Am liebsten würden wir uns ja mal eine Weile neben Sie setzen und Sie bei der Nutzung unserer Tools beobachten. Wir würden Sie dabei näher kennenlernen und Sie zu Ihrem persönlichen und beruflichen Umfeld, Ihren Zielen und natürlich Ihren Anwendungserfahrungen befragen. Und wenn Sie als Kunde direkt in unserem Team mitwirken, könnten wir die Bedienbarkeit neuer Funktionen immer sofort mit Ihnen testen.
Naja, das geht nun mal nicht. Gerade in Zeiten der Pandemie. Wer findet es schon gut, wenn Externe die eigenen Mitarbeiter von der Arbeit abhalten und dazu noch Einblick in Projektinterna bekommen? Suchen wir also nach einer realistischen Lösung, um die Anwendersicht in einem Entwicklungsteam möglichst immer präsent zu haben: Nutzen wir Personas.
Für User-Interface und User-Interaction Design brauchen wir die Präsenz des zukünftigen Anwenders – und wenn schon nicht leibhaftig, dann doch wenigstens modellhaft in den Köpfen aller Beteiligten. Und genau das leistet die Technik der Personas.
Der Weg zu Personas
Erfinder der Methode der Personas ist Alan Cooper, der auch als der „Vater von Visual Basic“ gilt. Cooper hat die Methode der Personas erstmals 1995 beschrieben. Unter einer Persona versteht man ein imaginäres Modell einer Person mit konkreten (Charakter-) Eigenschaften und spezifischem Nutzungsverhalten. Eine Persona ist keine reale Person, auch kein Stereotyp, keine Rolle oder Berufsbezeichnung. Eine Persona ist eine erdachte Person. Personas basieren auf den Verhaltensmustern, mentalen Modellen und Zielen der realen Anwender. Personas entstehen auf der Grundlage des gesammelten Wissens über reale Anwender.
Und wie findet oder erfindet man Personas? Wie ist microTOOL dabei vorgegangen? Zunächst haben wir unsere Kollegen in der Beratung, im Support und im Vertrieb gefragt. Dort gibt es eine ganze Menge an Wissen über Ziele, Motivation, Umfeld, Arbeitsgebiet und Arbeitsweise derjenigen, die unsere Tools benutzen. Wir begannen, dieses Wissen aus den Köpfen der Kollegen herauszulocken – mit viel Kreativität und Interaktion. Das Ergebnis ist: Wir entwickeln jetzt für Stefan und Birgit – stellvertretend für Sie.
Wie viele Personas sollten entwickelt werden?
Gegenfrage: Mit wie vielen Personas wollen und können Sie gleichzeitig arbeiten? Wichtig ist es, die für Sie geeignete Anzahl von Personas zu finden. Für unser Projekt, in dem es um die Entwicklung von Tools für Requirements Engineering, modellgetriebene Entwicklung und Projektmanagement geht, haben wir drei Personas herausgearbeitet, die unterschiedliche Benutzerschnittstellen brauchen: die Anforderungsanalytikerin und Facharchitektin Birgit (42), den Softwareentwickler Stefan (34) und Alex (48) den Projektmanager.
Wir haben ihnen durch Fotos jeweils ein Gesicht gegeben und ein soziales Umfeld für sie erdacht. Spontan ist dabei das passiert, was Cooper für Entwicklung von Personas empfiehlt: Wir haben uns gegenseitig Geschichten über Stefan, Birgit und Alex erzählt. Darüber, was ihnen wichtig ist, wie sie das Wochenende oder ihre Freizeit verbringen, was sie nervt, was sie mögen … Nachdem wir alle ein lebendiges Bild im Kopf hatten, haben wir uns mit den Bedienerfahrungen, der direkten Arbeitsumgebung, den anderen Werkzeugen, die sie benutzen, beschäftigt. Und schließlich sind wir zum zentralen Punkt für das User-Interface Design vorgedrungen: zu den Zielen der drei.
Die Ziele der Personas sind wichtig
Man tut etwas, um Ziele zu erreichen. Denn das, was man tut, ist nicht das Ziel.
