Ausbildung zum Business Analysten – Interview mit Rainer Wendt
Das Berufsfeld der Business Analyse ist noch relativ jung, hat aber schon jetzt einen hohen Stellenwert für sehr viele Unternehmen. Ein Gespräch mit Rainer Wendt, Geschäftsführer der masVenta Business GmbH, und Michael Schenkel von microTOOL, über Business Analyse, die Ausbildung zum Business Analysten und das IIBA Germany Chapter.
Michael Schenkel: Herr Wendt, Sie sind Geschäftsführer der masVenta Business GmbH und bieten dort Business Analyse und Projektmanagement an. Gleichzeitig sind Sie Präsident des IIBA Germany Chapters, der deutschen Vertretung des International Institute for Business Analysis. Das klingt nach einem vollen Stundenplan, oder?
Rainer Wendt: Ja, in der Tat! Aber bei der Bewältigung des hohen Arbeitsaufkommens hilft mir vor allem eines: die Leidenschaft, die innere Motivation. Denn ich bin davon überzeugt, dass Business Analyse ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Projekte ist und das treibt mich unentwegt an. Mit dem IIBA Germany Chapter verfolgen wir vor allem das Ziel, für eine breite Wahrnehmung der Business Analyse in Deutschland zu sorgen, so wie es in anderen europäischen Ländern wie England schon der Fall ist.
Michael Schenkel: Sie beschäftigen sich schon einige Jahre mit Business Analyse. Wie wird man denn zu einem Business Analysten? Welche Ausbildung empfehlen Sie?
Rainer Wendt: Bevor ich konkrete Vorschläge für Lösungen mache, ermittele ich als Business Analyst grundsätzlich zunächst einmal den Bedarf. Genau das machen wir auch für unsere Ausbildungsprojekte jeder Größenordnung, von umfangreichen Programmen für Unternehmen bis hin zu individuellen Karriereplänen für Einzelpersonen. Das umfasst auch eine Analyse des organisatorischen und fachlichen Kontexts und der kurz- und langfristigen Ziele, die Personen, Abteilungen oder Unternehmen mit der Business Analyse Ausbildung verfolgen.
Michael Schenkel: Was heißt das konkret?
Rainer Wendt: Ist zum Beispiel das primäre Ziel eines selbständigen Beraters, ein Business Analyse Zertifikat zu erlangen, um sein Profil zu schärfen, seine bereits vorhandenen Fähigkeiten zu belegen, um somit bessere Chancen bei der Vergabe von Projekten zu haben, erarbeiten wir mit dem Berater sein individuelles Ausbildungsprojekt. Ein solches Projekt kostet Zeit und Geld und führt zu einem Ergebnis. Konkret heißt das, dass der Berater in seine Ausbildung investieren muss, um letztendlich ein Zertifikat zu erlangen. Eigentlich ist das eine ganz rationale Kosten-/Nutzen-Betrachtung, die jedem Projekt zu Grunde liegen sollte.
Rainer Wendt im Interview
Michael Schenkel: Und welche Ziele verfolgen Unternehmen mit der Ausbildung von Business Analysten?
Rainer Wendt: Ziele von Ausbildungsprogrammen können natürlich Kosteneinsparungen in der Business Analyse und im Requirements Engineering sein. Hier gilt es, die Schwachstellen in den Unternehmensprozessen zu identifizieren und zunächst gezielt dort anzusetzen, wo der größte Effekt zu erreichen ist. Typische Schwachstellen findet man bei der Erhebung und Dokumentation der Geschäftsanforderungen oder bei der Einbindung des Fachbereiches in das Prototyping, um hier einmal zwei populäre Beispiele zu nennen. Teilweise führen hier kleine Prozessverbesserungen schon zu enormen Einsparungen.
Michael Schenkel: Also gehen Business Analyse Ausbildung und die Verbesserung von Prozessen in Unternehmen Hand in Hand?
