Eine Fundgrube an Wissen: Business Analysis Body of Knowledge BABOK v3
“A bit like Columbo. You always have just ‘one more question’. And yes, it often seems like a dumb one. (It’s not.)”
Grund Nr. 6 aus “42 Reasons To Start a Business Analyst Career”¹ von Laura Brandenburg
Der Business Analyst – ein Detektiv, immer auf der Spur von, … ja, wovon eigentlich? Von Chancen, Problemen und Lösungen im Unternehmen. Und das Ziel? Die Welt des Unternehmens Schritt für Schritt besser machen. Die richtigen Fragen stellen, um den Bedarf zu erkennen, gut kommunizieren, um alle Beteiligten und Betroffenen ins Boot zu holen, die Strategie verstehen und die richtigen Anforderungen identifizieren, um gute Lösungen zu entwickeln – für all das braucht der Business Analytiker einheitliche Prinzipien, fundiertes Wissen und Kernkompetenzen. Genau das bietet BABOK v3, die im April 2015 erschienene Version 3 des Guide to the Business Analysis Body of Knowledge².
Wer hat’s erfunden?
Der BABOK Guide ist die Basis für die Zertifizierung zum Certified Business Analysis Professional CBAP nach IIBA, dem Internation Institute of Business Analysis. IIBA, 2003 in Toronto gegründet, ist eine Non-Profit Organisation mit inzwischen mehr als 28.000 Mitgliedern weltweit, die sich auf über 110 nationale Chapter aufteilen. Im neuen BABOK Guide stecken vier Jahre Arbeit von rund 150 Beteiligten aus 20 Ländern. 2014 hatten alle IIBA-Mitglieder für mehrere Monate Gelegenheit, den BABOK Guide online zu reviewen. 5.500 haben diese Möglichkeit genutzt.
Herausgekommen sind rund 500 Seiten voller Wissen, das Business Analytiker strategisch, taktisch und operativ unterstützen soll. Schauen wir diese Fundgrube an Wissen genauer an.
Die konzeptionelle Basis
Eine einheitliche Begriffswelt bildet den konzeptionellen Rahmen für die Arbeit der Business Analytiker. Sie ist im Business Analysis Core Concept Model (BACCM) zusammengefasst. Was sich dahinter verbirgt, erfahren Sie hier in 120 Sekunden:
Darüber hinaus bietet der BABOK Guide Klassifikationsschemata für Stakeholder und Requirements an. Damit lässt sich in einer Organisation und im Projekt leicht ein einheitlicher Sprachgebrauch etablieren.
Das Know-how
Voraussetzung für die Arbeit eines Business Analytikers sind grundlegende Kompetenzen wie analytisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungsfindung. Darüber hinaus benötigt ein Business Analytiker Wissen, um seine Aufgaben in einer Organisation oder einem Projekt erfüllen zu können. BABOK teilt dieses Wissen auf sechs Wissensgebiete (Knowledge Areas) auf, die Sie hier in der Übersicht sehen:
Die sechs Knowledge Areas im BABOK Guide
Übergeordnet sind Kenntnisse darüber, wie man Business Analyse plant und überwacht – also wie der Managementprozess der Business Analyse aussieht.
Der „rechte Arm“ des Business Analytikers ist das Wissen darüber, wie man Informationen erhebt und die Zusammenarbeit z.B. mit Stakeholdern organisiert und gestaltet. Der „linke Arm“ ist das Wissen über das Requirements Lebenszyklus Management. Dazu gehören das Verwalten der Requirements und das Änderungsmanagement.
Den „Korpus“ bilden die Wissensgebiete zur Analyse der erhobenen Informationen und zur Lösungsentwicklung: Das Wissensgebiet Strategie-Analyse beschreibt, was der Business Analytiker beherrschen muss, um mit Stakeholdern den strategischen Geschäftsbedarf zu ermitteln, der Voraussetzung für die Entwicklung einer Veränderungsstrategie ist. Requirements Analyse & Design Definition umfasst das Wissen des klassischen Requirements Engineering einschließlich der Entwicklung möglicher Lösungen. Ziel des Wissensgebiets Bewertung der Lösungen ist es, von Lösungsoptionen zu Lösungen zu gelangen.
Alle Wissensgebiete gliedern sich in jeweils vier bis sechs Aufgaben (Business Analysis Tasks). Insgesamt beschreibt der BABOK Guide 30 verschiedene Aufgaben. Alle Aufgaben sind nach einem einheitlichen Schema stichpunktartig und gut verständlich erläutert. Jede Aufgabe besitzt eine kurze Beschreibung, eine Darstellung ihres Zwecks, eine Auflistung ihrer Ein-/Ausgaben und ihrer Detailschritte. Hinzu kommen anleitende Regeln, Informationen über unterstützende Tools und Techniken und eine Übersicht der einzubindenden Stakeholder. Alle unterstützenden Techniken – von Acceptance und Evaluation Criteria, Backlog Management, Balance Scorecard bis User Stories, Vendor Assessment und Workshop (insgesamt sind es 50!) – werden ebenfalls einzeln erläutert.
