Transparenz benötigt Feedback
„Wir brauchen mehr Transparenz in unseren Prozessen!“ „Ich benötige die Informationen eine Stunde vor dem Meeting!“ Oder: „Warum erklärt uns die Geschäftsführung nicht ihre Motive?“ Es sind solche oder ähnliche Sätze, die fallen, wenn sich Mitarbeiter mehr Transparenz wünschen. Was ist aber Transparenz? Wer benötigt wann welche Informationen? Und wie viel Information? Bietet Transparenz nur Vorteile oder gibt es auch Aspekte, die nicht transparent sein sollten? Und warum benötigt Transparenz Feedback?
Was ist Transparenz?
Unter Transparenz wird in Unternehmen im Allgemeinen ein Zustand mit freier Information, Partizipation, Kommunikation und Rechenschaft zwischen den Akteuren der Organisation verstanden. In anderen Worten: Mitarbeiter wünschen sich Einblick und Durchblick in Entscheidungen und Vorgänge des Unternehmens. Sie wünschen Sie Zugang zu Informationen, vielleicht auch eine Versorgung mit Informationen. Durch Transparenz – und auch Intransparenz – entsteht Kommunikation. Und durch Kommunikation im positiven Sinne eine Beteiligung der Mitarbeiter, möglicherweise sogar eine Identifikation der Mitarbeiter mit einer Sache oder Unternehmung.
Aus dieser Umschreibung der Transparenz lässt sich ableiten, dass Transparenz „gut“ ist. Doch eine solche Ableitung könnte voreilig, sogar falsch sein. Werden Informationen durch eine Geschäftsführung nicht veröffentlicht – und das geschieht permanent und pausenlos – entstehen Spekulationen. Warum, wieso, weshalb? Was sind die Auswirkungen für mich als Mitarbeiter? Unsicherheit könnte die Folge sein, schlechte Stimmung in der Arbeitsgemeinschaft entstehen, etc. Allerdings geht dieses Szenario davon aus, dass es Kenntnis über das Vorhandensein einer Information gibt, diese Information aber als solche nicht öffentlich ist. Könnte es nun sein, dass der Herrscher über eine Information, diese bewusst nicht teilt und so keine mentale Belastung von Mitarbeitern erzeugen möchte. Dass in seinen Augen Intransparenz zielführender ist?
Der richtige Umgang mit Transparenz
Die unnötige Transparenz
Stellen Sie sich vor, Sie benötigen die Informationen A, B und C. Ihr Kollege benötigt für seine Aufgaben lediglich die Informationen B und C. Und der nächste Kollege im Bunde benötigt die Information D. Wie sollten die Informationen verteilt werden? Woher weiß der Informationsverteiler, wer welche Information haben möchte? „Informationen sind eine Holschuld“ lautet eine weit verbreitete Regel in Organisationen. Informationen sollen also nicht individuell verteilt werden – bei 3 Mitarbeitern wird die Verteilung noch funktionieren, bei 30 oder gar 300 aber nicht mehr – sondern der Mitarbeiter soll Zugang zu den Informationen erhalten, in dem er sich diese individuell besorgt. Dazu können Sie leicht einen kleinen Test durchführen: gibt es eine Information, die Sie regelmäßig verteilen? Ein Protokoll nach dem Montags-Meeting oder einen Statusbericht über die Neuerungen in der vergangenen Woche – was passiert, wenn Sie diese Information einmal nicht verteilen. Gibt es Mitarbeiter und Kollegen, die Sie dann auf diese fehlende Information ansprechen? Werden Sie nicht darauf angesprochen, von keinem Informationsempfänger, könnten Sie darüber nachdenken, ob die Verteilung der Information noch Sinn macht. Die Transparenz, die Sie erzeugen, wird möglicherweise gar nicht benötigt.