Rainer Wendt: Nicht notwendigerweise, aber meistens. Eine konsequent angelegte Business Analyse Ausbildung führt immer zu Verbesserungen im Unternehmen, und das ist auch das generelle Ziel. Die Qualität der Anforderungen soll steigen, die Effizienz der Erfassung und Umsetzung soll erhöht werden. Das kann allerdings nur erreicht werden, wenn bestehende Strukturen und Prozesse in Frage gestellt und konsequent verbessert werden können. Dieses Mandat muss vom Management eingeholt werden; eine nicht einfache Angelegenheit, bei der wir die verschiedenen Abteilungen unterstützen.
Michael Schenkel: Wie kann man sich diesem Themenkomplex nähern und welche Standards gibt es?
Rainer Wendt: Wie auch im viel besser etablierten Projektmanagement gibt es natürlich in der Business Analyse und im Requirements Engineering einige Standards. Hier in Europa, insbesondere im Ingenieurland Deutschland, ist das IREB, das International Requirements Engineering Board mit dem CPRE Zertifikat am meisten verbreitet. Allerdings greift der Syllabus zu kurz, um die Business Analyse hinreichend abzudecken, da das CPRE Zertifikat hauptsächlich auf funktionale und nicht-funktionale Anforderungen an die technische Lösung, die sogenannten Solution Requirements, fokussiert. IREB und CPRE sind in US-amerikanischen Konzernen noch recht unbekannt und deshalb nicht als globale Standards akzeptiert. Die gleiche Herausforderung sehen wir bei der BCS, der British Computer Society mit ihrem Business Analysis Diploma. In Großbritannien führend, trifft man diesen britischen Standard in Zentraleuropa und Amerika eher selten an.
Michael Schenkel: Wie lautet also Ihre Empfehlung?
Rainer Wendt: Wir empfehlen Ausbildungsprogramme, die sich eng orientieren an den globalen Standards der führenden Organisationen in der Business Analyse und im Projektmanagement. Das International Institute of Business Analysis (IIBA) bietet das umfassendste Programm für Business Analysten. Die IIBA baut ihr Zertifikatsprogramm ab September 2016 von zwei Stufen auf vier Stufen aus, sodass nun auch für Berufseinsteiger und sehr erfahrene Senior Analysten weitere Karriereoptionen neben den Standardzertifikaten CCBA und CBAP verfügbar sein werden. Bislang ist das CBAP Zertifikat (Certified Business Analysis Professional) als das Top-Zertifikat für Business Analyse global anerkannt, allerdings gibt es mit ca. 6.500 Zertifikatsinhabern immer noch recht wenige, die diese Prüfung abgelegt haben. Vergleicht man dies mit dem populärsten globalen Zertifikat für Projektmanagement, dem Project Management Professional (PMP), das mittlerweile über 700.000 Mal weltweit vergeben wurde, zeigt sich wie jung die Business Analyse noch ist. Das Project Management Institute (PMI) hat unlängst nun ebenfalls ein Zertifikat für Business Analyse herausgegeben, das PMI-PBA (Professional in Business Analysis), das vom Niveau her durchaus vergleichbar ist mit den IIBA Zertifikaten. Die hier zu erwartende Verbreitung ist sehr vielversprechend, wegen der großen Anzahl PMPs, die sich nun auch mehr und mehr intensiv mit Business Analyse beschäftigen.
Michael Schenkel: Sie empfehlen also Zertifikate der IIBA und des PMI, sprich zum Beispiel das CBAP Zertifikat oder das PMI-PBA Zertifikat?
Rainer Wendt: Stimmt, ich empfehle die globalen Standards nach PMI und IIBA. Die große, globale Verbreitung hilft Unternehmen und individuellen Personen gleichermaßen, sei es im Recruiting oder bei der Verbesserung der internen Prozesse.
Michael Schenkel: Wie viel muss man denn investieren, um ein solches Zertifikat zu erreichen?
Rainer Wendt: Eine schnelle Antwort lautet drei Monate für Zertifikate beider Assoziationen, IIBA und PMI. Die Kosten liegen bei 400 bis 500 Euro, das ist übrigens bei allen hier genannten Zertifikaten recht ähnlich. Wir haben mit Abstand die meisten CBAP in Deutschland erfolgreich auf ihre Prüfungen vorbereitet und kennen die Bandbreite der notwendigen Vorbereitungsstunden deshalb ziemlich gut, typischerweise zwischen 100 und 200 Stunden.
