Im 3. Teil unserer 8-teiligen Blogserie zu objectiF RM – der Requirements Engineering & Requirements Management Software – war von Zielen die Rede. Davon, welche Bedeutung definierte Ziele für die Anforderungsanalyse haben, wie man sie entwickelt, modelliert und beschreibt.
Aber was kann man tun, wenn
- die Ziele der Stakeholder zu unklar bzw. nicht konkret genug sind,
- man nicht einschätzen kann, ob alle Ziele richtig verstanden wurden,
- man unsicher ist, ob die Ziele annähernd vollständig erfasst wurden?
In einer solchen Situation gibt es einen Kniff: Einfach mal die Perspektive wechseln und Szenarien definieren. Szenarien beschreiben, wie der zukünftige Anwender seine Ziele in Interaktion mit dem zu entwickelnden System erreicht. Die Chance, bei der Beschreibung von Szenarien auf noch nicht formulierte Ziele zu stoßen oder Unklarheiten aufzudecken, ist groß.
Szenarien entwickeln – ein hilfreicher Schritt auf dem Weg zu Anforderungen
Was sind denn eigentlich Szenarien?
Szenarien werden in den drei Disziplinen: Systems Engineering, Software Engineering und Usability Engineering in verschiedenen Ausprägungen verwendet. Die zugrunde liegende Idee ist aber immer dieselbe. Ein Szenario erzählt eine Geschichte der Art: Jemand macht dies, darauf macht jemand (oder etwas z. B. das System) das …
Die am weitesten verbreitete Ausprägung ist sicher die der Use Case Szenarien im Sinne der UML.
Use Cases und Use Case Szenarien
Use Cases waren lange Zeit das wohl beliebteste Mittel, um Anforderungen an das Systemverhalten aus Sicht der Systembenutzer zu spezifizieren. Ein Use Case Szenario beschreibt eine über mehrere Schritte verlaufende Interaktion eines Akteurs mit einem System und die von außen wahrnehmbaren Reaktionen des Systems. Dies geschieht entweder in Textform oder mit formalen Ausdrucksmitteln wie Aktivitätsdiagrammen.
Ein Use Case besteht in der Regel aus mehreren Szenarien: Neben dem direkten Weg zur Lösung einer fachlichen Aufgabe – dem sogenannten Hauptszenario (mir gefällt Sunny-Day-Scenario besser) – gehören auch Erweiterungsszenarien für alternative Wege, Ausnahmeverhalten und Fehlerbehandlung dazu. Man könnte auch sagen: Use Cases – und mit ihnen die Use Case Diagramme – bieten einen strukturellen Rahmen, um alle denkbaren Szenarien zu gruppieren und zu ordnen.
objectiF RM erlaubt Ihnen, diese Strukturierungsmöglichkeiten voll zu nutzen: Sie können Use Cases definieren, Use Case Diagramme erstellen, Use Cases beschreiben – z. B. so:
Zwischenfrage: Sind Use Cases denn noch zeitgemäß?
Seit sich die agilen Methoden mit Epics, Feature Requirements, User Stories und anderen Backlog Items durchgesetzt haben, wird das Instrument der Use Cases infrage gestellt: Ist es heute noch sinnvoll, Use Cases zu modellieren? Ich glaube ja – zwar nicht generell, aber doch in besonderen Fällen. Insbesondere auf strategischer Ebene sind Business Use Cases hilfreich. Sie stellen größere Zusammenhänge dar und liefern Kontextinformationen, die für die Formulierung von Geschäftsanforderungen hilfreich sind. Sogar im Zusammenhang mit dem Scaled Agile Framework (SAFe®) bringen sie Nutzen. Mehr dazu finden Sie in den Beiträgen Business Use Cases – Da ist noch jede Menge Musik drin und Use Cases – können sie weg oder sind sie SAFe®?
Und wie helfen Use Case Szenarien bei der Definition der Ziele?
Gerade weil man mit Use Cases Zusammenhänge überblicksartig abbilden kann, sind sie auch ein geeignetes Mittel, um Ziele zu prüfen und zu stabilisieren: Wenn Sie beim Modellieren von Use Cases und beim Beschreiben von Use Case Szenarien immer die Frage im Hinterkopf haben: „Was will der Anwender/wollen die Stakeholder hiermit eigentlich erreichen?“, dann stoßen Sie unweigerlich auf „schräg“ definierte Ziele, finden Ziele, die noch nicht explizit formuliert sind, und gewinnen insgesamt ein besseres Verständnis der Intention Ihrer Stakeholder.
Szenario – das muss nicht immer Use Case Szenario heißen
In Softwareprojekten, die mit Use Cases arbeiten, dienen Use Case Szenarien meistens als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Benutzeroberfläche, genauer der Benutzerinteraktion. Aber lassen Sie uns einmal kritisch fragen: Ein Akteur, der eine Rolle repräsentiert und als Strichmännchen im Use Case Diagramm dargestellt wird, und Szenarien, also Interaktionsfolgen, die nach einem strengen verbalen Schema oder mit Aktivitätsdiagrammen beschrieben werden – sind diese abstrakten Mittel wirklich gut geeignet, um sich in die zukünftigen Anwender hineinzuversetzen und Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit eines Systems zu entwickeln? Ein Usability Engineer wird wahrscheinlich mit Nein antworten. Im Usability Engineering kennt man eine Alternative: die Entwicklung von Personas und personabezogenen Szenarien.
Personas und personabezogene Szenarien in objectiF RM
Personas sind fiktive – also nicht wirklich existierende – Anwender, die aber so anschaulich beschrieben sind und so spezifische Eigenschaften besitzen, dass sie existieren könnten. Sie personifizieren einen Anwendertypus und
- machen Wissen und Annahmen über Anwender sichtbar,
- helfen, über die spezifischen Bedürfnisse von Anwendern zu kommunizieren,
- fördern die Empathie, helfen also, sich in Anwender hineinzuversetzen.
Personas werden auf der Basis von Daten über die zukünftigen Anwender eines Systems entwickelt. Eine Persona gibt einem abstrakten Akteur ein Gesicht, einen Lebenslauf, eine Familie, ein Büro, Kollegen, persönliche Vorlieben etc. Ein personabezogenes Szenario beschreibt, wie eine solche fiktive Person einen Anwendungsfall „durchlebt“. Beschrieben wird ein personabezogenes Szenario narrativ, also in Form einer Geschichte.
Helfen Personas auch bei der Zieldefinition?
Nach den Erfahrungen, die wir mit dieser Technik gewonnen haben, ja. Gerade in Projekten, in denen man nur eingeschränkte Möglichkeiten zur direkten Kommunikation mit zukünftigen Anwendern und Stakeholdern hat, hilft die „Kommunikation im Kopf“ mit den fiktiven Anwendern bei der Klärung von Zielen. Skeptisch? Nicht „engineering-mäßig“ genug? Unser Tipp: Versuchen Sie es.
objectiF RM bietet Ihnen die Möglichkeit, Personas und ihre Szenarien als Konkretisierung von Akteuren und Use Case Szenarien festzuhalten. Hier können Sie einen kleinen Eindruck davon gewinnen, wie das funktioniert:
Was Sie in dem kurzen Video gerade gesehen haben, können Sie mit objectiF RM natürlich auch gleich einmal ausprobieren. Hier geht es zu Ihrer kostenlosen Trialversion.
Ich hoffe, Sie sind wieder dabei, wenn ich Ihnen im nächsten Teil mehr zur Beschreibung von Anforderungen mit objectiF RM zeige.