Auf die Plätze, fertig, Zieldiagramm
Kennen Sie auch jemanden in Ihrem Bekanntenkreis, der im nächsten Jahr einen Marathon unter vier Stunden laufen möchte? Für viele Jogger ist ein Marathon die ultimative Herausforderung. Und vier Stunden sind eine Art magische Grenze, in der die Läufer die gut 42 Kilometer zurücklegen wollen. Diese vier Stunden bieten Orientierung, einen Vergleich mit Gleichgesinnten und sorgen für Motivation. Sie sind das Ziel.
Bei der Entwicklung von Ideen, Produkten oder Services sind die Definition und der Umgang mit Zielen häufig nicht so eindeutig wie bei einem Marathonläufer. Je mehr Personen beteiligt sind, desto mehr Ziele gibt es. Es ist keine Seltenheit, dass sich diese Ziele dann widersprechen. Daher legt das Requirements Engineering auch ein großes Augenmerk auf die Ermittlung von Stakeholdern und deren Zielen. Zum besseren Verständnis ist es dann hilfreich, eine gute Visualisierung zu nutzen: ein Zieldiagramm.
Was ist ein sinnvolles Ziel?
Ziele sind eine wunderbare Sache – wenn sie funktionieren. Wenn Sie gar keinen Marathon laufen wollen, dann nützt Ihnen das Ziel „Marathon in vier Stunden laufen“ nichts, denn Sie wollen gar nicht laufen, keine 42 km und schon gar keine vier Stunden. Was macht also ein Ziel zu einem Ziel?
- Ziele müssen eindeutig definiert sein, das heißt so präzise wie möglich. Sie wollen einen Marathon in Berlin laufen und die Strecke nicht mit dem Auto zurücklegen.
- Ziele müssen messbar sein. Sie wollen in vier Stunden ins Ziel kommen oder in drei Stunden oder einen neuen Weltrekord und damit schneller als 2:02:57 Stunden laufen.
- Ziele müssen realistisch sein – soviel also zur Idee, den Weltrekord in Angriff zu nehmen.
- Ziele müssen terminiert sein, denn sonst laufen Sie den Berlin-Marathon nicht am 27.09.2015, sondern vermutlich nie.
Wenn ein Ziel diese Kriterien erfüllt und Sie es persönlich als solches akzeptieren, es als Herausforderung verstehen, es dazu noch anspruchsvoll und angemessen ist, dann funktioniert das Ziel für Sie. Ein Ziel ist also dann sinnvoll, wenn es mit seinen Kriterien für Sie Sinn macht.
Stakeholder und Ihre Ziele
Kennen Sie in Ihren Projekten immer Ihre Stakeholder? Alle? Und alle Ziele? Und die Bedeutung der Ziele für den Stakeholder? Nicht jedes Ziel ist in der Realität gleich bedeutend. Und wie ist der Umgang dann mit Anforderungen, die sich aus den Zielen ergeben, vor allem, wenn diese Ziele unterschiedliche Gewichtungen haben oder sich widersprechen? Nach der Ermittlung Ihrer Stakeholder und deren Zielen, ergeben sich in der Folge oft schwierige Fragen.
In der Praxis führt dies dann gelegentlich dazu, dass Stakeholder erst gar nicht gefragt werden. Das ist auch eine Lösung. Allerdings soll es auch Produkte auf dem Markt geben, die von potentiellen Kunden nicht wie gewünscht genutzt oder gar gekauft werden. Vielleicht ist es also doch keine Lösung.
Die Visualisierung von Zielen
Zieldiagramme helfen, Ziele von Stakeholdern, die Beziehungen zu Teilzielen und mögliche Zielkonflikte grafisch darzustellen. Wenn Sie sich das folgende Diagramm anschauen, erkennen Sie schnell, dass der Stakeholder Herbert Mayer die Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit als wichtiges Ziel erachtet. Dies möchte er mit einem hoch innovativen Produkt, einer hohen Kundenbindung sowie niedrigen Entwicklungskosten erreichen. Die geringen Entwicklungskosten möchte er entweder über den günstigen Einkauf von Teilsystemen oder die Entwicklung an einem günstigen Standort erreichen.
Zieldiagramm mit Stakeholder und Ziel sowie Teilzielen
Was sehen Sie noch in dem Zieldiagramm? Es gibt einen Konflikt zwischen dem Ziel „hoch-innovatives Produkt“ und „Entwicklung an einem günstigen Standort“. Offensichtlich geht das Ziel einer Entwicklung fernab der Heimat mit der Sorge einher, dort nur schwer hoch-innovativen Produkte entwickeln zu können. Diesen Konflikt gilt es natürlich zu hinterfragen und aufzulösen. Je früher, desto besser. Und idealerweise im Dialog mit dem Stakeholder Herbert Mayer und gegebenenfalls weiteren Stakeholdern.
Ziele und Anforderungen
Natürlich gibt es vielfältige Quellen für die Ermittlung von Anforderungen – beispielsweise ergeben sich Anforderungen aufgrund der eingesetzten Architektur einer Lösung oder der Interaktion mit vorhandenen Systemen. Aus Zielen können sich aber auch direkt Anforderungen ergeben bzw. Anforderungen lassen sich Zielen direkt zuordnen. Daher können Sie in Zieldiagrammen nicht nur Ziele und Ihre Teilziele mit Und- bzw. Oder-Verknüpfungen von einem oder mehreren Stakeholdern darstellen. Sie können auch die Beziehung zwischen Zielen und Anforderungen leicht visualisieren.
Zieldiagramm mit Anforderungen
Fazit
Beschäftigen Sie sich in Ihren Projekten mit den Zielen Ihrer Stakeholder, dann können Sie mit Zieldiagrammen leicht Zusammenhänge darstellen. Die Visualisierung fällt nicht nur leicht, sondern deren Erstellung macht auch Spaß. Und sie ist für alle Beteiligten leicht zu verstehen. Die Vorteile liegen im besseren Verständnis der Ziele Ihrer Stakeholder und den Möglichkeiten, diese frühzeitig in Ihren Projekten zu hinterfragen und zu berücksichtigen.
Falls Sie in Ihrem Bekanntenkreis jemanden kennen, der im nächsten Jahr einen Marathon unter vier Stunden laufen möchte: Fragen Sie ihn doch mal, ob er schon ein Zieldiagramm verwendet…
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