Michael Schenkel: Ich habe gesehen, dass Sie auch Kurse online anbieten. Wie sind denn da die Rückmeldungen der Teilnehmer?
Rainer Wendt: Neben dem klassischen Klassenraum-Formaten, die sowohl öffentlich als auch direkt in Unternehmen stattfinden, bieten wir seit ca. drei Jahren die Zertifikatsvorbereitungen auch online an. Hier sind Teilnehmer und Trainer per Webkonferenz zusammengeschaltet, typischerweise für 6 Termine a 3,5 Stunden, zum Beispiel jeweils Freitagsnachmittags. Das klappt erstaunlich gut und ist sehr interaktiv. Außerdem sparen alle Beteiligten Reisezeiten und –kosten. Viele Teilnehmer haben uns auch als Feedback gemeldet, dass die Aufteilung in sechs Module über sechs Wochen einen sehr guten Effekt auf das Lernen hat. Die Themen können sich besser einprägen, unterstützt durch Hausaufgaben, die die Teilnehmer anfertigen müssen, da sind wir sehr streng (lacht).
Michael Schenkel: Stimmt es, dass heute noch auf vielen Visitenkarten nicht Business Analyst, sondern bspw. Business Consultant, Business Development oder Unternehmensanalyst steht, inhaltlich aber dann doch Business Analyse damit verbunden wird?
Rainer Wendt: Ja, Business Analyse wird natürlich nicht nur von “amtlichen” Business Analysten ausgeführt, sondern ist in vielen Rollen der Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten. Zum Beispiel stehen Prozessanalysten vor exakt den Herausforderungen, für die der Business Analysis Body of Knowledge, kurz BABOK genannt, geeignete Vorgehensweisen bereithält. Das sind unter anderem das Verständnis des Unternehmensbedarfs, die Einbeziehung der Stakeholder, die Empfehlung geeigneter Lösungen oder das Bewerten von Prototypen und Teststellungen, um nur einige wichtige Themenkomplexe zu nennen. Es ist wohl sehr offensichtlich, dass mit diesen wichtigen Themen die unterschiedlichsten Rollen im Unternehmen befasst sind, vom Management bis zur IT.
Michael Schenkel: Als Präsident des IIBA Germany Chapters haben Sie bestimmt mit vielen Unternehmen Kontakt. Geben Sie uns bitte einen Tipp, auf was Unternehmen in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Projektmanagement und Business Analyse achten sollten.
Rainer Wendt: In meinen zig Industrieprojekten der letzten 30 Jahre, sowohl als Business Analyst als auch als Projektmanager, habe ich vor allem aus Fehlern und der Auswertung derselben gelernt. Ich kann ohne jeden Zweifel sagen, dass Projekte mit unpräzisen Zielen, unklaren oder instabilen Stakeholdersituationen und vor allem mit nicht präzise abgegrenzten Verantwortlichkeiten meistens auf kurz oder lang in Schieflage geraten oder sogar scheitern. Nehmen wir als geeignetes Werkzeug doch einfach mal die simple RACI Technik aus dem BABOK, hier als „Roles and Permission Matrix“ geführt. Richtig und konsequent angewandt, wirkt diese Technik Wunder, da sie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Rollen wie dem Business Analysten und dem Projektmanager klar regelt. Abschließend möchte ich noch den Tipp geben, jedes Projekt und jede Business Analyse Initiative individuell zu betrachten und die Vorgehensweisen immer wieder in Frage zu stellen, anzupassen und zuzuschneiden. Denn kein Projekt ist wie das andere, kein Stakeholder wie der andere, ein One-size-fits-all Vorgehen aus dem Handbuch passt meistens nicht.
Michael Schenkel: Danke für den Tipp. Und Danke für das sehr motivierende Gespräch.
Rainer Wendt: Danke ebenfalls und bis bald.
Hinweise:
Weitere Informationen zu Rainer Wendt und seiner Beratung zu Business Analyse und Projektmanagement finden Sie unter http://www.masventa.eu/. Informationen zum IIBA Germany Chapter finden Sie unter https://germany.iiba.org/.
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