OKRs – Ziele und Ergebnisse fürs neue Jahr

by | 09.12.2019 | Requirements Engineering

Haben Sie schon Ziele fürs neue Jahr? Sich Ziele zu setzen und das Erreichen dieser Ziele zu messen, dafür gibt es eine viel beachtete Methode mit dem Namen OKR (Objectives and Key Results), die von Unternehmen aus dem Silicon Valley wie Intel, Google, Uber, Spotify, Airbnb etc. praktiziert wird und vor ein paar Jahren über den großen Teich zu uns geschwappt ist. Als Erfinder von OKR gilt Andrew Grove, der 1983 in seinem Buch High Output Management beschrieben hat, was er darunter versteht. Dieses Konzept wandte Grove bereits Mitte der 70er Jahre bei Intel an und reichte es unter anderem weiter an John Doerr, der es später bei Google vorgestellt hat. Über Googles Erfolg mit OKR wurde inzwischen ausgiebig berichtet. Vielfach wurden OKRs als Googles Wunderwaffe[1] bezeichnet oder als Treiber für die Entwicklung von Chrome unter Sundar Pichai, dem neuen Chef des Dachkonzerns Alphabet.

Objectives and Key Results: Warum? Was? Wie?

Natürlich wären alle gerne so erfolgreich wie Google. Und schließlich fragt sich ein jeder, wie aus einer kleinen Garagenfirma zweier Studenten die wichtigste Suchmaschine der Welt wird. Laut John Doerr ist das Geheimnis hinter diesem Erfolg OKR, nämlich klar definierte Ziele und messbare bzw. überprüfbare Schlüsselergebnisse. In einem beeindruckenden TED-Talk aus dem Jahr 2018[2] erklärt Doerr, wie man die richtigen Ziele aus den richtigen Gründen findet.

Dafür muss man sich zuerst klar werden, warum etwas erreicht werden soll. Mit anderen Worten: das Ziel muss sinnstiftend sein für alle, die daran mitwirken, es zu erreichen. Ziele sind nach seiner Definition: bedeutsam, handlungsorientiert, inspirierend und etwas wie eine Impfung gegen verschwommenes Denken. Wenn man also genau weiß, was (welches Ziel) man erreichen will, kann man sich um das Wie (die Schlüsselergebnisse) kümmern. Gute Ergebnisse sind mit seinen Worten: spezifisch und zeitgebunden, aggressiv, aber realistisch, messbar und überprüfbar. Oder mit dem Zitat von “Andy” Grove ganz einfach zu messen:

Am Ende können Sie zweifelsfrei sagen: „Habe ich das getan oder nicht?“ Ja. Nein. Einfach.

Die Ziele, die Doerr in seinem TED-Talk als Beispiele vorstellt, zeigen, dass Objectives nicht einfach nur subjektive Unternehmensziele (wie etwa Umsatz- oder Produktivitätssteigerung) sind, sondern viel universaler und in gewisser Weise visionär sein müssen, damit sie überhaupt eine solche enorme Antriebskraft entwickeln können. Er macht sie am Ende seiner Rede mit folgendem Bild noch einmal greifbarer:

Ich stelle mir OKRs wie durchsichtige Behälter vor, die aus dem Was und Wie unseres Ehrgeizes gemacht sind. Es zählt das “Warum”, das wir in diese Behälter schütten. Also warum wir unsere Arbeit machen. OKRs sind keine Wunderwaffe. Sie werden kein Ersatz für eine starke Kultur werden oder für eine starke Führung. Aber wenn diese Grundlagen gelegt sind, können sie einen an die Spitze bringen.

Für die Formulierung von OKRs hat John Doerr eine Formel geprägt. Ähnlich wie die Satzschablone für User Stories dient sie der Konkretisierung des Ziels. Sie lautet:

Ich werde (Ziel), gemessen an (Satz von Schlüsselergebnissen)

Genauso wichtig wie die Akzeptanzkriterien einer User Story sind hier die quantifizierbaren und dadurch wirklich messbaren Schlüsselergebnisse. Eine Anzahl von 2-5 solcher Key Results ist ideal. An mehr würde man sich sowieso nicht erinnern.

Kernkonzepte von OKR

OKRs werden bei Google auf unterschiedlichen Ebenen aufgestellt. Es gibt Unternehmensziele, Abteilungsziele, Teamziele und individuelle Ziele. Das bedeutet aber nicht, dass die feingranulareren Ziele immer nur Top-Down abgeleitet werden. Im Idealfall zahlen über die Hälfte der Ziele Bottom-Up in die Unternehmensziele ein. Um diesen Aufstieg von Ideen zu ermöglichen, gibt es in regelmäßigen Abständen Vorschläge von einzelnen Mitarbeitern, die 1:1 mit Teamleitern verhandelt werden und so aufwärts in die Unternehmensziele einfließen. Nur so ist eine hohe Motivation möglich. Wenn die Individuen sehen, dass sie aktiv am großen Ganzen mitwirken.

Damit die Zusammenhänge der Ziele auf den unterschiedlichen Ebenen jedem klar sind, müssen sie außerdem transparent sein. Im besten Fall kann man jeden Mitarbeiter nachts wecken und er kann die Ziele auswendig aufsagen. Genau deshalb müssen sie auch als einfache Formel definiert und veröffentlicht sein.

