Die schon 1947 von Toyota Mitarbeitern entwickelte Arbeitstechnik ‚“Kanban“ wurde von David J. Anderson aufgegriffen und für die Softwareentwicklung „fit“ gemacht. Seit einigen Jahren „verzieren“ mehrere Boards mit bunten Post-its die Büroräume in der IT. Statt den Anfang und Endzustand eines Prozesses analysieren zu wollen, richtet Kanban seinen Fokus auf den Fluss des Durchsatzes eines Produkts. Mehrere Kernpraktiken wie die Visualisierung von Arbeit oder die Einführung von Work in Progress (WIP) Limits sollen helfen, die Workflow Effizienz zu steigern und „Staus“ rechtzeitig zu identifizieren und zukünftig zu vermeiden.
Kanban für Jeden – ein Allrounder
Nein, Kanban wird nicht nur in der Produktion oder in der Softwareentwicklung genutzt. Diese unkomplizierte Arbeitsmethode ist überall hilfreich, wo Aufgaben erledigt werden. Beispielsweise wird das Marketing in ihren Prozessen durch ein Board mit Tasks unterstützt:
- Content für den nächsten Newsletter definieren
- Bild in verschiedenen Auflösungen für die Webseite zur Verfügung stellen
- Gastbeitrag von Herrn Neumann Korrektur lesen
All diese kleinen Tasks werden in einem Pool gesammelt und auf dem Board visualisiert. Ganz nach dem Pull-Prinzip nimmt sich dann ein Mitarbeiter, die für seine Fähigkeiten passende Aufgabe. Und so findet die Methode auch Anklang in der Qualitätskontrolle bei der Prüfung von Anforderungen oder im Support bei der Umsetzung von Tickets . Doch Kanban ist mehr als ein Board und Limitierung von Arbeit.
„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ – Philip Rosenthal
Kanban ist eine Kultur der kontinuierlichen Veränderung und Verbesserung. Die Motivation der Veränderung kommt oftmals durch Unzufriedenheit. Doch wie erkenne ich, dass der Prozess nicht optimal läuft? Und wie kann ich die Wirkung einer Verbesserungsmaßnahme auf den Arbeitsfluss überhaupt messen?
Mache nicht nur Arbeit sichtbar, sondern auch Engpässe
Ein Parameter, um den Fluss zu „messen“ ist die Lead time (dt= Durchlaufzeit). Das ist die Zeit, die eine Aufgabe benötigt, um die verschiedenen Zustände (z.B. eingeplant, in Bearbeitung, fertig gestellt) zu durchlaufen, bis sie fertig gestellt ist. Bei Auswertung der Lead time wird sichtbar, welche Aufgaben besonders viel Zeit bis zur Fertigstellung benötigt haben. Der nächste Schritt wäre, herauszufinden, in welchem Zustand das Ticket lange Zeit verweilte. In der Teamretrospektive wird die Ursache für die lange Verweilzeit gesucht und dann an einer Maßnahme zur Verbesserung gearbeitet.
Alles im Fluss halten – mit dem kumulativen Flussdiagramm
Eine weitere Möglichkeit der Auswertung, ist die Visualisierung der Arbeit mittels kumulativem Flussdiagramm (CFD). Auf der x-Achse befindet sich ein Zeitstrahl und auf der y- Achse die Anzahl der Aufgaben. Da die Anzahl der Aufgaben mit der Zeit zunimmt, ist ein ansteigender Verlauf zu erwarten. Interessant in dem Diagramm sind die „Spikes“ wie beispielsweise am Tag 06.09. zu sehen. An dem Diagramm erkennt man schnell, dass am 06.09. die Tester sehr viel zu tun haben. Die Entwicklung hingegen scheint aktuell keine Aufgaben zur Bearbeitung zu haben. Zeit für eine Veränderung!
Kommunikation – ein Problem ist halb gelöst, wenn es klar formuliert ist
Kanban möchte mit wenigen Methoden und Praktiken den Fluss des Prozesses aufrechterhalten. Dafür sind nicht nur Metriken zur Identifizierung von Engpässen notwendig, sondern auch ständige Anpassung und die Motivation zur Verbesserung. Häufig führen ständig wechselnde Prozesse zur Verunsicherung. Der Mensch ist und bleibt ein Gewohnheitstier. Umso wichtiger ist es, Vorgänge und Entscheidungen transparent zu machen. Daher benennt Kanban auch die Kommunikation im Team, zwischen den Teams und mit den Stakeholdern als einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Angefangen vom Daily Standup Meeting über das Release-Planungsmeeting bis hin zu Operations Reviews ist der Austausch untereinander eine wichtige Methode, um Doppelungen und überflüssige Arbeiten zu vermeiden [1]. Mehr noch, der regelmäßige Dialog bindet die Mitarbeiter ins Geschehen ein und führt zu intrinsischer Motivation, kontinuierlich besser zu werden.
[1] K. Leopold, S. Kaltenecker “Kanban in der IT”, 3. Auflage, Carl Hanser Verlag München, 2018