in fernen Ländern. Also ist es auch nicht hoffähig, sich über den Tod in Unternehmen Gedanken zu machen. Intensivmedizin ist die Norm, scheint mir. Alles wird solange beatmet und gefüttert, bis die Gliedmaßen abfallen und die Maden herauskriechen. Kriterien für ein würdiges Ende werden nicht entwickelt.
Dabei würde das einiger Verschwendung vorbeugen. Ein würdiger Tod ist nämlich nicht nur Anlass zur Trauer. Mit ihm entstehen auch Freiräume, er ist ein Anfang. Durch den Tod entsteht Gelegenheit für das Neue.
Alles kann auf den Prüfstand der Lebenstüchtigkeit: Produkte, Methoden, Policies, Rollen, Strukturen usw. So erst entsteht eine fundamentale Lebendigkeit, die fähig ist, sich Neuem anzupassen.
Ich weiß gar nicht, was mir mehr gefällt der Ursprungsartikel oder die angeschlossene Diskussion. Ich glaube ebenfalls an diese Brückenbauer. Als Projektleitung in einer Verwaltung merke ich immer wieder, von wie entscheidender Bedeutung diese Brücke ist. Nicht nur, um den Kunden nicht aus dem Blick zu verlieren, sondern um eben genau das beschriebene Inseldenken zu durchbrechen. Systemisch profitieren am Ende alle, Konstruktivismus wird deutlich ganz ohne Theorien. Entsteht im Projekt eine gemeinschaftliche Inselgruppe so hält diese Verbindung erfahrungsgemäß weit über Projektabschluss an und ist geprägt von wertschätzendem, offenen Miteinander. So macht Brücken bauen Spaß. Tod des alten Silodenkens und neues Leben im Miteinander :-)