Design Thinking
Alle klagen über das Fehlen von neuen, innovativen Ideen. Eine mögliche Lösung bietet die Design Thinking Methode. Diese bedient sich einer gemeinsame Sprache und fordert zum ganzheitlichen Denken auf. Die notwendigen Zutaten: Viel Empathie für den Nutzer und Erfahrungswissen aus verschiedenen Disziplinen.
In dieser komplexen und sich schnell verändernden Welt wird der Druck für Unternehmen immer größer. Es zählen nur Return on Investment und die Erreichung der Geschäftsziele, aber einer der wichtigsten Faktor innerhalb und außerhalb des Unternehmens wird oft vergessen: Der Kunde. Genau hier setzt Design Thinking an: In Wiederholungen nähert man sich der bestmöglichen Lösung für Kunden und/oder Nutzer, generiert dabei Wissen für sich und andere, um am Ende ein erfolgversprechendes und getestetes Produkt oder Dienstleistung präsentieren zu können. Design Thinking strebt danach, die Erfahrung des Kunden mit der entwickelten Lösung zu optimieren.
Was genau ist Design Thinking?
In Wahrheit hat Design Thinking wirklich nur am Rande etwas mit Design zu tun. Die Bedeutung des Wortes ergibt sich aus seinem Herkunftsland, Amerika. Seit 1991 existiert Design Thinking dank der Design- und Innovationsagentur IDEO als etablierter Ansatz. Als wichtigster Unterstützer gilt Hasso Plattner, Gründer von SAP, der die Forschung und Umsetzung durch das 2005 gegründete Hasso Plattner Institute of Design, der sogenannten „d.school“ in Stanford, vorantreibt. Dabei geht es bei dieser Methode nicht um das Aussehen, sondern um die Funktion und Wirkung von Dingen und Prozessen. Das kann zum Beispiel ein Verkaufsgespräch genauso wie die Eigenschaften eines neuen Produkts sein.
Design Thinking ist ein offener Prozess mit unbekanntem Ergebnis. In einer lockeren Abfolge von verschiedenen Phasen mit jeweils unterschiedlichen Techniken aus diversen Disziplinen wird die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Problemlösungen in komplexen Umfeldern erhöht. In der ersten Hälfte des Design-Thinking-Prozesses liegt dabei der Fokus ganz klar auf der Nutzerperspektive: Durch Verstehen, Beobachten und Analysieren werden die wahren Bedürfnisse des Nutzers offen gelegt.

Perspektivwechsel beim Design Thinking
Erst in der zweiten Hälfte wird über das erkannte Problem nachgedacht und gemeinsam überlegt, wie Bedürfnisse bedient werden können. Nach einer Ideenfindungsphase wird die am besten geeignete Idee als Prototyp umgesetzt und an den Nutzer zum Testen weitergegeben. Sein Feedback ist Basis für die weitere Vorgehensweise: Wenn es irgendwo hakt oder klar wird, dass etwas vergessen oder übersehen wurde, kann problemlos erneut in eine beliebige vorherige Phase des Prozesses eingestiegen werden. Der Auftrag ist dabei immer, dass das Problem wirklich nutzerorientiert gelöst wird. Dabei kann es durchaus passieren, dass es besser ist, die erste Lösung komplett zu verwerfen und mit dem neu generierten Wissen weitere Ideen zu entwickeln.
Vorbereitung der Design Challenge
Aber zurück an den Start. Wie sieht so ein Design-Thinking-Prozess nun in der Praxis aus? Bevor Sie überhaupt mit dem Prozess starten, müssen Sie ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen Abteilungen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Wissen zusammenstellen, einen passenden Raum finden und die zu lösende Aufgabe formulieren. Letzteres, die sogenannte Design Challenge, gibt zwar die Richtung an, soll aber trotzdem so formuliert werden, dass sie auf keinen Fall mögliche Lösungen einschränkt. So ist die Challenge “Wie muss eine App aussehen, damit der Kunde unser Produkt gekauft?” schon viel zu eng. Eventuell will der Kunde/Nutzer gar keine App oder sie ergibt keinen Sinn, weil die Zielgruppe bei den über 60jährigen liegt, die eher selten Apps verwenden. Offener wäre zum Beispiel eine Fragestellung wie „Wie können wir unseren Kunden ein besseres Einkaufserlebnis bieten?“. Eine App kann durchaus eine mögliche Lösung sein, aber der Fokus liegt nicht darauf und so wird der eigene Blick auf mögliche andere Wege erweitert.
Mit der Design Challenge ist nun Richtung und Rahmen definiert: Es geht um das Bedürfnis, dass sich der Kunde sicher, wohl und verstanden fühlt. Das Wort „Erlebnis“ macht deutlich, dass der Kunde einer neuen Erfahrung im Einkaufsprozess gegenüberstehen soll und auch, dass eher Situationen beleuchtet werden müssen, in denen der Kunde Zeit und Lust bekommt, um sich mit dem Produkt/der Dienstleistung näher auseinandersetzen zu können.
Lassen Sie uns nun Schritt für Schritt das Erlebnis kreieren:
1) Verstehen
In der ersten Phase steht der Wissensaustausch der verschiedenen Teammitglieder im Mittelpunkt. Nachdem das Team interdisziplinärer Natur ist und verschiedenes Wissen und Erfahrungen hat, werden zunächst Rückfragen zur Design Challenge gestellt. Erste Wissenslücken werden sichtbar, die im nächsten Schritt mit Hilfe von Recherche und der Beobachtung des Verhaltens des realen Kunden gefüllt werden.
