Was ist ein MVP – Minimal Viable Product?

MVP. Das minimal funktionsfähige Produkt.

Wie testet man per MVP ein neues Geschäftsmodell? Wie minimiert es Kosten und Risiken? Was ist der Unterschied zum Prototyp?

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Die sogenannte Customer Delight Pyramid (Pyramide zur Kundenbegeisterung) setzt sich aus Anforderungen bezüglich Funktionalität, Verlässlichkeit, Benutzbarkeit und überzeugendem Design zusammen. Die Funktionalität bildet natürlich das Fundament, weiter oben sind Begeisterungsfaktoren angesiedelt.

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Zur Erstellung eines Minimum Viable Products wird eine möglichst dünne Scheibe mit den erfolgversprechendsten Eigenschaften aller Schichten ausgewählt und realisiert. Dieses Vorgehen ist kostengünstig und risikoarm. Wichtig ist, dass das MVP den Business Case trotzdem repräsentiert, weil nur so ein Test zur Validierung des Geschäftsmodells erfolgen kann.

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Ein Minimum Viable Product wird dann potenziellen Nutzern präsentiert. Deren Feedback entscheidet über die Weiterentwicklung des Produkts.

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Das MVP durchläuft n weitere Iterationen durch den Lernzyklus: Bauen - Messen - Lernen.

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Ein erstes marktreifes Produkt, das sogenannte Minimum Marketable Product (MMP) kommt real auf den Markt. Die Nachfrage und das Feedback von Käufern geben dann den Impuls für die Weiterentwicklung.

Ein MVP (Minimum Viable Product) ist die kleinste Form, in der ein Produkt für potenzielle Kunden einen Nutzen bietet. Es wird entwickelt, um Innovationen auf ihren Wert zu testen. Die Konzentration auf den minimalen Umfang dient dazu, Risiken einer Fehlentwicklung zu reduzieren und Kosten zu Beginn möglichst gering zu halten. Erst wenn einem MVP echter Anwendernutzen nachgewiesen wird, startet eine iterative Weiterentwicklung hin zu einem Maximum Viable Product. Es kursieren auch Abwandlungen des Begriffes wie Minimum Valuable Product oder Minimum Loveable Product, die die Begeisterung von der Grundidee eines neuen Produkts, eines neuen Services oder eines neuen Geschäftsmodells noch stärker zum Ausdruck bringen sollen. Der Begriff Minimum Viable Product wurde ursprünglich 2001 von Frank Robinson geprägt und später von Steve Blank und Eric Ries weiter verbreitet. Über das Buch The Lean Startup von Eric Ries von 2011 fand der Begriff vor allem in der Gründerszene weltweite Verbreitung.

Eric Ries in The Lean Startup

Das Minimum Viable Product ist diejenige Version eines neuen Produkts, die es einem Team ermöglicht, mit dem geringsten Aufwand ein Maximum an validierten Erkenntnissen über die Kunden zu sammeln.

Der Lernzyklus mit dem Minimum Viable Product

Ein Minimum Viable Product minimiert die Zeit in der Feedback-Schleife: Bauen – Messen – Lernen. Am Beispiel von Software wiederholt sich folgender Ablauf: Aus Ideen wird mit einfachen und schnellen Mitteln (z.B. Open Source, Sandbox, Code-Refactoring) Code entwickelt. Das Ergebnis (MVP) liefert (z.B. per Usability Tests, Kohorten-Analyse, Search Engine Marketing etc.) Daten, aus denen (z.B. per Kundeninterviews, Smoke Tests, Falsifizierbarkeitshypothesen etc.) gelernt wird, wie die anfänglichen Ideen verändert werden müssen, um ein noch besseres Ergebnis zu liefern. Damit startet der nächste Durchlauf durch den iterativen Loop.

Hypothesen zu neuen Geschäftsmodellen können mithilfe von MVPs früher validiert werden, was den gesamten Lernzyklus verkürzt. Denn MVPs liefern Daten, auf deren Grundlage die Weiterentwicklung eines Produkts erfolgt oder eben nicht. Schafft ein MVP keinen Wert für potentielle Kunden, ist die zugrundeliegende Geschäftsidee zweifelhaft. Das Wertversprechen (Value Proposition) wurde nicht erfüllt. Durch diese frühe Erkenntnis und ein entsprechendes Umsteuern können weitere Fehlentwicklungen vermieden werden. Insofern ist das MVP ein wichtiges Mittel für die Umsetzung des 3. und 5. Prinzips der Lean Startup Methode.

Die 5 Lean Startup Prinzipien

 

1. Unternehmergeist ist überall

2. Unternehmerische Initiative braucht Management

3. Lernen durch Prüfen (Prüfgegenstand ist ein MVP)

4. Buchführung über Innovation

5. Bauen – Messen – Lernen (MVPs minimieren die Durchlaufzeit)

MVP Prozess

Steve Blank im Video Getting the MVP Right

MVPs sind kleine Experimente vor Kunden. Ein MVP ist keine abgespeckte Version eines großen Produkts, sondern eine Abkürzung zum Lernen und zur Überprüfung des Product-Market Fit.

