Visualisieren mit OBASHI
In vielen Projekten ist es heute Alltag mit elektronischen oder analogen Boards die Arbeit des Projektteams zu visualisieren. Damit wird die Arbeit greifbar und der Durchfluss erlebbar. Und das nicht nur für Mitglieder des Teams, sondern auch für Außenstehende. Es ist faszinierend, dass einfache Werkzeug wie ein Scrum- oder Kanbanboard Folienschlachten bzw. seitenlange Projektstatusberichte ersetzen.
Visualisierung bringt auf einfache Weise Klarheit und ist für uns Menschen hilfreich. Diese Erkenntnis greifen viele Protagonisten auf, um komplizierte Dinge einfach zugänglich zu gestalten. Geben Sie bei Google oder Bing einfach mal “Business Model Canvas”, “Value Proposition Canvas” oder “Process Model Canvas”¹ ein. Sie werden viele Einträge finden. Immer mit der Idee im Hinterkopf, komplizierte oder gar komplexe Sachverhalte für jeden zugänglich zu gestalten. Die Sache an sich wird nicht weniger kompliziert bzw. komplex dadurch, aber das Verständnis steigt. Sie haben damit eine Basis, um schnell mit anderen Menschen ins Gespräch und den nutzbringenden Austausch zu kommen.
Als Betrachter beispielsweise eines Scrumboards brauchen Sie kein Fachwissen über Scrum, Softwareentwicklung oder Projektmanagement. Sie erkennen, wer an welcher Aufgabe arbeitet und wie der Fortschritt ist. Ihnen wird der Prozess und Status transparent.
Schnittstelle zwischen Mensch, Prozess und IT
Jetzt lassen Sie uns mal an die Schnittstelle zwischen IT auf der einen und Prozessen und Menschen auf der anderen Seite schauen. Das Zusammenspiel und die Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Teilen eines Unternehmens sind komplex. Vielleicht erscheinen sie uns nur komplex, weil sie entweder gar nicht oder recht kompliziert dokumentiert sind. Ein Aris-Prozessmodell und eine Architekturmanagement sind auf jeden Fall nicht einfach und schon gar nicht ohne Fachkenntnisse lesbar.
Es muss komplex sein, denn (fast) jedes Projekt beginnt mit einer Analysephase der immer gleichen Dinge: Prozessverantwortliche, betroffene Prozesse und Mitarbeiter sowie die beteiligten Applikationen und IT-Systeme. Oder ist einfach die Art und Weise wie es dokumentiert wird unverständlich und kompliziert? Oder einfach nicht aktuell?
Das heißt, wir benötigen eine leicht verständliche Art und Weise, um das Zusammenspiel zwischen Menschen, Prozessen und der notwendigen Technologie zu visualisieren. Die gut gepflegt ist und auf die jedes Projekt als Ausgangslage zurückgreifen kann. Noch besser: die in der täglichen Arbeit genutzt wird und dadurch immer aktuell ist.
Dokumentation unterstützt Analysephase
Stellen Sie sich vor, Ihre Firma möchte ihren klassischen Vertrieb – Außendienst, Telefonakquise und direkte Betreuung der Kunden – durch einen Onlineshop ergänzen. Der Wunsch ist, dass sich der Onlineshop in die vorhandene Prozess- und Systemlandschaft integriert. Ihre Aufgabe in diesem Projekt ist es, die notwendigen Anpassungen an den Systemen und Abläufen zu identifizieren. Sie sind neu in diesem Unternehmen! Sie haben also kein Vorwissen und auch kein Beziehungsnetzwerk, was Sie bei der Aufgabe unterstützt. Klassischerweise gehen Sie nun in die verschiedenen Abteilungen. Sie schauen sich domänspezifische Dokumentationen an und führen Interviews. Alles, um ein Bild über den IST-Zustand der Prozesse, Beteiligten und der IT zu bekommen.
Würden Sie folgende Darstellung vorfinden, würde das Ihre Arbeit auf ein Minimum reduzieren, oder?