In welche Aufgaben die sechs Wissensgebiete unterteilt sind, erfahren Sie im Schnelldurchlauf im nachfolgenden Film:
Die richtige Perspektive
Der BABOK Guide ist kein Kochbuch. Er beschreibt auch keinen Prozess, dem man einfach nur folgen muss, um erfolgreich zum Ziel zu kommen. Er ist vielmehr eine Sammlung von Instrumenten, die man situationsgerecht auswählt und einsetzt. Was macht man, wenn diese Standard-Instrumente nicht passen? Dieser Fall kann eintreten, wenn die Business Analyse einen sehr speziellen Schwerpunkt hat.
Nun, dann muss man auf die Wissensgebiete und die darin definierten Aufgaben aus einer ganz spezifischen Perspektive schauen. Das kann dazu führen, dass man zum Beispiel über die Besetzung der Rolle des Business Analytikers neu nachdenken oder andere als die vorgeschlagenen Tools und Techniken herausziehen muss.
Für fünf – von sicher noch viel mehr möglichen – Perspektiven bietet der BABOK Guide eine Anpassung der Wissensgebiete an. Diese Perspektiven sind: Business Analyse im agilen Umfeld, Business Intelligence, Informationstechnologie, Business Architecture (Geschäftsarchitektur) und Business Process Management (Geschäftsprozessmanagement).
Zum Beispiel Business Analyse im agilen Umfeld
Business Analytiker müssen im agilen Umfeld zum einen gewährleisten, dass agilen Teams alle Informationen, die sie brauchen, zur rechten Zeit und im richtigen Detaillierungsgrad vorliegen. Zum anderen müssen sie ihr Handeln immer wieder überprüfen, an die Gegebenheiten anpassen und ihre Ergebnisse zu einem Zeitpunkt abliefern, der es erlaubt, flexibel auf Veränderungen zu reagieren.
Aber wer macht in agilen Teams eigentlich Business Analyse? Nach BABOK können Business Analytiker als Teil des Teams, der Product Owner oder einzelne Teammitglieder diese Rolle übernehmen. Sie arbeiten eng mit verschiedenen Stakeholdern zusammen und entwickeln aus der Produktvision eine priorisierte Liste (Backlog) mit Arbeitseinheiten. Priorisiert wird immer nach dem größten Wert, den eine Einheit schaffen kann.
Geliefert werden Produktinkremente. Und das möglichst schnell, damit die Stakeholder durch permanentes Feedback zur kontinuierlichen Verbesserung der Lösung beitragen können. Die Akzeptanz der Stakeholder ist die Motivation des agilen Teams. Der Business Analytiker definiert mit den Stakeholdern die Akzeptanzkriterien und stellt sicher, dass das Projekt die Ziele und den Bedarf der Organisation erfüllt.
Im BABOK Guide werden die sechs Wissensgebiete noch einmal aus agiler Sicht kurz beschrieben und passende Techniken angeführt. Wer sich noch eingehender mit Business Analyse aus der agilen Perspektive beschäftigen möchte, kann zusätzlich die „Agile Extension to the BABOK® Guide“3 nutzen.
Die folgende Übersicht zeigt, welche agilen Methoden im BABOK Guide genannt sind und welche Techniken speziell für agiles Vorgehen vorgeschlagen werden.
Agile Extension to the BABOK Guide
Das Fazit
Ich denke, Sie haben es längst bemerkt. Mir gefällt das, was IIBA mit dem BABOK Guide v3 vorgelegt hat: Das für die Business Analyse notwendige Wissen ist darin gut strukturiert und umfassend abgebildet. Die Wissensgebiete kombinieren Bewährtes mit zukunftsweisenden Aspekten. Das Wissen ist adaptierbar für unterschiedliche Kontexte. Agiles Vorgehen wird in recht großem Umfang berücksichtigt, was der gängigen Praxis vieler Unternehmen entspricht. Wer den BABOK Guide v3 nicht als Prozessmodell missversteht, sondern als Handlungsratgeber, wird ihn als Grundlage für eine mögliche Zertifizierung, aber vor allem in der täglichen Projektarbeit schätzen.
Hinweise
[1] Laura Brandenburg: 42 Reasons To Start a Business Analyst Career, 2012.
[2] BABOK v3 – A Guide to the Business Analysis Body of Knowledge, IIBA, Toronto, 2015
[3] Agile Extension to the BABOK Guide, Version 1.0, IIBA, Toronto, 2013
Diskutieren Sie mit.