MVP und agile Entwicklung

Ein MVP ist das Ergebnis einer parallel verlaufenden Produkt- und Kundenentwicklung, die einer der Begriffsbegründer Frank Robinson als “synchrone Entwicklung” bezeichnete. MVPs dienen der Synchronisierung von Angebot und Nachfrage, denn beides verändert sich rasant in Zeiten von VUKA. Insofern passt das MVP-Konzept sehr gut zu iterativ, agiler Entwicklung. Auch dort wird per Sprint Review immer wieder Feedback von Stakeholdern eingeholt und Ergebnisse werden in kurzen Zyklen wiederholt auf deren Wertstiftung hin überprüft.

Bei Scrum nennt man diesen empirischen Lernzyklus Inspect and Adapt (Prüfen und Anpassen). MVPs kommen zwar nicht als Begriff bei Scrum vor, könnten aber frühen Produktinkrementen entsprechen. Der Product Owner ist laut Scrum Guide für die Wertmaximierung der Entwicklung verantwortlich und sorgt dafür, dass im Product Backlog zur Entwicklung eines MVP Items sind, die den größten Kundennutzen beinhalten. Das heißt, dass dem Product Owner bei der Entwicklung eines MVPs eine große Bedeutung zukommt. Ist das MVP erfolgversprechend, wird es in weiteren Sprints iterativ, inkrementell verbessert und immer wieder von den Stakeholdern in Reviews evaluiert.

Das MVP-Konzept ist also eher ein Prozess als ein Produkt und findet sogar auf Feature-Ebene Anwendung. Wenn ein bestimmtes Feature sehr komplex oder teuer zu entwickeln ist, kann man es mithilfe eines Minimum Viable Features (MVF) testen. Das MVF muss dann natürlich von potentiellen Kunden ausprobiert werden. Dadurch erhaltenes Feedback vereinfacht die Entscheidung, ob das Feature realisiert werden sollte.

Verspricht ein initiales MVP Wert, entwickelt man es so weiter, dass es in einer ersten Version released werden kann. Um dem schnellen technologischen Wandel stand zu halten, sollte man sich dabei auf die Funktionen konzentrieren, die einen echten Mehrwert für Nutzer bieten. Ein solches erstes markfähiges Produkt wird als Minimum Marketable Product (MMP) oder Minimum Sellable Product (MSP) bezeichnet. Es verringert die Time-to-Market und überprüft die Kaufbereitschaft der Kunden. Wenn sich ein MMP dennoch als Flop entpuppt, weil es keine Käufer findet, holt man sich erneut Feedback vom Markt, um die Produktentwicklung dementsprechend neu auszurichten. Ein “Fast Fail” spart in jedem Fall Zeit und Geld.

MVP und MMP mit objectiF RPM

Mapping der Beziehungen zwischen geplanten Features, MVP, MMP mit objectiF RPM.

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objectiF RPM

Minimum Viable Product versus Prototyp

Sich früh Feedback von Anwendern zu holen, gilt als die Lösung gegen kostspielige und dadurch riskante Entwicklungen, die keiner will. In diesem Punkt stimmen viele agile Methoden überein. Je nach Branche (Softwareentwicklung, Webentwicklung, Hardwareentwicklung, Produktentwicklung) gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen frühen Feedback-Generatoren: MVP, Prototyp, Pretotyp, Proof of Concept, Wireframe, Pilot, Mock-Up und viele andere mehr. Das Besondere am MVP ist, dass es kein Versuchsballon ist, sondern real nutzbar sein muss und dadurch echte Daten erzeugt. Das wird auch an der Gegenüberstellung von MVP und Prototyp klar:

MVP

Muss real nutzbar sein

Ist nachhaltig, indem es weiterentwickelt wird

Erfasst quantitatives Feedback (Zahlen, Business Value)

Ist kommerziell

Prototyp

Kommt nicht live zum Einsatz

Ist ein Modell, das entsorgt werden kann

Sammelt qualitatives Feedback (Meinungen)

Ist nicht kommerziell, sondern testet Machbarkeit, Design etc.

Frank Robinson, SyncDev Process, Tools and Services

Technisch gesehen ist es (das MVP) das Produkt mit maximalem Return On Investment (ROI) geteilt durch das Risiko.

Beispiele für Minimum Viable Products

Zappos

Zappos ist ein Online-Einzelhändler mit über 50.000 Bekleidungsartikeln im Angebot und einem Jahresumsatz von 1 Mrd. US-Dollar. 2009 wurde Zappos von Amazon für 850 Mio. Dollar gekauft. Zappos Gründer Nick Swinmurn hatte 1999 die Idee, online Schuhe zu verkaufen. Um seine Geschäftsidee zu validieren, ging er mit einer Kamera in ein Einkaufszentrum vor Ort, fotografierte dort Schuhe, stellte sie auf einer Website zum Verkauf ein, kaufte und versendete die Schuhe, sobald ein Kunde online gekauft hatte. Mit diesem MVP probierte er aus, ob es eine Nachfrage für einen Online-Schuh-Shop gibt.

Dropbox

Dropbox Gründer Drew Houston, war überzeugt davon, dass die blitzschnelle Synchronisation von in der Cloud gespeicherten Dokumenten echten Wert liefert. Doch leider glaubten die Investoren nicht an sein Wertversprechen und ein Prototyp war wegen der technischen Komplexität und der Online-Service-Komponente nicht schnell und einfach realisierbar. Deshalb drehte er ein dreiminütiges Video, in dem er die Technologie als schon real existierend demonstriert. Sein MVP. Nach sehr kurzer Zeit hatte er 75.000 Anfragen von Early Adopters auf seiner Beta-Warteliste und wusste, dass es einen Markt für Dropbox gibt.