Darstellung des Vertriebsprozesses in einem Business und IT-Diagramm
Was Sie hier sehen, ist ein sogenanntes Business & IT-Diagramm – konkret hier der warenwirtschaftliche Prozess Ihres Unternehmens. Dieses Diagramm visualisiert drei für die IST-Analyse wichtige Aspekte:
- die Menschen und die Organisation Ihres Unternehmens,
- die Prozesse dieser Organisation und die Applikationen, sowie
- die Infrastruktur (Technologie).
Sie haben eine einfach verständliche Übersicht. Sie erkennen auf den ersten Blick, dass der Vertrieb mit der Applikation SAS-AX arbeitet, wenn er ein Angebot erstellt. Sie wissen, dass eine Datenbank DB-SAS notwendig ist und beide Applikationen virtualisiert auf Windows Server 2008 laufen.
Sie identifizieren sehr schnell die betroffenen Komponenten, Prozesse und Mitarbeiter Ihres Unternehmens:
Alle durch die Veränderung des Vertriebsmodells betroffenen Komponenten
Das erkennen Sie, auch nach den ersten Tagen bei Ihrem Arbeitgeber. Sie brauchen kein domänenspezifisches Wissen. Sie können direkt in die Variantenentwicklung, den Business Case und dann das Requirements Engineering einsteigen. Durch eine angemessene Visualisierung komplizierter und komplexer Zusammenhänge erhalten Sie ein mächtiges Werkzeug.
Transparenz quer durchs Unternehmen
Um diese Klarheit und Transparenz zu schaffen, benutze ich ein Werkzeug: OBASHI®. OBASHI® ist eine Sammlung von Regeln und Gesetzen, die das Erstellen und Interpretieren von Diagrammen vereinfacht. OBASHI® selbst ist ein Akronym:
Bedeutung der einzelnen Schichten
Das Modell wird in sechs Schichten (Layer) geteilt. Jede Schicht repräsentiert Elemente einer bestimmten Art:
O definiert den Eigner oder Nutzer eines bestimmten Businessprozess, welcher verschiedene Applikationen benötigt, die auf einem bestimmten Betriebssystem laufen, welches auf einer Hardware installiert ist, die an einen Teil der Infrastruktur angeschlossen ist.
Allein durch die Anordnung der Elemente und ggf. durch die Einzeichnung der Verbindungen (im Bild oben die Striche), gewinnen Sie viel Klarheit, wie Menschen, Prozesse und Technologie in Ihrem Unternehmen zusammenarbeiten. Dies ist in den Beziehungsregeln (Relationship Rules) definiert. Dazu gibt es noch die Beziehungstypen, welche noch mehr Struktur und Klarheit schaffen. Beispielsweise lässt sich aus dem obigen Diagramm ablesen, dass bei einem Ausfall des SW-001 der Prozess “Angebot erstellen” betroffen ist.
OBASHI® ist mehr als Dokumentation
OBASHI®-Diagramme sind mehr als eine Dokumentation. Sie stiften Nutzen in vielen Situationen und bei verschiedensten Aufgaben. Ich sprach am Anfang davon, dass die Dokumentation auch gepflegt sein muss, um nutzbringend zu sein. Setzen Sie die Diagramme auch im IT-Betrieb ein, dann ergibt sich die Pflege fast im Alleingang. Denn wenn die Menschen einen Nutzen erkennen, dann sorgen sie auch selbst für die Aktualität.
Lassen Sie mich das an zwei Beispielen verdeutlichen:
Auswirkungsanalyse bei einer Störung
Im obigen Beispiel ist der Server SRV-BPM gestört oder ausgefallen. Mit Hilfe des Diagramms ermitteln Sie sehr schnell die Auswirkungen dieser Störung. Die Auswirkung auf die Applikationen, die Prozesse und die Menschen. Sie sind dadurch in der Lage, gezielt zu priorisieren und zu informieren.
Jedes Element eines solchen Diagramms kann weitere Informationen haben. Beispielsweise die maximale Ausfallzeit und die Informationen über die Kritikalität.
