„Dies ist Deine letzte Chance. Danach gibt es kein Zurück. Schluckst Du die blaue Kapsel, ist alles aus. Du wachst in Deinem Bett auf und glaubst an das, was Du glauben willst. Schluckst Du die rote Kapsel, bleibst Du im Wunderland, und ich führe Dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus“, sagt Morpheus zu Neo im Film Matrix.
Dieses Zitat erinnert mich an die Entscheidung, vor der wir stehen, wenn wir uns mit einer neuen Idee für ein Produkt befassen. Sollen wir sie verwerfen oder verwirklichen? Ich habe ein Product Vision Board entwickelt, das Ihnen helfen soll, zu entscheiden, ob und wie Sie eine Idee weiter vorantreiben. In diesem Beitrag zeige ich, wie man das Board anwenden kann, um ein neues digitales Produkt zu entwerfen.
Eine neue Produktidee
Ich hatte vor Kurzem die Idee, ein elektronisches Werkzeug, nämlich eine digitale Version des Product Canvas zu entwickeln. Dieser Canvas ist ein multidimensionales Product Backlog, das dem Team ermöglicht, das Kundenerlebnis inklusive der Kundeninteraktion und dem UI-Design richtig festzuhalten. Seit ich diese Vorlage 2012 veröffentlicht habe, habe ich jede Menge ermutigendes Feedback dafür erhalten. Einige Leute haben vorgeschlagen, dass ich eine elektronische Version herausbringe und Johan Steenkamp hat angefangen, an einem kostenlosen, webbasierten Product Canvas als Bestandteil seines BMFiddles zu arbeiten.
Nachdem ich mit Johan für ein paar Monate unverbindlich zusammengearbeitet hatte, habe ich mich auf einmal gefragt, ob es eine gute Idee sei, einen verbesserten digitalen Product Canvas anzubieten. Als Hilfestellung zum Treffen der richtigen Entscheidung habe ich ein Vision Board entworfen. Aber bevor ich Ihnen dieses Board vorstelle, lassen Sie mich kurz in Erinnerung rufen, was das Vision Board überhaupt ist.
Das Product Vision Board
Das Product Vision Board hält die initialen Ideen und Annahmen für ein neues Produkt fest, wie die folgende Abbildung zeigt.
Dieses Board beschreibt die übergreifende Vision, die das Produkt leitet. Es listet auf, wer das Produkt verwenden und kaufen sollte (Zielgruppe), warum Menschen es benutzen und kaufen sollten (Bedürfnisse), welche die wichtigsten Funktionen des Produkts sind (Produkt) und warum die Organisation Geld in dieses Produkt investieren sollte (Geschäftsziele).
Dabei ist es wichtig, zu verstehen, dass das Vision Board den Innovations- und Produktentwicklungsprozess in Gang setzen soll. Es soll nicht die Nutzer, das Produkt und das Geschäftsmodell umfassend oder besonders detailliert beschreiben. Vielmehr hält es die entscheidenden Annahmen fest. Wenn Sie erfassen möchten, wie man das Produkt zusammen mit seinem Geschäftsmodell zu Geld machen könnte, dann empfehle ich Ihnen entweder, die erweiterte Version des Vision Boards zu nutzen oder, die einfache Version (siehe Abbildung oben) um ein Business Model Canvas zu ergänzen.
Die Entstehung des ersten Product Vision Boards
Um meine Gedanken zu sortieren, setzte ich mich hin und entwarf ein neues Product Vision Board. Obwohl ich ein großer Fan von einfachen, physischen Werkzeugen bin, habe ich mich entschlossen, ein elektronisches Vision Board zu entwickeln. Denn ich wollte es gemeinsam mit Johan benutzen, der in Neuseeland lebt, während ich in Großbritannien zu Hause bin. Und das war mein Ergebnis:
Angefangen habe ich mit der Vision, die ich bewusst sehr allgemein gehalten habe. Dadurch kann ich die Vision weiterverfolgen, selbst wenn sich meine Idee von einem elektronischen Werkzeug als Fehleinschätzung entpuppen sollte. Gleichzeitig erinnert mich die Vision daran, dass das neue Produkt nur Mittel zum Zweck ist, nämlich Organisationen dabei zu helfen, tolle neue Produkte zu entwickeln.