Der richtige Zeitpunkt
Was passiert, wenn Sie Informationen zu einem Zeitpunkt erhalten, der für Sie nicht passt? Sie lesen sie nicht. Sie löschen sie vielleicht sogar. Eventuell schieben Sie die Information in einen Ordner mit dem Gedanken, dass Sie weiterhin Zugriff auf die Information haben, sobald Sie diese benötigen oder Sie Zeit für sie finden. Der Zeitpunkt ist ein wichtiger Aspekt bei der Transparenz. Und auch die Menge an Informationen ist sehr wichtig. Beschäftigen Sie sich mit operativen Aufgaben und Sie erhalten regelmäßig Ideen und Pläne über Dinge, die in 3 Jahren vonstatten gehen könnten, wird es Ihnen schwer fallen, mit dieser Transparenz umzugehen. Die Information und die damit einhergehende Transparenz hat keinen Nutzen für Sie. Transparenz nervt dann sogar.
Neben dem richtigen Zeitpunkt und der Menge an Informationen kann es auch wichtig sein, den zeitlichen Verlauf zu beachten. Zu Beginn eines Projektes ist der Austausch über Ziele und Ideen sehr willkommen. Diese Art der Transparenz stiftet Sinn. Gemeinsam an einem Ziel arbeiten, es in einem Projekt umsetzen, herrlich. Im Laufe eines Projekts hingegen, mit vielen parallelen Anforderungen und engen Zeitplänen, kann sich der Wunsch nach Transparenz aber verändern. Informationsüberflutung gilt es zu vermeiden – doch wie? Idealerweise im Konsens, mit Absprachen, mit Feedback zwischen Sender und Empfänger.
Vorteile und Nachteile
Finden Sie es toll, wenn Sie von Ihrem Projektleiter in Entscheidungsprozesse eingebunden werden? Wenn der Abteilungsleiter Sie nach Ihrer Meinung fragt? Natürlich. Partizipation ist eine Wertschätzung. Transparenz stärkt das Vertrauen. Und den Dialog. Auf der anderen Seite findet es jeder Mitarbeiter in jeder Situation gut, wenn sichtbar wird, was er wann wie und warum tut? Diese Sorge des gläsernen Mitarbeiters ist an sich nicht neu. Sie führt zur Überlegung, dass Transparenz von anderen, von Informationen, Zielen, Abläufen und Prozessen, Kennzahlen und Motiven positiv ist. Transparenz der eigenen Leistung ist aber nicht immer erwünscht. Sie könnte den Mitarbeiter angreifbar und verwundbar machen. Sie drückt sich als Angst aus und nicht als Chance. Nicht als Basis für künftige Verbesserungen, sondern als Machtmittel des Vorgesetzten. Transparenz kann also auch negativ sein.
Der persönliche Wunsch nach Transparenz
Die Kommunikation über Aspekte des Miteinanders in Projekten und Organisationen ist sehr wichtig. Wie wichtig Sie aber für jeden einzelnen Mitarbeiter ist, entscheidet letztlich der Mitarbeiter. Ebenso verhält es sich mit der Transparenz – auch hier ist das Individuum maßgeblich. Bietet Transparenz für Sie Chancen, stiftet Sinn? Sehen Sie die Vorteile und sind Sie bereit auch für Transparenz in Ihrem Umfeld, bei Mitarbeitern und Kollegen zu sorgen? Vielleicht kennen Sie auch Kollegen, die versuchen persönliche Transparenz zu vermeiden? Das tun diese Kollegen vermutlich aus gefühlter oder tatsächlicher Sorge, aufgrund von schlechten Erfahrungen. Transparenz hat somit zwei Seiten, eine positive und eine negative.
Bei der persönlichen Forderung nach Transparenz stellt sich also stets die Frage, was möchte ich warum wissen und was bin ich selbst bereit zu offenbaren. Transparenz benötigt somit Feedback. Ein Feedback zwischen Sender und Empfänger, zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, untereinander zwischen Kollegen. Ein Feedback über die Art und Menge der Informationen, über den Zeitpunkt und den Zeitraum, über die Konsequenzen und die Partizipation. Wer für Transparenz sorgt, legt die Basis für einen Austausch, für eine Beteiligung, aber auch für eine Rechenschaft. Das Feedback macht Transparenz positiv.
Hinweise
Die Gedanken zum Umgang mit Transparenz entstanden auf dem PM Camp 2015 in Berlin. Eine tolle Veranstaltung. Informationen dazu finden Sie unter http://berlin.pm-camp.org/ beziehungsweise unter http://openpm.info/
Trackbacks & Pingbacks
[…] Transparenz benötigt Feedback [Michael Schenkel] […]
Diskutieren Sie mit.