2) Beobachten
Die zweite Phase steht ganz im Zeichen der Empathie: Der Kunde wird in seinem Verhalten beobachtet, seine Bedürfnisse mittels Interviews erfragt und die Teilnehmer versetzen sich bewusst in seine Lage. Dazu können sie Beobachtungen anstellen (in unserem Beispiel könnten die Teammitglieder ans Ort des Geschehens, zum Beispiel in den Supermarkt gehen, dort das Verhalten ihres Zielobjektes erkunden, die Leute vor Ort gleich befragen und beginnen zu verstehen, warum der Kunde so und nicht anders einkauft).
3) Sichtweise definieren
Diese ganzen Eindrücke müssen nun gesammelt, sortiert, verdichtet, analysiert und priorisiert werden. Die daraus gewonnenen Aha-Erlebnisse und -Momente, neuen Informationen und Einsichten werden dazu mit allen Teammitgliedern geteilt und bearbeitet. In diesem Schritt wird möglichst visuell und mit wenig Text gearbeitet. Fotos und mitgebrachte Gegenstände helfen, die Geschichten, Erkenntnisse und Erlebnisse für alle greifbar und sichtbar zu machen. Ergebnis dieser Phase ist der sogenannte „Point of view“ – also die Definition des Kunden, seine Bedürfnisse und wichtige Erkenntnisse aus den vorherigen Phasen. Die Antwort wird dann so formuliert: „Wie können wir <Kunden> helfen, dass er/sie <Ziel> erreicht und wir dabei gleichzeitig sein/ihr <Bedürfnis> berücksichtigen?”
4) Ideenfindung
Es ist soweit, Phase vier lässt uns wieder in gewohnten Lösungen denken. Mit verschiedenen Kreativitäts- und Brainstorming-Techniken werden möglichst schnell und ohne viel nachzudenken unzählige Ideen produziert. Um das zu meistern, gilt es einige Regeln zu beachten: Kritik ist unerwünscht, dafür sind vor allem ausgefallene Ideen willkommen, das Rad muss nicht neu erfunden werden – existierende Ideen sollten lieber ausgebaut werden etc. Ist die Luft mal draußen, helfen Fragen wie „Was würde Superman tun?” gleich wieder in die richtige Richtung. Die Ideen aus dieser Phase werden in Themenkreise geclustert. Es kann Gruppen geben für die hilfreichsten Ideen für den Nutzer, die am schnellsten umsetzbaren Ideen, die radikalsten Ideen etc.
5) Prototyping
Damit der Nutzer entscheiden kann, welche Idee ihm tatsächlich am besten gefällt (und nicht, was für das Unternehmen am einfachsten und sinnvollsten zum Umsetzen erscheint!), werden die Lösungsansätze erlebbar gemacht. Prototypen helfen dabei, die gesamte Idee oder einzelne Funktionen sicht- und greifbar zu machen. Dazu lassen die Teilnehmer ihrer Fantasie freien Lauf, indem sie aus Legosteinen Welten bauen, Plakate und Werbungsslogans entwerfen, Rollenspiele aufführen, mittels Plastillin Produkte herstellen, Filme drehen usw. Wichtig dabei ist nur, dass nicht geredet, sondern gebastelt, gemalt, ausprobiert, einstudiert, gezeichnet etc. wird und der Prototyp einen unfertigen Eindruck macht. Erst dadurch wird der Kunde in der Lage sein, ehrliches Feedback zu geben, das sich alleine auf die Funktionalität und nicht auf die Ästhetik bezieht. Auch macht ein improvisierter Prototyp es allen Beteiligten einfacher bei Bedarf ihn vollkommen zu verwerfen.
6) Test
Nun ist der Kunde an der Reihe: Ihm wird der Prototyp kurz und knapp mit den wichtigsten Eckpunkten vorgestellt. Seine Aufgabe ist es den Prototypen auf Herz und Nieren zu untersuchen und auszuprobieren, was das Zeug hält. Und die Aufgabe des Teams? Feedback nicht als Kritik, sondern als wirkliche Hilfestellung annehmen und gleich einbauen.
Iteration im Design Thinking
Das Feedback aus den Tests gibt dem Team die Möglichkeit in jede vorhergegangene Phase wieder einzusteigen und so eine noch passendere Lösung zu generieren. Wird der Prototyp vollkommen verworfen, gibt der Ideenspeicher eine neue Idee her. Der Design-Thinking Prozess kann auch mehrmals durchlaufen werden. Am Ende winkt dafür eine wünschenswerte, realisierbare und wirtschaftlich sinnvolle Lösung.
Umsetzung Design Thinking
Das Wissen aus dem Design-Thinking-Prozess wird so übergeben, dass Produkte hergestellt, Software programmiert und Dienstleistungen und Prozesse umgesetzt werden können. Das ist aber nun nicht mehr die Aufgabe vom Design Thinking Berater, sondern die der Umsetzungsspezialisten.
Fazit
Design Thinking ist viel mehr als eine von vielen Methoden, um Lösungen für Probleme zu finden: Es ist eine Haltung, in der es um Achtsamkeit gegenüber der Außenwelt geht, um einen Perspektivenwechsel und um Vertrauen in die eigene Lösungsfähigkeit. Die Methode beinhaltet ein Set von Techniken zur disruptiven Innovation von Dienstleistungen, Produkten, aber auch von Organisationen. Wie Sie mit Design Thinking zu neuen Lösungsansätzen finden, erfahren Sie am besten, indem Sie es selber ausprobieren und entdecken.
Wenn Sie neugierig geworden sind, lade ich Sie herzlich ein, sich auf meiner Homepage www.designthinking-wien.at noch ein wenig umzusehen. Ich freue mich auf jeden Fall von Ihnen zu hören.
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