Bei der Suche nach Anwenderzielen haben wir uns an dieser Erkenntnis und wieder an Cooper orientiert. Er unterscheidet drei Typen:
- Experience Goals: Diese Ziele findet man, wenn man die Frage beantwortet: Wie will sich der Anwender fühlen? Ein Beispiel: Jeder Anwender möchte das Gefühl haben, dass er die Anwendung sicher beherrscht und nicht umgekehrt.
- End Goals: Sie beantworten die Frage: Was will der Anwender beim Einsatz der Anwendung erreichen? Hier geht es also um die Arbeitsziele.
- Life Goals: Sie sind die Antworten auf die Frage: Was ist das persönliche Streben des Anwenders, was will er darstellen, welche Motive treiben ihn an?
Gutes User-Interface Design bedeutet, den Anwender beim Erreichen seiner Ziele zu unterstützen. Cooper hat gerade diese Einteilung gewählt, weil sie mit einer Unterteilung der Wahrnehmung in drei kognitive Prozesse korrespondiert (siehe nachfolgendes Bild) – eine Erkenntnis, die dem User-Interface Designer bei der Suche nach geeigneten gestalterischen Mitteln für die Unterstützung der Anwenderziele helfen kann.
Die Vorteile der Arbeit mit Personas
Welche Vorteile bietet das Arbeiten mit Personas?
- Personas sind ein exzellentes Kommunikationsmittel Unsere Personas haben sich als ideales Kommunikationswerkzeug erwiesen. Personas erleichtern das Diskutieren über Lösungen („Sag mal, hast Du was gegen Stefan? Warum muss er denn dreimal klicken, um an die richtige Stelle zu kommen?“) und helfen, über Entwurfsalternativen zu entscheiden. Darüber hinaus wird immer wieder klar, dass es den Anwender gar nicht gibt, sondern dass Individuen Funktionen nutzen und dies durchaus sehr unterschiedlich. Personas schärfen somit sogar direkt die Lösungsfindung bei der Implementierung einer Funktion.
- Die Präsenz der Personas Die wichtigsten Erkenntnisse über unsere Personas haben wir auf Plakaten mit farbigen Karten festgehalten. Die Plakate mit Stefan und Birgit hängen jetzt im Teamraum an der Wand. Unsere Anwender sind also immer im Team präsent – im ganzen Team: Nicht nur User-Interface und User-Interaction Designer haben die beiden ständig vor Augen, sondern auch die Softwareentwickler. Die Entwicklung wird dadurch lebendiger. Ganz wichtig: Stefan und Birgit sind keine Karikaturen. Wir gehen mit ihnen ernsthaft und respektvoll um, so wie mit „echten“ Anwendern.
- Personas sind vielseitig einsetzbar Personas lassen sich in vielen Bereichen aktiv nutzen. Sei es bei der Software- oder Produktentwicklung, im Requirements Engineering, im Service, im Vertrieb oder im Marketing, und sogar in der Unternehmensplanung. Die Idee der Personas ist universell einsetzbar. Und das Arbeiten mit Personas macht sogar Spaß – denn es fördert die Empathie mit tatsächlichen Anwendern.
Personas sind nie fertig
Die Arbeitswelt ändert sich rasant: Homeoffice, Online-Meetings und Videocalls führen zu einem neuen Kommunikationsverhalten. Die Digitalisierung vieler Dienstleistungen und die umfangreiche Nutzung von Apps verändern die Anforderungen unserer Anwender an User-Interface und User-Interaction. Um diese Veränderungen zu verstehen und bei der Produktentwicklung zu berücksichtigen, müssen die Personas kontinuierlich weiterentwickelt werden. Wir haben Stefan, Birgit und Alex also ins Homeoffice geschickt. Anhand von Persona-Szenarios können wir so den veränderten Bedarf analysieren und daraus neue Produkt-Features ableiten.
microTOOL bietet keine Konsumgüter an und macht kein Massengeschäft. Das bedeutet, Big Data und künstliche Intelligenz stehen uns für die Analyse des Kunden- und Anwenderverhaltens nicht zur Verfügung. Und es bedeutet auch: Für microTOOL sind die entwickelten Personas äußerst wertvoll. Sie helfen uns, unsere Produktentwicklung langfristig auf Ihren Bedarf auszurichten. Unsere Personas sind damit ein wichtiges Hilfsmittel bei der Entwicklung unserer Unternehmensstrategie – man spricht in diesem Fall nicht umsonst von strategischen Personas.