Ähnlich funktioniert es für das Change-Management:
Changeanalyse im Business- und IT-Diagramm
Auch hier sind Sie in der Lage, die Auswirkung des Changes zu bestimmen und entsprechende mit den Fachbereichen abzustimmen. Sie können auch prüfen, ob die neue Version der Software auf dem Betriebssystem lauffähig ist oder ob genügend RAM, CPU oder Plattenplatz vorhanden sind.
Verstehen ohne Expertenwissen
Sie haben mit einem Business – und IT-Diagramm eine gemeinsame Verständnisgrundlage – egal welche fachliche Expertise vorliegt. Sie können die Diagramme in vielen verschiedenen Situationen einsetzen. Das ist der Punkt, der mich so an diesem Werkzeug fasziniert.
Wenn Sie Ihre Projekte und Ihr Unternehmen auf diese Art und Weise dokumentieren, so verstehen Sie Ihr Unternehmen immer besser. Sie schaffen Klarheit und Transparenz, welche Abhängigkeiten und Datenflüsse es gibt. Die Diagramme zeigen Ihnen:
- Wie das Unternehmen arbeitet.
- Wie das Unternehmen durch die IT unterstützt wird.
- Welche IT-Assets dafür notwendig sind.
- Die Abhängigkeiten zwischen den Betriebsmitteln.
- Wie Daten durch das Unternehmen fliesen.
- Wie kritisch IT für das Geschäft ist.
- Welche Auswirkungen ein Fehler in der IT hat.
- Welche Stakeholder betroffen sind.
- …
Daher lohnt es sich aus meiner Sicht, auch die bestehende Umgebung Schritt für Schritt zu dokumentieren.
Ich selbst bin im IT-(Service)-Management tätig. Üblicherweise nutze ich OBASHI® für die Erstellung von Servicekatalogen, SLAs und den Aufbau von CMDBs. Im Sicherheits-, Risiko- und Business-Continuity-Management entstehen genauso Business- und IT-Diagramme wie im Architekturmanagement. Für mich ist das Werkzeug nicht mehr wegzudenken – genau wie die Kelle für den Maurer.
OBASHI® kennenlernen
An all die genannten Themen versuche ich immer möglichst pragmatisch heranzugehen und mögliche Weiternutzung zu ermöglichen. Würde ich beispielsweise im IT-Sicherheitsmanagement mich strikt nach BSI-Grundschutz ausrichten wollen und eine Zertifizierung anstreben, dann wäre das nichts für mich. Obwohl das Business- und IT-Diagramm im Grunde das gleiche ist wie ein IT-Verbund im BSI. Gleiches gilt für alle anderen Disziplinen.
Haben Sie es mit Dogmatikern und Methodengläubigen zu tun, wird es Ihnen schwer fallen, das Werkzeug mehrfach einzusetzen. Aber auch da habe ich schon manche Wandlung erlebt, weil die Visualisierung so schnell zu Klarheit und Verständnis geführt hat.
Ich bin so begeistert von OBASHI®, dass ich in meiner Freizeit als OBASHI® Ambassador arbeite. Mein Ziel ist es, die Methode im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen. Ich möchte, dass so viele Menschen wie möglich die Chance bekommen, die Methode kennenzulernen. Aus diesem Grund biete ich einen kostenlosen eMail-Kurs für OBASHI® an. Sie können sich unter http://different-thinking.de/obashi-kurs/ anmelden.
Hinweise und Links zum Thema:
[1] http://de.slideshare.net/DavidRutingCommant/2015-congres-workshop-process-model-canvas-compact
OBASHI® Webseite: http://www.obashi.co.uk/
OBASHI® & Cybersecurity: http://blog.itil.org/2015/03/it-governance/wie-ihnen-obashi-bei-einer-cyberattacke-hilft-den-angreifer-schneller-aufzuspueren/
offizielles APMG Buch: https://apmg-businessbooks.com/books/obashi-methodology-ebook-0
englische Mindmap zu OBASHI®: http://www.mindmeister.com/de/357727077/obashi-methodology-study-guide-mind-map
Empfehlung von microTOOL:
Alternativ zu Mindmeister gibt es auch Milanote zum Mind-Mapping mit kostenfreiem PDF Export
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