Ziele sind veränderbar, d.h. sie werden in kurzen Zyklen überprüft und – wenn nötig – angepasst. Insofern werden sie als agil bezeichnet. Um diese Überprüfung vornehmen zu können, braucht es eine Taktung, auf Englisch „nested cadence“ genannt. Die Verschachtelung (nested) verhindert, dass bei sehr kurzen OKR-Zyklen das Big Picture in Vergessenheit gerät. Daher kann eine Unterscheidung in strategische und taktische Ziele sinnvoll sein. Die strategischen Unternehmensziele sollten über einen längeren Zeitraum (z. B. 1 Jahr) Bestand haben als taktische Ziele, die Teams innerhalb eines Quartals erreichen wollen. Während des Quartals könnte man dann noch eine weitere Taktung von einer Woche einführen, um regelmäßig den Fortschritt der OKR Realisierung auf Teamebene zu checken.

OKR-Zyklus

So könnte ein OKR-Zyklus kombiniert mit Reviews und Retrospektiven aus agilen Methoden aussehen.

 

Diese Unterscheidung in konstante und ungewisse Ziele empfiehlt auch Amazon-Gründer Jeff Bezos. Er erzählt in einem Interview, immer wieder danach gefragt zu werden, was sich in den nächsten 10 Jahren wohl ändern wird. Aus seiner Sicht ist die viel interessantere Frage, was sich nicht ändern wird. Denn darin sollte man investieren. In seinem Fall ist das, darauf aufzubauen, dass Kunden niedrige Preise, schnelle Lieferungen und ein breites Angebot haben wollen. [3]

Und wie wird bei Google der Erfolg von OKR bewertet? In den Teams gibt es ein wöchentliches, maximal einstündiges Check-In zur Standortbestimmung. Bei diesem Meeting bewertet das Team den eigenen Fortschritt, bespricht Hindernisse und macht Prognosen, ob es schafft, was es sich vorgenommen hat. Öffentlich werden die Ziele der Teams dann quartalsweise mit Noten auf einer Skala von 0 – 1.0 evaluiert. Ziele sollen zu 60-70% oder mehr erreicht werden. Sind sie nur zu 40% oder weniger erfolgreich umgesetzt, werden sie nicht unverändert weiterverfolgt. Man könnte nun annehmen, dass diese öffentliche Zurschaustellung von Ergebnissen ein Instrument zur Bewertung von Teams ist. In sämtlichen Beschreibungen der Methode wird aber ausdrücklich betont, dass das nicht Sinn und Zweck der Maßnahme ist. Vielmehr soll sie der Orientierung und Einschätzung dienen. Zeigen, ob Ziele überhaupt richtig gewählt wurden und sich positiv auf übergeordnete Ziele auswirken.

Zusammenfassend kann man sagen, OKRs brauchen diese Eigenschaften:

  • bidirektional (Bottom-Up und Top-Down)
  • transparent
  • einfach
  • agil
  • verschachtelt getaktet
  • entkoppelt von Belohnung
  • ambitioniert

Moonshots und Roofshots

Der letzte Punkt der Eigenschaften-Liste ist besonders interessant. Ziele sollen ambitioniert sein. Bei Google peilt man in der sogenannten „X-Moonshot Factory“ Ziele an, die in Reichweite des Mondes sind.

Warum setzt man sich bei Google absichtlich schier unerreichbare Ziele? Um Mitarbeiter aus der Komfortzone zu holen, über sich hinaus zu wachsen und dadurch disruptiven Technologien den Weg zu bereiten. Aber sind ambitionierte Ziele ein Garant für Erfolg? Das wäre schön, aber auch ziemlich oft zum Scheitern verurteilt. Im Roofshot Manifesto des Google Fellows Luiz André Barroso steht, dass auch Google nicht immer nur den Mond im Visier hatte, sondern vielmehr die konstante, iterativ-inkrementelle Weiterentwicklung der Produkte die Basis für solche Mondschüsse bildet. Er nennt diese stetigen Weiterentwicklungen „Roofshots“ und beschreibt sie als ausdauerndes und hartnäckiges Bestreben, sich immer weiter zu verbessern. Sein Erfolgsrezept liest sich so:

Träume große Träume; dann geh am nächsten Morgen zur Arbeit und setze Dich unerbittlich und schrittweise daran, sie wahr werden zu lassen. [4]

Vielleicht ist dieser Rat oder die OKR Methode eine gute Inspiration für Ihre Zielsetzung im neuen Jahr?

Objectives kann man übrigens mit unserer namentlich passenden Software objectiF RPM bestens erfassen, verfeinern, modellieren, transparent machen und nachvollziehen. Laden Sie sich einfach Ihr kostenloses 30-Tage Trial herunter und probieren Sie es aus. Konfigurieren Sie sich außerdem ein Formular für Doerr’s Formel oder lernen Sie hier Zieldiagramme und deren Nutzen kennen.

Wenn Sie noch genauer erfahren möchten, wie Google OKR einsetzt, empfehle ich Ihnen das Video: How Google sets goals: OKRs

[1] https://t3n.de/news/okr-google-wunderwaffe-valley-ziele-530092/

[2] https://www.ted.com/talks/john_doerr_why_the_secret_to_success_is_setting_the_right_goals/transcript?language=de

[3] https://felipecastro.com/en/blog/jeff-bezos-advice/

[4] https://rework.withgoogle.com/blog/the-roofshot-manifesto/