Als nächstes habe ich meine Ideen zu den Nutzern eingetragen. Zusätzlich zu den Produktmanagern und Product Ownern könnten auch Personen, die ihr eigenes Unternehmen starten möchten, das Werkzeug hilfreich finden. Da ich aber besonders unsicher bin, was diese Gruppe anbelangt, habe ich sie kursiv gesetzt. Dieses Vorgehen nutze ich in den anderen Spalten des Boards auch.
Dann habe ich mich mit den Bedürfnissen der Nutzer auseinandergesetzt und diese als Ziele formuliert. Beachten Sie bitte, dass ich ein Bedürfnis ausgewählt habe – mit einem gemeinsamen Canvas arbeiten können – anstatt unterschiedliche Bedürfnisse aufzulisten. Das vereinfacht das Testen dieses Bedürfnisses. Wenn Sie mehr als ein Bedürfnis auf Ihrem Board aufführen möchten, sollten Sie die Bedürfnisse priorisieren und sich auf das wichtigste konzentrieren.
Im nächsten Schritt habe ich die Produkteigenschaften aufgelistet, von denen ich der Meinung war, dass sie dazu beitragen, das Produkt einzigartig zu machen.
Ich habe aufgepasst, dabei keine spezifische Lösung, wie zum Beispiel eine iPad App, zu nennen. Das wäre an diesem Punkt noch verfrüht und würde die Optionen zu schnell einschränken. Bevor ich Entscheidungen über Produkteigenschaften treffe, möchte ich die Bedürfnisse der Zielgruppe zunächst überprüfen. Denn schließlich könnte sich das Vision Board leicht ändern aufgrund der neuen Erkenntnisse.
Zu guter Letzt habe ich die geschäftlichen Ziele meiner Investition in einen solchen digitalen Canvas aufgeführt. Ähnlich wie in den anderen Spalten habe ich dabei versucht, mich auf die wichtigsten Annahmen zu konzentrieren und mich nicht dazu verleiten zu lassen, das Geschäftsmodell zu entwerfen, bevor ich nicht mehr über die Nutzer und deren Bedürfnisse erfahren habe. Denn letztendlich wird das Geschäftsmodell nur funktionieren, wenn die ermittelten Bedürfnisse stimmen!
Prüfen des Product Vision Boards
Anschließend muss ich nun das Board iterativ validieren, wie die Abbildung unten zeigt.
Dabei ist das größte Risiko, ob es überhaupt einen ausreichenden Bedarf für einen elektronischen Canvas gibt. Deshalb plane ich eine Reihe von Problem-Interviews. Diese sollen Probleme fokussieren, die Product Owner und Manager heute haben, wenn sie Anforderungen identifizieren, erfassen und modifizieren. Problem-Interviews konzentrieren sich auf die Bedürfnisse der Nutzer, ihre Ziele und Schmerzpunkte anstatt auf das Produkt selbst. Tatsächlich ist es eine gute Idee, jegliche Prüfung des Produkts bei den Problem-Interviews zu vermeiden und beispielsweise gerade nicht zu fragen: „Könnte diese Funktion hilfreich sein?“ Sicher gibt es auch andere Ermittlungstechniken, z.B. die Feldbeobachtung von Nutzern, aber ich bin sicher, dass Interviews zum jetzigen Zeitpunkt passend sind. Die Interviews helfen mir hoffentlich dabei, meine Annahmen zu überprüfen und ermöglichen es mir, mehr über die Nutzer und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Das soll mich dazu in die Lage versetzen, die Lösung weiter einzugrenzen und mir helfen, ein realisierbares Geschäftsmodell zu finden.
Um es mit den Worten von Morpheus zu sagen: „Willkommen in der wirklichen Welt.“ Denn so lange wir nur annehmen und Hypothesen aufstellen, leben wir in einer Traumwelt. Erst wenn wir unsere Ideen testen, sehen wir die Realität.
Wir danken Roman Pichler, dass wir seinen Blogbeitrag, der im englischen Original auf seiner Website unter: https://www.romanpichler.com/blog/working-with-the-agile-product-vision-board/ zu finden ist, übersetzt veröffentlichen durften.
Das Product Vision Board (Englisch) können Sie sich übrigens kostenfrei hier herunterladen: https://www.romanpichler.com/tools/vision-board/
Wenn Sie mehr von ihm lesen möchten, empfehlen wir Ihnen sein Buch:
Strategize: Product Strategy and Product Roadmap Practices for the Digital Age